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Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 24

And with that thought came a larger one, and the colossal figure of her Master had also crossed the theatre of my thoughts. The same modern difficulty which darkened the subject-matter of Anatole France also darkened that of Ernest Renan. Renan also divided his hero’s pity from his hero’s pugnacity. Renan even represented the righteous anger at Jerusalem as a mere nervous breakdown after the idyllic expectations of Galilee. As if there were any inconsistency between having a love for humanity and having a hatred for inhumanity! Altruists, with thin, weak voices, denounce Christ as an egoist. Egoists (with even thinner and weaker voices) denounce Him as an altruist. In our present atmosphere such cavils are comprehensible enough. The love of a hero is more terrible than the hatred of a tyrant. The hatred of a hero is more generous than the love of a philanthropist. There is a huge and heroic sanity of which moderns can only collect the fragments. There is a giant of whom we see only the lopped arms and legs walking about. They have torn the soul of Christ into silly strips, labelled egoism and altruism, and they are equally puzzled by His insane magnificence and His insane meekness. They have parted His garments among them, and for His vesture they have cast lots; though the coat was without seam woven from the top throughout. (Ch. III, The Suicide of Thought)

Und mit diesem Gedanken kam mir ein noch größerer, und die kolossale Gestalt ihres Meisters erschien auf der Bühne meines Denkens. Es war dieselbe Schwierigkeit, wie sie alle Modernen haben, die den Gegenstand von Anatole France verdunkelte, die auch denjenigen von Ernest Renan ins Dämmerlicht rückte.
Auch Renan hatte das Erbarmen seines Helden von seiner Kampfeslust getrennt. Renan hatte sogar Seinen gerechten Zorn auf Jerusalem als bloßen Nervenzusammenbruch nach den Hoffnungen in der Idylle von Galiläa dargestellt. Als ob es irgendeinen Widerspruch zwischen der Liebe zur Menschheit und dem Haß auf die Unmenschlichkeit gäbe!
Altruisten verurteilen Christus mit dünner, schwacher Stimme  als Egoisten. Egoisten (mit noch dünnerer und schwächerer Stimme) verurteilen ihn als Altruisten. In unserer gegenwärtigen Atmosphäre sind solche Kritteleien durchaus verständlich. Heute erscheint die Liebe eines Helden schrecklicher als der Haß eines Tyrannen und der Haß eines Helden generöser als die Zuneigung eines Philanthropen.
Es gibt eine gewaltige und heroische Form geistiger Gesundheit, von der die Modernen nur noch Bruchstücke zusammenzutragen in der Lage sind. Es gibt da einen Giganten, von dem wir nurmehr die abgehackten Arme und Beine herumlaufen sehen.
Sie haben die Seele Christi in läppische Streifen gerissen, Egoismus und Altruismus genannt, und sind gleichermaßen verwirrt über seine irre Herrlichkeit und seine nicht minder verrückte Sanftmut. Sie haben seine Gewänder unter sich aufgeteilt und um sein Gewand gelost, obwohl der Mantel von oben bis unten nahtlos gewebt war. (Kap. III. Der Selbstmord des Denkens)

 

Frohes und gesegnetes Weihnachtsfest! 

