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Sketch des Monats – Das Nikolausgeschenk

Wundersdorf am Vorabend des Nikolaustages. Einige unserer Schwestern und Brüder, hm, eigentlich nur Schwestern!, wollen der Gemeinde Maria-Hilf ein ganz besonderes Geschenk in den Stiefel packen:

 

Das Nikolausgeschenk

Ein Sketch für sechs Personen und ein grinsendes Pickelgesicht

 

(Wundersdorf. Ein rauher Abend Anfang Dezember. Richard kommt nach Hause und schüttelt sich.)

Richard (für sich): Brrrrrr. (Laut) Haaaalloooooo!

(Als niemand antwortet, stellt er seine Tasche ab und will gerade ablegen, als ein magerer, stark von Akne geplagter Jüngling kichernd den Flur entlang kommt und ihm im Vorübergehen nur ein „Hi!“ zuruft, bevor er das Haus verläßt. Entgeistert blickt Richard dem Jüngling nach und dann in die Richtung, aus der er gekommen ist.)

Richard (ruft): Haaaallooooo! Edith! Emily! Teresa! Wo seid ihr?

(Niemand antwortet, aber aus dem Arbeitszimmer glaubt Richard leise Stimmen zu hören. Energisch schreitet er den Flur entlang, öffnet die hinterste Tür – und schließt sie sofort wieder, denn nachdem bis dahin offenbar gespanntes Schweigen im Arbeitszimmer geherrscht hat und alle die Luft angehalten hatten, schlägt ihm nun ein ohrenbetäubendes Kriegsgeheul entgegen.)

Edith: Jaaaaaaaaa!

Eine unbekannte Stimme: Huuuuuuuhu – yippiayeah!

Silke: Unglaublich!

Hanna: Sie sind ja echt Spitze!

(Als das schlimmste Geschrei vorüber ist, steckt Richard vorsichtig den Kopf noch einmal zur Tür herein. Um Ediths Computer herum sitzen Edith, Hanna, Hedwig und eine Richard unbekannte Frau Mitte 40. An der Wand lehnt Silke.)

Edith: Ach, hallo! Ich hab dich gar nicht kommen hören! (Sie lächelt ihn kurz an und wendet ihr Gesicht sofort wieder dem Bildschirm zu.)

Hanna, Hedwig und Silke (durcheinander): Hallo Richard – guten Abend!

Richard (begrüßt reihum die Frauen. Zu der Unbekannten): Guten Abend. Langenfeld.

Die unbekannte Frau: Wojcekowski, hallo! Ein Stündchen oder so brauchen wir noch ungefähr. Dann stör ich nicht länger.

Edith (zu Frau Wojcekowski): Du störst überhaupt nicht.

Richard: Wirklich kein Problem. Was geschieht denn hier?

Edith: Guck doch mal auf den Computer!

Richard (schaut auf den Bildschirm, während Frau Wojcekowski beständig offenbar sehr zielgerichtet in die Tasten klappert): Äh – sieht aus wie – wie das Backend einer Website.

Hanna: Du hast’s erfaßt! (Sie beginnt zu lachen.)

Edith: Wir sind gerade dabei, die menschenleerste Gemeindehomepage südlich des Nordpols ein bißchen aufzubürsten.

Richard (dem etwas zu schwanen scheint): Ihr wollt doch nicht etwa sagen…

Silke: Wir passen die Homepage von Maria hilf! behutsam den Gepflogenheiten unseres Medienzeitalters an.

Richard: Das heißt …? Ihr habt die Gemeinde-Homepage gehackt??!

Alle (kichernd; durcheinander): Naja – wenn man es so sehen will – es ist eigentlich mehr eine Hilfestellung – das etwas exklusivere Geschenk zu Nikolaus …

Frau Wojcekowski: So, erst mal ein schönes Bild von unserem Herrn Pfarrer …

Hanna (spöttisch): … daaaaa! Auf dem Weihnachtsmarkt.

Hedwig (resigniert): Man sieht zwar nicht, daß er Priester ist …

Silke (schwärmerisch): … guckt mal, wie wunderbar der orthodoxe Kollege im Bildhintergrund gekleidet ist!

Edith (seufzt): Die Herren könnten alle so gut aussehen …

Hedwig: Das wollen sie ja gar nicht.

Edith (platzt heraus): Das halt ich ja jetzt für’n Gerücht!

Frau Wojcekowski: Schluß jetzt! Das hier ist das aktuellste Bild und paßt in die Saison, das kommt jetzt rein.

Richard: So langsam schwant mir was! Die Mail mit Absender CCC, die ich neulich gesehen habe, die war gar nicht von „Conrad, Corinna und Companie“, wie Du mir erzählt hast…

Edith: Nö, die war vom Chaos Computer Club!

Hanna: Der Typ, der bis grade hier war, hast du ihn noch gesehen?

Richard: Auf den ersten Blick nicht eben der Super-Sympath …

Silke: Aber echt fit im Kopf!

