Na sowas! Da haben es „unsere Wahlen“ im September doch tatsächlich in die Zeitung (oder wie wir in der Blogoezese gerne sagen: die „Mainstream-Medien“) geschafft.
So titelte die TLZ am Samstag, 30. Juni auf der Landesseite (!): “Bischof suspendiert die Laiengremien, Erst Anfang September wird neu gewählt“
Allerdings hat es die Meldung offenbar nicht ins Online-Angebot geschafft.
Ist vielleicht auch besser so, aber dazu gleich mehr… 😉 Jedenfalls unterbricht PuLa aus diesem Anlaß die Abfolge der Betrachtungen der Rechtsgrundlagen für die bevorstehenden Wahlen, um auf jeden Fall Irritationen vorzubeugen, die aus der Lektüre des Artikels entstehen könnten!
Also, wie heißt es dort gleich zu Beginn? „In fast allen Pfarreien des Bistums Erfurt sind von diesem Wochenende an die Laiengremien suspendiert..“ (Hervorhebung von mir)
Das ist, glaube ich, schon mal falsch. Denn wenn man auf der einschlägigen Bistumsseite nachschaut, sieht man: In der ersten Reformstufe zum 1. Juli 2012 sind Pfarreien aus fünf von sieben Dekanaten betroffen und auch dort scheinen mir jeweils keineswegs alle Pfarreien betroffen zu sein!
Dann folgt die Erläuterung, nämlich die Strukturreform mit der Einführung der Filialgemeinden neuen Typs, die sich ja nun nicht mehr territorial definieren.
Tatsächlich ist es für die Betroffenen mit der Neugründung der Pfarreien am vergangenen 1. Juli zu einer rechtlich gesehen gravierenden Änderung gekommen: Auch wenn man es faktisch nicht so deutlich gemerkt hat (weil die Kirche ja stehengeblieben ist) die natürlich nach wie vor territorial definierte Pfarrei ist etwas ganz Neues, hat neue Grenzen! Und die bisher territorial definierten Filialgemeinden gibt es einfach nicht mehr, sie sind insofern in der neuen Einheit (rechtlich) vollständig aufgegangen. Teilweise wechselt darüber hinaus auch die Zuordnung einer Filialgemeinde (neuen Typs) zu einer anderen Pfarrei.
Und in diesem Zusammenhang hat der Bischof nun per Dekret (nicht einem übrigens, sondern in jedem Einzelfall) die Laiengremien, nein, nicht „suspendiert“, wie es in der Überschrift geschrieben steht.
Er hat sie vielmehr „des Amtes entheben“ müssen, wie das im weiteren Verlauf des Artikels (und sicher im Text des Dekrets) auch steht!
Warum hat er das tun müssen und ist das ein Grund sich aufzuregen?
Denn Aufregung wird natürlich gleich wieder heraufbeschworen: „Der Schritt Erfurts wurde von Betroffenen mit Unverständnis quittiert.“
Na klar, die böse, undemokratische „Amtskirche“; Hindert doch schon wieder liebe engagierte Laien daran, das Gemeindeleben noch schöner zu machen. Pardon, darf ich mal lachen? Wir reden von den Sommerferien! und wer schon einen Pfarrgemeinderat erlebt hat, der in den Sommerferien Bäume ausreißt, darf sich bei mir melden…
Also, es ist schon mal rein faktisch kein Grund vorhanden, sich aufzuregen!
Das Vorgehen des Bischofs ist aber auch nicht etwa „undemokratisch“, sondern das ganze Gegenteil!
Wir hatten ja in letzter Zeit hier schon verschiedentlich Anlaß, uns Gedanken über das Prinzip der Legitimation zu machen. Demokratischer Legitimation wie anderer.
Hier muß man doch nur einmal einen Moment überlegen, woher die „alten“ Gremien ihre Legitimation bezogen haben. Aus der Wahl vor vier Jahren. Diese Wahl geschah in Bezug auf die betroffenen Gemeinden in einem bestimmten Gebiet, dem damaligen Gemeindegebiet. Nur dort hatten die Gläubigen die Gelegenheit, ihre Vertreter zu wählen. Und dieses Gebiet gibt es nun eben nicht mehr. Und damit ist für die „alten“ Gremien die Legitimationsgrundlage natürlich entfallen. Ein sehr demokratischer Prozeß! Denn wenn sie weiter im Amt geblieben wären, hätten ja die „alten“ Gremien in dem „neuen“ Gebiet Entscheidungen gefällt, die Leute betreffen, die nie die Chance gehabt hatten, auf die Zusammensetzung dieses Gremiums Einfluß zu nehmen!