Gereon Lamers

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 23

And as I turn and tumble over the clever, wonderful, tiresome, and useless modern books, the title of one of them rivets my eye. It is called „Jeanne d’Arc,“ by Anatole France. I have only glanced at it, but a glance was enough to remind me of Renan’s „Vie de Jésus.“ It has the same strange method of the reverent sceptic. It discredits supernatural stories that have some foundation, simply by telling natural stories that have no foundation. Because we cannot believe in what a saint did, we are to pretend that we know exactly what he felt. But I do not mention either book in order to criticise it, but because the accidental combination of the names called up two startling images of sanity which blasted all the books before me. Joan of Arc was not stuck at the cross-roads, either by rejecting all the paths like Tolstoy, or by accepting them all like Nietzsche. She chose a path, and went down it like a thunderbolt. Yet Joan, when I came to think of her, had in her all that was true either in Tolstoy or Nietzsche, all that was even tolerable in either of them. I thought of all that is noble in Tolstoy, the pleasure in plain things, especially in plain pity, the actualities of the earth, the reverence for the poor, the dignity of the bowed back. Joan of Arc had all that and with this great addition, that she endured poverty as well as admiring it; whereas Tolstoy is only a typical aristocrat trying to find out its secret. And then I thought of all that was brave and proud and pathetic in poor Nietzsche, and his mutiny against the emptiness and timidity of our time. I thought of his cry for the ecstatic equilibrium of danger, his hunger for the rush of great horses, his cry to arms. Well, Joan of Arc had all that, and again with this difference, that she did not praise fighting, but fought. We know that she was not afraid of an army, while Nietzsche, for all we know, was afraid of a cow. Tolstoy only praised the peasant; she was the peasant. Nietzsche only praised the warrior; she was the warrior. She beat them both at their own antagonistic ideals; she was more gentle than the one, more violent than the other. Yet she was a perfectly practical person who did something, while they are wild speculators who do nothing. It was impossible that the thought should not cross my mind that she and her faith had perhaps some secret of moral unity and utility that has been lost. (Ch. III, The Suicide of Thought)

Und so drehe ich mich um und stolpere über all die klugen, wunderbaren, ermüdenden und völlig nutzlosen modernen Bücher, und dabei sticht mir ein Titel ins Auge. Es ist „Jeanne d’Arc“ von Anatole France. Ich habe nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen, aber dieser flüchtige Blick genügte, um mich an Renans „Vie de Jésus“ zu erinnern.
Das Werk verwendet dieselbe eigentümliche Methode des ‘ehrfürchtigen Skeptikers‘. Es diskreditiert übernatürliche Erzählungen, die eine gewisse Grundlage haben, einfach indem es natürliche Geschichten erzählt, die gar keine Grundlage haben. Weil wir nicht an das glauben können, was ein Heiliger getan hat, müssen wir so tun, als wüßten wir genau, was er gefühlt hat.

Aber ich erwähne keines dieser beiden Bücher, um es zu kritisieren, sondern weil die zufällige Kombination der Namen, die sie mit sich brachten, zwei aufregende Bilder geistiger Gesundheit  heraufbeschworen hat, die alle Bücher, die da vor mir lagen, mit einem Schlag hinwegfegten.

Johanna von Orleans stand nicht gelähmt an der Kreuzung, weder indem sie wie Tolstoi alle Wege ablehnte, noch indem sie wie Nietzsche alle Wege guthieß. Sie wählte einen Weg und fuhr ihn hinab wie ein Blitz.
Aber Johanna von Orleans barg, wenn ich es recht bedachte, alles in sich, was es Wahres gab, sowohl an Tolstoi als auch an Nietzsche – oder was an beiden auch nur erträglich erschien. Ich dachte an alles, was edel an Tolstoi ist, die Freude an einfachen Dingen, besonders am schlichten Erbarmen, an der schieren Tatsächlichkeit der Erde, die Ehrfurcht vor den Armen, die Würde des gebeugten Rückens. 

Johanna von Orleans hatte all das und noch dazu hatte sie den großen Vorteil, daß sie wirklich Armut ertrug und sie bewunderte, während Tolstoi nur ein typischer Aristokrat ist, der versucht, das Geheimnis der Armut zu ergründen. Und dann dachte ich an alles, was an dem armen Nietzsche mutig, stolz und mitleiderregend war, und an seine Meuterei gegen die Leere und die Furchtsamkeit unserer Zeit. Ich dachte an seinen Aufschrei nach dem ekstatischen Gleichgewicht der Gefahr, seinen Hunger nach dem Ansturm großer Rösser, seinen Ruf zu den Waffen.
Nun, bei Johanna von Orleans gab es all das auch, nur erneut mit dem Unterschied, daß sie nicht bloß den Kampf lobte, sondern kämpfte. Wir wissen, daß sie keine Angst vor einer ganzen Armee hatte, während Nietzsche, nach allem, was wir wissen, sogar Angst vor einer Kuh hatte. Tolstoi lobte den Bauern bloß; sie war die Bäuerin. Nietzsche pries bloß den Krieger; sie war die Kriegerin.
Sie schlägt, gemessen an deren eigenen entgegengesetzten Idealen, beide. Sie war sanfter als der eine, gewaltsamer als der andere. Und dennoch war sie eine vollkommen praktische Person, die etwas vollbracht hat, während diese beiden sich nur wilden Spekulationen hingaben, aber nichts getan haben.
Und so war es einfach unmöglich, daß mir nicht der Gedanke in den Sinn gekommen wäre, daß Johanna und ihr Glaube vielleicht ein Geheimnis moralischer Einheit und Praktikabilität bargen, das uns verloren gegangen ist. (Kap. III. Der Selbstmord des Denkens)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 22

