Zurüruck zum Inhalt

Musik und Gottesdienst. Gedanken zur Situation der Kirchenmusik in der katholischen Pfarrgemeinde „Herz Jesu“ in Weimar Teil 2

So, nachdem jetzt jedenfalls alle „Früh“-Messen beendet sind zum Weiterdenken und -freuen hier wie versprochen Teil 2 des Beitrags von Amei Mende:

Musik und Gottesdienst: ein künstlerisch-pastorales Spannungsfeld

Das Vaticanum II brachte für die Kirchenmusik drei entscheidende Paradigmenwechsel, die insgesamt von viel grundsätzlicherer Art sind, als alle kirchenmusikalischen Vorschriften der Kirche bisher. Ein erster Paradigmenwechsel betrifft die Stellung und Funktion der Musik in der Liturgie, ein zweiter die künstlerische Seite der Musik und der dritte bezieht sich auf ihre liturgisch-pastorale Bedeutung. Die drei neuen Devisen zur Musik in der Liturgie:

1. Kirchenmusik ist integrierender Bestandteil,

2. Es gibt keine stilistischen Einschränkungen und

3. Die Gemeinde hat eine aktive Funktion

veränderten in der Folge unsere Gottesdienste radikal.

Es erübrigt sich, die vielschichtigen Diskussionen und Erfahrungen dieses Umbruchs aufzulisten, der neben konstruktivem liturgisch-musikalischem Aggiornamento auch kompositorische Euphorie, kulturkämpferische Dramatik und dilettantischen Liturgie-Hedonismus mit sich brachte. Wichtiger ist es, sich der wiederentdeckten und der neuen theologischen Dimension der Kirchenmusik bewusst zu werden, welche durch das Vaticanum II möglich wurde. Der Grazer Liturgiewissenschaftler Peter Ebenbauer fasste sie in sechs Punkten zusammen:

1. Durch Musik wird Liturgie zum Fest des Glaubens, zum Erfahrungsraum des Heiligen.

2. Durch Musik wird die Einmütigkeit einer gottesdienstlichen Gemeinde gefördert.

3. Durch Musik – singend und hörend – wird die christliche Botschaft vertiefter verstanden.

4. Durch Musik im liturgischen Rollenspiel wird die Struktur einer Gemeinde lebendig.

5. Durch Musik wird das Heilsgeschehen im Kirchenjahr sichtbar.

6. Durch Musik wird in der Liturgie das himmlische Jerusalem erlebbar.

Es versteht sich, dass mit diesem kirchenmusikalischen Paradigmenwechsel auch das Amt des Kirchenmusikers, der Kirchenmusikerin eine neue Dimension erhielt, inhaltlich und praktisch:

War bis zum Motu proprio Pius X. die eigentliche Kirchenmusik eine klerikale Beauftragung und weltliche Musiker „nur“ als Handwerker: als Chorleiter, Sänger oder Organisten tätig, ist nun seit dem Vaticanum II auch der Beruf des Kirchenmusikers und der Kirchenmusikerin emanzipiert und sozusagen integrierter Bestandteil des liturgischen Arbeitsfeldes. Der kirchliche Dienst als Kirchenmusiker/Kirchenmusikerin nach dem Vaticanum II beinhaltet also grundsätzlich mehr als musikalisch-handwerkliche Qualifikation, er beinhaltet Berufung zur Liturgie, d.h. die große Erwartung des Glaubens im Verein mit allen anderen Ausdrucksweisen des Gottesdienstes sinnenfällig und wirksam erfahrbar zu machen.

