…Sehnsucht nach dem Wunderbaren, dem Wunder im Alltag.
Eher zufällig kam ich an dem Video eines Titels aus (in dieser Version) den 90ern vorbei, den ich damals schon gemocht hatte. Da dachte ich so bei mir: „Bring doch einfach mal was Leichtes, Flockiges, so zur Entspannung am Wochenende, die Kolleginnen und Kollegen stellen ja auch gern mal ‚einfach so‘ ein Musikvideo ein.“
Hat nicht ganz geklappt. Beim Nachdenken über den obligatorischen katholischen Inhalt (oder OCC, obligatory catholic content, eine noch zu erlassende Vorschrift des Blogoezesanrats ;-)) entwickelte sich mehr so ein Eintrag nach Art von Metanoia im Wilden Westen…
Aber der Reihe nach. Unten folgt ein Video der Gruppe The Beautiful South aus dem Jahr 1995, das eine Coverversion des Lieds, „Dream a little dream of me“ aus dem Jahre 1930 beinhaltet und zwar als Teil des Soundtracks für den Film „French Kiss“ mit Meg Ryan.
Da ich ja weiß, daß nicht alle Leser mit dem Englischen ganz so vertraut sind, folgt unten der vollständige Liedtext (der ist einfach, ein „Sycamore tree“ ist die „Amerikanische Platane“, Platanus occidentalis) und hier zwei Erläuterungen vorab zum besseren Verständnis:
Zwischen 1.46 und 1.54 entspinnt sich ein Dialog: „Hey, You! You’re dancing?” „You’re asking?“ „I’m asking!“ „I’m dancing!“, was sich etwa wie folgt übersetzen läßt: „He, Du da, tanzt Du?“ „Fragst Du das im Ernst?“ „Ja!“ „Ich tanze!“
Nach dem Ende des Liedes bei 3.24 heißt es: „Sweet Dreams, Jacqui!“ Das bezieht sich auf den Namen der (damaligen) Sängerin von The Beautiful South, Jacqui Abbot.
So, jetzt schauen Sie bitte:
Ist das nicht hübsch gemacht? Die Geschichte beginnt in tiefer Niedergeschlagenheit („blue as can be“), in einer gänzlich banalen, alltäglichen Situation (und vielleicht lohnt es hier daran zu erinnern, daß 1930 in den USA die Great Depression nach dem Börsenkrach 1928 herrschte), und daß dann angefangen wird zu singen, ohne daß sich in dem Kino jemand darüber wundert, das ist noch ganz und gar normal für ein Musikvideo.
Aber dann beginnt mit 1.42 der Einbruch des „Wunderbaren“ vollends: Der Film, der zu sehen ist, ist nicht mehr das fertige Produkt, das er bisher war, die Betrachter befinden sich vielmehr auf einmal noch in der Produktionsphase, die Klappe wird geschlagen. Was aber scheint’s immer noch niemanden irritiert. Aber daß der junge Mann anschließend vom „Silver Screen“ herabblickt, mit der Kartenabreißerin einen Dialog beginnt, aus dem Film ins Kino steigt und beginnt, mit ihr zu tanzen, das verwundert die Menschen dann schon! Und wie dann getanzt wird! Ganz und gar glamourös und, interessanterweise, in der Ästhetik der Entstehungszeit des Liedes.
Nun, Sie mögen einwenden: „Ok, ok, aber das haben wir ja nun auch alles schon mal gesehen, Hollywood ist eben die „Traumfabrik“, so what?!
Ist schon recht. Und dennoch, mich fasziniert immer wieder die gerade auch in der Populärkultur so offen zutage tretende Sehnsucht nach dem Außeralltäglichen, dem „Wunder“, das sich jederzeit ereignen kann. Und, jedenfalls hier zu beobachten, nach Schönheit, ja, Eleganz (2.05!). Sollte man gar sagen, nach „Form“?
Wäre es da ganz und gar hoffnungslos, zu versuchen, den Menschen zu erläutern, daß die wahre „Hauptstadt der Wunder“ nicht Hollywood heißt, sondern Rom? Die wahre Hauptstadt der wahren Wunder. Und ist es nicht eigentlich bloß einleuchtend, daß, wenn wir die Sehnsucht nach Form, Schönheit, ja nach „Glamour“ nicht befriedigen, sie sich weniger würdige, weltliche Ventile sucht?
Und das, so scheint’s, eher traurige Ende der kleinen Geschichte? Naja, Wunder haben’s eben schwer, und daß es Dinge gibt, die man einfach tun muß, auch wenn es dafür (in dieser, der „normalen“, empirisch zugänglichen Welt) keine unmittelbare Belohnung gibt, das ist ja nun ein auch im christlichen Kontext vertrauter Gedankengang.
Ich finde aber die Episode mit dem bösen Regisseur noch in anderer Hinsicht interessant (Der verschwindet übrigens zwischendurch, und plötzlich läuft wieder der fertige Film, in Parallelisierung zum Geschehen vor der Leinwand, weiter; der „Machtmensch“ hat das Geschehen nicht wirklich im Griff!).
Denn gerade in seinem Nichtverstehen und seiner „bösen“ Reaktion zeigt sich: Er kann nicht durch die Wand, er hat nicht Teil an dem Wunder, das sich ereignet, weil er nicht der ist, der er dafür sein müßte. Nun, daß man für bestimmte Formen der Teilhabe erst „richtig“ werden muß, das ist bloß gute aristotelische Tradition (wenn die Feststellung auch, zumindest seit einiger Zeit, nicht mehr völlig banal ist, z.B. wenn es darum geht, erst „der Richtige“ für eine Diskursteilnahme werden zu müssen).
Aber wie, bzw., durch was man wirklich „richtig“ werden kann, dafür hat die antike Philosophie nicht genügt, dafür bedurfte es der Offenbarung, des Christusereignisses. Oder anders: Das konnte Aristoteles nicht zeigen, aber der Hl. Thomas v. Aquin.
Go figure!
(Vgl. Alasdair McIntyre, Three Rival Versions of Moral Enquiry, Notre Dame, Indiana 1990, VI. Aquinas and the rationality of tradition, bes. S. 140f.)
Liedtext:
Stars shining bright above you
Night breezes seem to whisper I love you
Birds singing in the sycamore tree
Dream a little dream of me
Say nighty-night and kiss me
Just hold me tight and tell me you’ll miss me
While I’m alone and blue as can be
Dream a little dream of me
Stars fading, but I linger on dear
Still craving your kiss
I’m longing to linger till dawn dear
Just saying this
Sweet dreams till sunbeams find you
Sweet dreams that leave our worries behind you
But in your dreams whatever they be
Dream a little dream of me
Stars fading, but I linger on dear
Still craving your kiss
I’m longing to linger till dawn dear
Just saying this
Sweet dreams till sunbeams find you
Sweet dreams that leave our worries far behind you
But in your dreams whatever they be
Dream a little dream of me
Sweet dreams till sunbeams find you
Sweet dreams – our worries behind you
But in your dreams whatever they be
Dream a little dream of me
Sweet dreams
Sweet dreams
Sweet dreams
Sweet dreams
Ein Kommentar
Schönes Video, schöner Song, sehr schöne Parallele!
Vielen Dank für den Genuss!
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