An imbecile habit has arisen in modern controversy of saying that such and such a creed can be held in one age but cannot be held in another. Some dogma, we are told, was credible in the twelfth century, but is not credible in the twentieth. You might as well say that a certain philosophy can be believed on Mondays, but cannot be believed on Tuesdays. You might as well say of a view of the cosmos that it was suitable to half-past three, but not suitable to half-past four. What a man can believe depends upon his philosophy, not upon the clock or the century. If a man believes in unalterable natural law, he cannot believe in any miracle in any age. If a man believes in a will behind law, he can believe in any miracle in any age. (Ch. V, The Flag of the World)

In der modernen Auseinandersetzung hat sich die schwachsinnige Angewohnheit entwickelt, zu behaupten, man könne in einem Zeitalter an dieses oder jenes glauben, in einem anderen jedoch nicht. Manche Glaubenssätze, so wird uns erzählt, waren im 12. Jahrhundert glaubwürdig, im 20. Jahrhundert jedoch nicht.
 Genauso gut könnte man  sagen, dass man montags einer bestimmten Philosophie anhängen  könne, dienstags jedoch nicht. Ebenso gut könnte man von einer bestimmten Sicht des Kosmos sagen, daß sie für halb vier geeignet sei, für halb fünf jedoch nicht.
Was ein Mensch glauben kann, hängt von seiner Weltanschauung ab, nicht von der Uhrzeit oder vom aktuellen Jahrhundert. Wenn ein Mensch an unveränderliche Naturgesetze glaubt, kann er in keinem Zeitalter an Wunder glauben. Wenn ein Mensch an einen Willen hinter dem “Gesetz” glaubt, kann er in jedem Zeitalter an Wunder glauben. (Kap. V, Die Standarte der Welt)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 21

For decoration is not given to hide horrible things; but to decorate things already adorable. A mother does not give her child a blue bow because he is so ugly without it. A lover does not give a girl a necklace to hide her neck. If men loved Pimlico as mothers love children, arbitarily, because it is theirs Pimlico in a year or two might be fairer than Florence. Some readers will say that this is a mere fantasy. I answer that this is the actual history of mankind. This, as a fact, is how cities did grow great. Go back to the darkest roots of civilisation and you will find them knotted round some sacred stone or encircling some sacred well. People first paid honour to a spot and afterwards gained glory for it. Men did not love Rome because she was great. She was great because they had loved her. (Ch. V, The Flag of the World)

Denn scheußliche Dinge werden nicht geschmückt, geschmückt wird, was bereits entzückend ist. Eine Mutter gibt ihrem Kind keine blaue Schleife, weil es ohne sie so häßlich ist. Ein Liebhaber schenkt einem Mädchen keine Halskette, um ihren Hals zu verbergen. Wenn es Menschen gäbe, die Pimlico liebten, wie Mütter ihre Kinder lieben, einfach so, ganz willkürlich, weil es ihres ist, könnte Pimlico in ein oder zwei Jahren schöner sein als Florenz. Einige Leser werden sagen, das sei reine Fantasie. Ich antworte, das ist die wahre Geschichte der Menschheit. So tatsächlich sind Städte groß geworden. Gehen Sie zurück zu den dunkelsten Wurzeln der Zivilisation und Sie werden sie um einen heiligen Stein geknotet oder um einen heiligen Brunnen gewickelt finden. Die Menschen erwiesen einem Ort zuerst Ehre und erst danach erlangten sie Ruhm für den Ort.
Rom wurde nicht geliebt, weil es groß war. Es wurde groß, weil es geliebt wurde.
(Kap. V, Die Standarte der Welt) 