Nun verstehen Sie , warum es da nichts zu „suspendieren“ gab (was ja voraussetzt, die Arbeit könne auch wieder aufgenommen werden), sondern warum da ganz logisch und überaus demokratisch den bisherigen Gremien das „Amt entzogen“ werden mußte?! In der Demokratietheorie werden diese Fragen im übrigen unter dem Punkt „allgemeine“ Wahlen (neben den Punkten freie, gleiche und geheime Wahlen) abgehandelt.
Im übrigen glaube ich, um die Pfarrgemeinderäte ging es bestenfalls in zweiter Linie. Die Hauptsache hier waren die Kirchenvorstände und damit die Vermögensverwaltung! Bezeichnenderweise ist nämlich auf der Bistumsseite auch nur davon die Rede, daß der Pfarrer bis zur Konstituierung des „neuen“ Kirchenvorstands die „Aufgaben des Vermögensverwalters“ wahrnimmt. Hier muß man immer im Hinterkopf behalten, daß in diesen Fragen die staatliche Seite (in unserem Fall also der Freistaat Thüringen) „die Finger mit im Spiel hat“, jedenfalls überall dort, wo es die Konstruktion „Kirchenvorstand als vermögensverwaltendes Gremium“ gibt (was übrigens ursprünglich auf preußischen Einfluß zurückgeht). Und daß der (ausschließlich) demokratisch legitimierte Staat hier auf die Einhaltung der ihn verpflichtenden Legitimationsprinzipien achtet, ist doch klar.
Die Schlußfolgerung ist also: Wer sich über diesen Schritt aufregt, hat weder Demokratie noch Kirche richtig verstanden.
Den demokratischen Aspekt haben wir gerade betrachtet.
Und zur kirchlichen Seite ist nur zu sagen. Die Laiengremien, das darf man nie vergessen, sind kein Selbstzweck! PuLa hält sie für wichtig und ist der Meinung, wenn es sie gibt, muß man es richtig und ordentlich machen! Aber die Grundlegitimation der Kirche, auch in ihrer bescheidenen örtlichen Manifestation in einer Diaspora-Gemeinde, die geht eben über demokratische Prozesse hinaus.
Mehr Bescheidenheit Demut bitte!
Ja, und Weimar? Weimar ist einfach nicht betroffen, weil es bei uns 2012 jedenfalls keine territorialen Veränderungen (mehr) gab und ergo auch keine Veränderung der Legitimationsgrundlagen. Daran ändert sich, nach bisheriger Planung, erst 2020 wieder etwas.
PuLa wird dann wieder berichten! 🙂
8 Kommentare
Tja, da fragt man sich, was die Presse schreiben würde, wenn es einen neuen Diözesanbischof gibt? „Bischof schaßt alle Ratsgremien!“ ? Denn alle Gremien sind an die Person des Ortsordinarius gebunden, gibt es dort einen Wechsel, ist jedes Gremium neu zu konstituieren. Hier war wohl auch wieder das Interesse an einem scandalon größer als an der Wahrheit.
Danke, lieber Kollege, das klingt ja sehr interessant!
Könnten Sie das u.U. noch ein bißchen näher ausführen? Wir erleben ja in Deutschland gerade einen Wechsel im Bischofsamt, den in Regensburg (aus sehr erfreulichem Grunde!).
Nun, das Kirchenrecht kennt vorrangig zwei Diözesangremien, dessen Aufgabe die Beratung des Bischofs sind. Dies ist zum einen der Priesterrat und der Pastoralrat. Beide Gremien haben wie bereits gesagt, beratende Funktion, die Beschlüsse sind für einen Bischof nicht bindend, da er gemäß Kirchenrecht alleine als Nachfolger der Apostel die Diözese regiert. Wegen der Herkunft des Amtes von den Aposteln legt man auch so großen Wert auf die Verfolgung der apostolischen Sukzessionslinien, um die Weitergabe des Amtes soweit möglich von den Aposteln her zu dokumentieren.
Beide Gremien sind aufgehoben, wenn die bischöfliche Sedisvakanz eintritt, für den Priesterrat ist dies im Can. 501 § 2 CIC 1983 geregelt, für den Pastoralrat ist es Can. 513 § 2 CIC 1983 .
Wie absolut im positiven Sinne, nicht im absolutistischen, die Herrschaft des Bischofs ist, läßt sich auch aus einer anderen Vorschrift über die Sedisvakanz ablesen, nämlich in Can. 428 CIC 1983 . Dort ist zu lesen, daß während einer Sedisvakanz keine Entscheidungen zu treffen seien, die den nachfolgenden Bischof in seiner Entscheidungsfreiheit einschränken und festlegen.