In der Zusammenfassung seines Referates formuliert Alois Koch eine Beschreibung des aktuellen Berufsbildes Kirchenmusik: Ausgehend von Bachs prophetischem Verständnis von Kirchenmusik und von der Berufung zur Kirchenmusik (vgl. 1 Chronik Kapitel 25 und 28. Bach notierte am Rand dieser Textstellen: Dieses Kapitel [25] ist das wahre Fundament aller Gott gefälligen Kirchenmusik. [und Kapitel 28:] Ein herrlicher Beweis, dass neben anderen Anstalten des Gottesdienstes besonders auch die Musica von Gottes Gebot durch David mit angeordnet worden [ist].) stellten wir fest, dass das Amt des Kirchenmusikers, der Kirchenmusikerin seit dem Vaticanum II nicht mehr bloß eine funktionelle Beauftragung, sondern – in ästhetischer, künstlerischer und spiritueller Verantwortung – Dienst an und in der Liturgie beinhaltet. Diese Feststellung hat Konsequenzen: Konsequenzen für die Rekrutierung, für die Ausbildung, sicher aber auch für die Anstellung von kirchenmusikalisch Tätigen.

Quelle: Vortragsreihe der UHL Luzern im WS 1999/2000. Welches Amt wollen wir – Dienste und Aemter der Kirche. 25. 01. 2000 Prof. Dr. Alois Koch. Referat: Musik und Gottesdienst: ein künstlerisch-pastorales Spannungsfeld.

 

Angeregt durch all diese Aussagen, möchte ich einige Vorschläge entwickeln, die einer lebendigen Liturgie dienen können.

Aus dem postulierten Amtsverständnis ergibt sich konsequenterweise ein künstlerisch-pastorales Spannungsfeld, auf dem sich Priester und Kirchenmusiker bewegen, miteinander kommunizieren, regelmäßige Absprachen zu Fragen liturgischer Gestaltung beiderseitig einfordern.

-Die allgemein vor den Gottesdiensten in der Sakristei besprochene Aufgabenverteilung der liturgischen Dienste ist zu wenig.

-Zur künstlerischen Verantwortung im Dienst an der Liturgie gehört die Textausdeutung der Gemeindegesänge hinsichtlich der Harmonisierung und der Wahl der Registerstimmen der Orgel.

-Das Sanctus ist eine unmittelbare Weiterführung der Präfation und soll nicht mit einem Orgelvorspiel eingeleitet werden.

-Während des Empfangs der heiligen Kommunion kann der Organist auch aus dem großen Schatz der Orgelkompositionen auswählen ebenso nach dem Schlusslied. Vielleicht könnte dann doch einmal eine Bach-Fuge in unserer Kirche im Anschluss des Gottesdienstes zu hören sein.

-Auch Melodieinstrumente (Flöte, Violine, Oboe) könnten zum Spiel von Solo- oder Triosonaten mit Orgelbegleitung musizieren. In unserer Gemeinde gibt es eine Reihe musikalisch gebildete Kinder und Jugendliche, die öfter auch instrumental den Gottesdienst mitgestalten sollten. (In den 1990-er Jahren haben wir Kinder- und Jugendgottesdienste musikalisch mit einem reichen Instrumentarium gestaltet – nicht nur zu den Hochfesten.)

-Weitere Förderung sollten die Choralschola und Kinderschola, der Kirchenchor und Jugendchor erhalten. Die liturgische Mitgestaltung durch Gast-Ensembles (z.B. Weimarer Madrigalchor oder ökumenischer Laudate-Chor) oder Solisten dient der Bereicherung unserer Gottesdienste.

-Auf Dauer kann unsere Pfarrgemeinde „Herz Jesu“ auf das Amt eines Kirchenmusikers nicht verzichten. Haben wir nicht alle in den vergangenen zwei Jahren während des Orgelneubaus ganz selbstverständlich gehofft, will sagen damit gerechnet, dass Prof. Kapsner als Titularorganist unserer Pfarrgemeinde berufen wird. Für das seit vielen Jahren geleistete ehrenamtliche Engagement unserer Organisten sind wir dankbar und daran sollte es keine Abstriche geben.

-Die Arbeit eines Liturgiekreises sollte wieder aufgenommen werden.

 

Möge all unser Tun zum Lobe Gottes erfüllt sein von gemeinsamer Freude.

 

Amei Mende

 

Auf Kommentare meinerseits möchte ich zunächst völlig verzichten und bloß: „Herzlichen Dank!“ sagen.

 

Einen Kommentar schreiben

Ihre Email wird NIE veröffentlicht oder weitergegeben. Benötigte Felder sind markiert *
*
*

*