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 20

I had always vaguely felt facts to be miracles in the sense that they are wonderful: now I began to think them miracles in the stricter sense that they were wilful. I mean that they were, or might be, repeated exercises of some will. In short, I had always believed that the world involved magic: now I thought that perhaps it involved a magician. And this pointed to a profound emotion always present and sub-conscious; that this world of ours has some purpose; and if there is a purpose, there is a person. I had always felt life first as a story: and if there is a story there is a story-teller. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Ich hatte immer undeutlich empfunden, daß Fakten eigentlich ganz außergewöhnliche Begebenheiten  sind, Wunder in dem Sinne, daß sie wundervoll sind; jetzt fing ich an, sie im strengeren Sinne für Wunder zu halten, insofern, daß sie auch beabsichtigt waren. Damit meine ich, daß sie wiederholte Bekundungen eines Willens wären oder es jedenfalls sein könnten.
Kurz gesagt, ich hatte immer geglaubt, daß es in der Welt Magie gibt; jetzt fing ich an zu denken, daß es vielleicht auch einen Magier gibt.
Und das wies auf ein tiefes Gefühl hin, das  unterbewußt immer vorhanden ist; das Gefühl nämlich daß unsere Welt einen Zweck hat; und wenn es einen Zweck gibt, gibt es eine Person.
Ich hatte das Leben immer zuerst für eine Geschichte gehalten und als eine solche empfunden: und wenn es eine Geschichte gibt, dann gibt es einen Geschichtenerzähler. (Kap. IV, Die Ethik des Feenreichs)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 19

The thing I mean can be seen, for instance, in children, when they find some game or joke that they specially enjoy. A child kicks his legs rhythmically through excess, not absence, of life. Because children have abounding vitality, because they are in spirit fierce and free, therefore they want things repeated and unchanged. They always say, „Do it again“; and the grown-up person does it again until he is nearly dead. For grown-up people are not strong enough to exult in monotony. But perhaps God is strong enough to exult in monotony. It is possible that God says every morning, „Do it again“ to the sun; and every evening, „Do it again“ to the moon. It may not be automatic necessity that makes all daisies alike; it may be that God makes every daisy separately, but has never got tired of making them. It may be that He has the eternal appetite of infancy; for we have sinned and grown old, and our Father is younger than we. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Was ich meine, kann man zum Beispiel an Kindern beobachten, wenn sie ein Spiel oder einen Witz finden, der ihnen besonders gefällt. Ein Kind strampelt rhythmisch mit den Beinen, wenn es zu viel, nicht wenn es zu wenig Lebendigkeit hat.
Weil Kinder über eine überschäumende Vitalität verfügen, weil sie im Geist wild und frei sind, wollen sie, daß die Dinge wiederholt und unverändert bleiben. Sie sagen immer: „Mach es noch einmal“; und der Erwachsene tut es wieder und wieder, bis er fast tot ist.
Denn Erwachsene sind nicht stark genug, um sich an der Monotonie zu erfreuen. Aber vielleicht ist Gott stark genug, um in der Monotonie zu frohlocken. 

Es ist absolut möglich, daß Gott jeden Morgen zur Sonne sagt: „Geh noch einmal auf“; und jeden Abend zum Mond: „Erhebe dich noch einmal“. Vielleicht ist es eben kein Automatismus, keine Notwendigkeit, die alle Gänseblümchen gleich macht. Nein,  es kann sein, daß Gott jedes Gänseblümchen einzeln macht, aber nie müde wird, sie zu machen. Es kann sein, daß er über den ewigen Appetit der Kindheit verfügt; denn wir haben gesündigt und sind alt geworden, und so ist unser Vater jünger als wir.  (Kap. IV, Die Ethik des Feenreichs) 