Ich meine mich an einen Fall zu erinnern, wo dies aufgrund einer längeren Sedisvakanz problematisch wurde, da mehrere Priesteramtskandidaten, die meines Wissens in Rom studierten, auf ihre Weiheentlaßschreiben warteten, damit sie dort geweiht werden konnten.
Ein Beispiel zu oben genannten Vorschriften führte zu einer Aufregung in unserem südlichen Nachbarn Österreich. Im Bistum Einsenstadt war turnusgemäß beide Gremien neu gewählt worden, doch der Papst hat vor der konstituierenden Sitzung das fällige Rücktrittsgesuch Bischof Iby’s angenommen und Ägidius Johann Zsifkovics als neuen Bischof ernannt. Dieser hat nach seiner Weihe und der Besitzergreifung der Diözese die Termine zur Empörung der Gewählten abgesagt, was völlig korrekt war, denn die Wahlen mußten wiederholt werden, da beide Gremien mit der Sedisvakanz aufgehoben waren, auch wenn das die Gewählten nicht „gespürt“ haben.
Ich hoffe, meine Antwort hilft weiter, sollten noch Fragen sein, so versuche ich sie gerne zu beantworten.
Ächz, hoffentlich ist die Wählerei da bei Euch bald rum und wieder Ruh im Stall … 😉
Ist ja schon recht, lieber Kollege! Am heutigen Dienstag machen wir eine Pause, ok?
Aber es wird schon noch bis September gehen, denn unbeobachtet darf man diesen Vorgang nicht lassen!
Und ob’s dann „Ruh“ gibt?
DAS bleibt abzuwarten… 😉
Die „einschlägige Bistumsseite“ ist, nunja, ähm, es handelt sich dabei um eine Pressemitteilung, die sich naturgemäß nicht mit Details aufhält. Man kommt allerdings mit zwei Klicks zur besseren, wenn auch immer noch nicht alle Fragen beantwortenden Information. Da erkennt man, wieviel sich strukturell und territorial mit dem 1.7.2012 geändert hat. Die pastoralen Auswirkungen sind allerdings deutlich geringer, da vielfach sich an der „Personallage“ nicht viel geändert hat.
Nachtrag: Auch aus dem ausführlicheren Dokument geht leider nicht hervor, wann Pfarreien neu gegründet werden. Das ist nämlich der eigentliche Clou der Strukturreform (sofern ich das richtig verstanden habe): Sie läuft auf eine komplette Auflösung und Neugründung /aller/ Pfarreien hinaus.
Lieber Kollege,
völlig einverstanden mit den beiden Einlassungen! Es gilt zu bedenken, daß ich in diesem Beitrag selber noch nicht einmal so relativ klar gesehen habe, wie dann wenige Tage später (8. Juli, nächster Beitrag)!
Denn es ist genauso: Ein besonderes Interesse an umfassender und rechtlich zuverlässiger Unterrichtung war/ist nicht wirklich erkennbar, leider! Dabei sind die juristischen Auswirkungen doch erheblich (Erlöschen der Gremien!) mit praktischen Auswirkungen: Außer dem Pfarrer kann und darf bis zur Konstituierung der neuen Gremien niemand für die Gemeinden handeln!
Da gibt es erhebliche Unsicherheiten, mal ganz abgesehen davon, daß es nicht alle wahrhaben wollen, daß ihre „Wichtigkeit“ zumindest vorübergehend schlicht zu Ende ist… 🙁
Bloß gut, wenn sich der Pfarrer dann, wie in Weimar, immerhin gleich auf mehrere Sekretärinnen stützen kann.. 😉
3 Trackbacks/Pingbacks
[…] gerne auf den sehr interessanten Kommentar des Kollegen „Marcus, der mit dem c“ hinweisen, der hier zeigt, wie auf der Diözesanebene Gremien (auch solche der Kleriker) in Wegfall geraten, wenn es zur […]
[…] auch bei mir, aber vor allem gibt es derartige, sehr verständliche Leserreaktionen (vgl. hier)! Aber nächste Woche geht’s natürlich weiter; der Gegenstand ist alles andere als […]
[…] Und schließlich: Ich weiß ja, daß ich mit der „Wahlberichterstattung“ einigen außerhalb Weimars ein bißchen auf den Nerv gehe; bitte liebe externe PuLa-Leser, habt ein wenig Geduld! Es ist aber nicht so, daß das Thema nicht auch auf Interesse stieße: Es gibt neue Kommentare zu der Frage der Neugründung der Gemeinden (hier)! […]
Einen Kommentar schreiben