Hedwig: Und ein wirklich netter Junge – nur ein bisschen schüchtern vielleicht…

Frau Wojcekowski: Er hat uns noch mit ein paar aktuellen Infos versorgt. Dann ging’s aber ganz leicht. Wir brauchten nicht mal Ihre ziemlich fette Grafikkarte für einen „Brute-Force-Angriff“; ging dann auch so, war auch nur ziemlich dilettantisch geschützt.

Richard (dem die üppige Hardware ein bißchen peinlich ist): Naja, Sie wissen ja, die aktuellen Spiele, es gibt ja jetzt wirklich Interessantes…

Frau Wojcekowski (grinsend): Jaja, ich hab‘ gesehen, Sie haben schon „Crusaders Revenge III, Saladins Final Doom“, ist auch wirklich cool!

Richard (räuspert sich): Naja, äh, die Kinder…

Silke: Weiter jetzt, ich muß noch Plätzchen backen! Wie wär’s noch mit unserem Jubilate-Chor beim Papstbesuch!

Hanna (begeistert): Ja! Da gibt’s ein schönes Video bei YouTube!

Edith (grinst): Wo man deinen Papierflieger sieht?

Frau Wojcekowski: Papierflieger? Egal – YouTube ist gut, da setzen wir einen Link oder wir betten es direkt ein – geht beides.

Hedwig: Einbetten.

Frau Wojcekowski: Guuut. (Sie gibt Stichwörter für die Suchmaschine ein. Nach einem Moment). Hier! Du hast echt einen schnellen Rechner, Edith, das muß man dir lassen!

Edith (seufzt): Tja – bei so kritischen Kindern, von Männern ganz zu schweigen…

Hedwig: Tjaja, unsere medienbewußte Jugend …

Edith: Wenn ich an früher denke, da ging alles auch…

Hanna (unterbricht sie): Edith! Nicht schon wieder! Das können wir jetzt nicht ausdiskutieren!

Silke: Klar ging früher alles auch ohne Rechner.

Hanna: Da hatte aber eben auch niemand einen! Das Thema hatten wir doch schon hinreichend oft, oder? Selbstverständlich muß keine Gemeinde von jetzt auf gleich in den Medienwelt des 21. Jahrhunderts ankommen…

Silke: … aber WENN unsere „Gemeindeleitung“ für die Überarbeitung ihres Internetauftritts noch einmal einen Tausender in die Hand nimmt …

Hedwig: … den sie ja wieder anderswo abknapsen muß…

Edith: … zum Beispiel bei unserer planmäßig unterfinanzierten Kirchenmusik …

Silke: … DANN muß die Gemeinde auch was davon haben!

Edith: Wißt ihr, daß sie zur ständigen Pflege ihrer Website einen doppelt so hohen Betrag eingestellt haben, wie er über Jahre für die gesamte Kirchenmusik vorgesehen war?

Hedwig: Zur laufenden Pflege? Ich dachte, das macht Corinna ehrenamtlich?

Edith (zuckt die Schultern): Mhm, dacht’ ich auch und hab mal nachgefragt und da hieß es, das sei nur so vorsichtshalber eingestellt, falls es „der, der es jetzt ehrenamtlich macht, nicht mehr schafft“.

Silke: Tssss! Vorsichtshalber. Falls es mal einer braucht…

Hanna (empört): Unsere Schüler und Studenten an der Orgel brauchten es die ganze Zeit schon ganz gewiß!

Frau Wojcekowski (abwiegelnd): Äh, hört mal, wollen wir nicht mal hier weitermachen?

Edith: Entschuldigung!

Frau Wojcekowski: Nicht böse sein, ist wirklich interessant. Aber heute Abend wollten wir doch die Gemeindehomepage klar machen. Das andere können wir mal die Tage in der Kneipe besprechen.

Silke: Stimmt.

Frau Wojcekowski: So, der Film zum Jubilate-Auftritt ist jetzt eingebettet. (Alle schauen auf den Bildschirm, wo ein YouTube-Video vom 22. September 2011 aus dem Olympiastadion Berlin läuft.)

Hanna: Da – jetzt kommt’s gleich! (Der Film zeigt einen Papierflieger, der Monsignore Gänswein beinahe am Ärmel streift und zuletzt von einem eilends herbeistürzenden Sicherheitsbeamten aufgefangen wird. Alle müssen lachen.)

Edith: Immer wieder schön, die Szene!

Frau Wojcekowski (mit gespielter Strenge): Soso! Ich habe es ja hier mit einem richtig kriminellen Milieu zu tun…

Hedwig (lacht): Total kriminell!

Hanna (schüchtern): Ich hätte nie gedacht, daß er wirklich soo weit fliegt…

Edith: Tja, sieht ganz so aus, als hätte er von Höherer Stelle Geleit gehabt…

Frau Wojcekowski: Was war denn mit dem Flieger?

Hanna (lacht): Ach, da hatten wir bloß drauf geschrieben: „Vater! Schaut nach Euren Schäfchen! Unser Hirte macht ein Schläfchen!“ (Alle lachen)

Frau Wojcekowski: Die armen Sicherheitsbeamten! – Und? Hatte das Ganze auch einen Absender?