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 18

I have first to say, therefore, that if I have had a bias, it was always a bias in favour of democracy, and therefore of tradition. Before we come to any theoretic or logical beginnings I am content to allow for that personal equation; I have always been more inclined to believe the ruck of hard-working people than to believe that special and troublesome literary class to which I belong. I prefer even the fancies and prejudices of the people who see life from the inside to the clearest demonstrations of the people who see life from the outside. I would always trust the old wives‘ fables against the old maids‘ facts. As long as wit is mother wit it can be as wild as it pleases. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Ich muß also zunächst sagen, daß ich, wenn ich je eine Voreingenommenheit hatte, es immer eine Voreingenommenheit zugunsten der Demokratie und damit der Tradition war. Bevor wir also zu irgendwelchen theoretischen oder logischen Ansätzen kommen, bin ich erst einmal zufrieden damit, diese persönliche Gleichung aufzumachen: Ich war immer eher geneigt, der Masse der hart arbeitenden Menschen zu glauben, als jener besonderen und problematischen literarischen Klasse, zu der ich selbst gehöre.
Ich ziehe sogar die Spinnereien und Vorurteile der Menschen, die das Leben von innen sehen, den klarsten Darlegungen derjenigen Menschen vor, die das Leben stattdessen bloß von außen sehen. Ich würde den Fabeln der alten Frauen immer mehr vertrauen als den Tatsachen der alten Jungfern. Solange der Witz Mutterwitz ist, kann er so wild sein, wie er will. (Kap. IV, Die Ethik von Elfland)

PS: Wer hier nicht an den ‘Elfenbeinturm’ und die “Experten” samt ihren Claqueuren aus der Laptop-Class denkt, die wir in so fürchterlicher Weise in der Corona-Zeit kennenlernen müssen, dem könnte ich auch nicht mehr helfen.

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 17

Tradition means giving votes to the most obscure of all classes, our ancestors. It is the democracy of the dead. Tradition refuses to submit to the small and arrogant oligarchy of those who merely happen to be walking about. All democrats object to men being disqualified by the accident of birth; tradition objects to their being disqualified by the accident of death. Democracy tells us not to neglect a good man’s opinion, even if he is our groom; tradition asks us not to neglect a good man’s opinion, even if he is our father. I, at any rate, cannot separate the two ideas of democracy and tradition; it seems evident to me that they are the same idea. We will have the dead at our councils. The ancient Greeks voted by stones; these shall vote by tombstones. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Tradition, das heißt, die obskurste aller Klassen, unsere Vorfahren, abstimmen zu lassen. Sie ist die Demokratie der Toten. Die Tradition weigert sich, sich der kleinen und arroganten Oligarchie derer zu unterwerfen, die gerade zufällig auf Erden herumlaufen. Alle Demokraten wenden sich dagegen, daß Menschen durch den Zufall der Geburt disqualifiziert werden; die Tradition wendet sich dagegen, daß sie durch den Zufall des Todes disqualifiziert werden. Demokratie heißt uns, die Meinung eines guten Menschen nicht zu ignorieren, auch wenn er unser Pferdeknecht ist; die Tradition verlangt von uns, daß wir die Meinung eines guten Mannes nicht ignorieren dürfen, selbst wenn er unser Vater ist. Ich jedenfalls kann die beiden Ideen von Demokratie und Tradition nicht trennen; es scheint mir offensichtlich, daß es dieselbe Idee ist. Die Toten werden an unseren Beratungen teilnehmen. Die alten Griechen haben mit Steinen abgestimmt; diese werden mit Grabsteinen abstimmen. (Kap. IV, Die Ethik von Elfland)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 16

In short, the democratic faith is this: that the most terribly important things must be left to ordinary men themselves—the mating of the sexes, the rearing of the young, the laws of the state. This is democracy; and in this I have always believed.

But there is one thing that I have never from my youth up been able to understand. I have never been able to understand where people got the idea that democracy was in some way opposed to tradition. It is obvious that tradition is only democracy extended through time. It is trusting to a consensus of common human voices rather than to some isolated or arbitrary record. The man who quotes some German historian against the tradition of the Catholic Church, for instance, is strictly appealing to aristocracy. He is appealing to the superiority of one expert against the awful authority of a mob. It is quite easy to see why a legend is treated, and ought to be treated, more respectfully than a book of history. The legend is generally made by the majority of people in the village, who are sane. The book is generally written by the one man in the village who is mad. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Kurz gesagt, besteht der Glaube an die Demokratie darin, dass die allerwichtigsten Dinge den einfachen Menschen selbst überlassen werden müssen – die Paarung der Geschlechter, die Erziehung der Jugend, die Gesetze des Staates. Das ist Demokratie, und daran habe ich immer geglaubt.

Aber es gibt eine Sache, die ich von Jugend an niemals verstehen konnte. Ich konnte nie verstehen, wie die Leute auf die Idee kamen, daß Demokratie in irgendeiner Weise im Gegensatz zu Tradition stehe.
Es ist doch offensichtlich, daß Tradition nichts anderes ist, als Demokratie erstreckt über die Zeit. Sie vertraut auf den Konsens, der aus gewöhnlicher menschlicher Äußerung entsteht, und nicht darauf, was isoliert oder willkürlich festgehalten wurde. Wer beispielsweise einen deutschen Historiker gegen die Tradition der katholischen Kirche zitiert, appelliert streng genommen an das Prinzip der Aristokratie. Er appelliert an die Überlegenheit des einen Experten gegenüber der fürchterlichen Autorität des Mobs.
Daher ist es ganz leicht zu verstehen, warum eine Legende respektvoller behandelt wird, und behandelt werden sollte, als ein Werk der Geschichtsschreibung. Denn die Legende wird im Allgemeinen von der Mehrheit der Menschen im Dorf erfunden, die bei Verstand sind. Das Buch hingegen wird im Allgemeinen von dem einen Mann im Dorf geschrieben, der verrückt ist. (Kap. IV, Die Ethik des Feenreichs)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 15

Free thought has exhausted its own freedom. It is weary of its own success. If any eager freethinker now hails philosophic freedom as the dawn, he is only like the man in Mark Twain who came out wrapped in blankets to see the sun rise and was just in time to see it set. If any frightened curate still says that it will be awful if the darkness of free thought should spread, we can only answer him in the high and powerful words of Mr. Belloc, „Do not, I beseech you, be troubled about the increase of forces already in dissolution. You have mistaken the hour of the night: it is already morning.“ We have no more questions left to ask. We have looked for questions in the darkest corners and on the wildest peaks. We have found all the questions that can be found. It is time we gave up looking for questions and began looking for answers. (Ch. III, The Suicide of Thought)

Das freie Denken hat seine eigene Freiheit erschöpft. Es ist seines eigenen Erfolgs überdrüssig. Wenn ein eifriger Freidenker jetzt die philosophische Freiheit als die Morgendämmerung begrüßt, ist er nichts anderes als der Mann, den Mark Twain schildert, der in Decken gehüllt hinausgeht, um den Sonnenaufgang zu sehen, und gerade noch rechtzeitig kommt, um die Sonne untergehen zu sehen. Wenn ein verängstigter Pfarrer immer noch sagt, es wäre schrecklich, wenn sich die Dunkelheit des freien Denkens ausbreiten sollte, können wir ihm nur mit den hochgestimmten und kraftvollen Worten von Mr.Belloc antworten: „Ich bitte Sie inständig, seien Sie doch nicht beunruhigt über das Anwachsen von Mächten, die sich bereits auflösen. Sie irren über die Stunde der Nacht: Es ist bereits Morgen.“
Wir haben keine Fragen mehr zu stellen. Wir haben in den dunkelsten Ecken und auf den verwegensten Gipfeln nach Fragen gesucht. Wir haben alle Fragen gefunden, die man finden kann.
Es ist an der Zeit, daß wir aufhören, nach Fragen zu suchen und damit anfangen, nach Antworten zu suchen. (Kap. III, Der Selbstmord des Denkens)