Hanna: Klar, auf den Seiten stand „Pfarrgemeinde Maria hilf! Wundersdorf“.

Frau Wojcekowski (zieht die Augenbrauen hoch): Und? Hat unser Hirte schon was gehört?

Hanna (lacht): Keine Ahnung, ob er deswegen schon Streß hatte. Er hat ja auch vorher schon auf seine Vorgesetzten geschimpft.

Frau Wojcekowski: Also, das wäre jetzt drin. Was nehmen wir uns als nächstes vor?

Richard (immer noch völlig überfahren): Darf ich nochmal fragen: Ihr seid da auf einer fremden Homepage und arbeitet drin herum, ja? Ihr wißt, daß das nicht legal ist?

Silke: Pah!

Edith: Das ist ein übergesetzlicher Notstand!

Hedwig: Außerdem hat Ines uns versprochen, daß sie unsere Spuren verwischt.

Frau Wojcekowski (schaut lächelnd auf): Ines bin ich.

Richard (freundlich): Aha, ich hab‘ Sie ja auch schon öfters in der Messe gesehen. Sie sind neu zugezogen, nicht wahr? Wie kommt es denn, daß Sie hier schon zu den Aktivistinnen gehören? Und woher können Sie denn sowas?

Frau Wojcekowski: Informatikstudium bei Zeiss in Jena, das gab Grundlagen, die tragen bis heute, und, naja, nachdem wir hergezogen sind habe ich dann versucht, mich im katholischen Kindergarten zu engagieren …

Edith (schnaubt höhnisch): Und hat vorhersagbare Erfahrungen gemacht!

Frau Wojcekowski (nickt): Und dann bin ich zu diesem Kreis hier gestoßen.

Hedwig: Sozusagen der CCC, Ortsgruppe Wundersdorf.

Silke: Freie Katholiken im freien Internet!

Edith: Weiter jetzt! Wir sitzen hier ja nicht aus Langeweile. Morgen früh muß alles stehen. Jetzt noch viel mehr Bilder vom wirklichen Leben in der Gemeinde; Gemeindefest, Fronleichnamsprozession, Adventsbasar, die Ausstellung im Rathaus mit Moniques Ikonenmalerei-Kurs …

Richard: Ich glaub‘ ich geh jetzt mal. Was ich nicht weiß … Aber ich bring Euch gleich einen Glühwein vorbei!

Edith: Genau! Mach den heiß! (Richard verschwindet lachend aus dem Zimmer.)

 

Ende

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Ja, so geht’s zu in Wundersdorf! Bloß gut, daß unsere Weimarer Homepage so ein Muster an Transparenz und Lebendigkeit ist …

Edit Oktober 2016:

Zum Kirchweihjubiläum, das Herz-Jesu Weimar am letzten Septemberwochenende 2016 gefeiert hat, ist ein neues Layout der Gemeindehomepage mit neuen Inhalten online gegangen. Sehr vieles hat sich dort gegenüber der alten Version verbessert. Die Seite ist geistlicher geworden und unsere Pfarrei macht ihre Zugehörigkeit zur Weltkirche deutlich. Die Gliederung ist übersichtlich und Wesentliches leicht zu finden. Regelmäßige Angebote werden zur langfristigen Planung das ganze Jahr hindurch übersichtlich aufgelistet. Gruppen können sich bei Bedarf in Bild, Text und/oder Ton vorstellen. Der öffentliche Auftritt unserer Pfarrei ist so lebendiger geworden.

Wir löschen „Das Nikolausgeschenk“ (und ähnliche Texte) trotzdem nicht.

Erstens ist der Sketch lustig. Zweitens enthält er wahre und weiterhin gültige Aussagen. Und drittens lehrt uns die Erfahrung der letzten Monate, daß es wichtig ist, die überlebten Zustände vor dem Vergessen zu bewahren: Zu viele reden sich die jüngere Vergangenheit der Pfarrei schon wieder schön oder verdrehen nach wie vor die Fakten. Im Vorfeld der Gremienwahlen ist das nicht witzig. Es ist gefährlich!

Cornelie Becker-Lamers

3 Trackbacks/Pingbacks

  1. […] „Der Hauptgewinn“ (September) ihren Machtanspruch über die Ehrenämter der Gemeinde, „Das Nikolausgeschenk“ (Dezember) ihre Monopolisierung der gemeindeeigenen Medien und „Das Copy-Right“ (Januar) den […]

  2. Pulchra ut Luna › Von der Freiheit eines Christenmenschen… on Mittwoch, 26. Dezember 2012 um 14:13

    […] Immer nach dem Motto: „Freie Katholiken im freien Internet“! […]

  3. […] richtige Richtung das ist! Endlich, endlich kann man von unserer offiziellen Homepage anders als im Satiremodus sprechen, danke! Eine nähere Besprechung, wie angekündigt, holen wir natürlich nach, auch, weil […]

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