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Alles wie gehabt, oder: Seit 1817 nichts gelernt!

Wahrlich, alles unter dem Himmel hat seine Zeit, auch Bloggen oder Nicht-bloggen 😉 (vgl. Koh 3)

Denn eigentlich dachte ich ja, da man höchst erfreulicherweise von der eigentümlichen Hervorbringung einiger deutscher Politiker unter dem originellen Titel „Ökumene jetzt“ nichts mehr hört (was ganz, ganz sicher dazu führen wird, das sich in wenigen Jahren das Szenario exakt so wiederholen wird…), da dachte ich, das kannst Du auslassen, außerdem gibt es ja auch, neben anderen, einen ganz hervorragenden Blogbeitrag aus dem Bistum Erfurt dazu, nämlich bei „Metal und Christentum“, hier, Zitat (sinngemäß komprimiert): „Theologischer Dünnpfiff auf Grundlage eines unrühmlichen Tricks bei argumentativer Unaufrichtigkeit“ (Übrigens, der Kollege ist frischgebackener Doktor der Theologie 🙂 ).

Aber das war eigentlich auch ein bißchen schade, denn allzu gerne hätte ich doch auf den ebenso gehalt- wie humorvollen und nicht zuletzt sprachlich eleganten Leserbrief von Fra‘ Dr. Georg Lengerke, Leiter des Geistlichen Zentrums der Malteser, hingewiesen, den er am 25. September in einigen Zeitungen, darunter der FAZ, geschrieben hatte. Fra‘ Dr. Lengerke war in einer sehr netten Mail so freundlich, mir einen Link zukommen zu lassen, unter dem der Text dauerhaft zur Verfügung steht, hier.

Er nimmt als Aufhänger den „Unionsaufruf“ des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., in dem dieser das Startsignal zur staatlich diktierten Vereinigung der lutherischen und der reformierten Teile des Protestantismus in seinem Herrschaftsbereich gab, die dann in den Folgejahren vollzogen wurde; ich habe diese sog. „Unierte Kirche“ im Rheinland selbst erlebt.

„Offenbar“, so Fra‘ Dr. Lengerke, „waren dem preußischen König die erheblichen Unterschiede im Abendmahlsverständnis der Lutheraner und der Reformierten nicht besonders wichtig.“ Und auch heute seien es bezeichnenderweise wieder Politiker, die vermeintliche „irrelevante Einzelheiten“ kleinredeten, die der Einheit der Christen bloß noch im Wege stünden. Dabei, so hält er fest, sind wir uns doch auch heute „nicht einig, was wir mit Amen meinen, wenn uns jemand ein Stück Brot reicht und uns sagt, das sei der Leib Christi.“

Der Leserbrief endet mit einem doppelten Paukenschlag, den ich hier nicht zitiere, unbedingt selber lesen!, es ist ein wirkliches Vergnügen (hier nochmal der Link).

Aber, wie es so ist, es gab soviel zu tun und dann schätze ich ja Beiträge, die bloß einen Link enthalten, nicht so sehr, langer Rede kurzer Sinn: Der Hinweis unterblieb.

Und seit gestern weiß ich auch, wozu das gut war! Denn da fand sich doch, wiederum in der FAZ (16. 9.12, S. 6), ein Leserbrief, der auf Fra‘ Dr. Lengerkes Bezug nimmt.

Aber wie!

Dr. Reymar v. Wedel, Rechtsanwalt und ehemals Justitiar des Konsistoriums in Berlin, Buchautor und engagiert in der Praxis des Freikaufs von Häftlingen aus der DDR, schreibt, es träfe keineswegs zu, daß für Fr. Wilhelm III. das unterschiedliche Abendmahlsverständnis von Lutheranern und Reformierten nicht wichtig gewesen sei: „Gerade für die Hohenzollern war die Abendmahlsfrage wichtig, weil sie gemeinsam mit ihren lutherischen Frauen zum Abendmahl gehen wollten […]. Er (sc. Fr.-W. III.) wollte also mit seinem Aufruf gerade die Gemeinsamkeiten in der Abendmahlpraxis erleichtern.“

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leser, aber ich mußte erstmal laut losprusten vor Lachen! Ist das nicht unglaublich? Und es gibt keinen Hinweis, daß Dr. v. Wedel diesen Satz etwa ironisch gemeint haben könnte!

Nein, die „Abendmahlsfrage“ nimmt in dieser Sicht der Dinge schon ernst, wer es gerne mit seiner Frau gemeinsam empfangen will. Meine Güte, ich empfinde noch nachträglich Mitgefühl mit allen protestantischen Theologen, die sich ernsthaft und nach bestem Gewissen bemüht haben, diese zentralen Fragen für sich zu bewältigen. Sind alle nicht so wichtig, eure „theologischen Differenzen“, „denn der gemeinsame Glauben […] ist wichtiger“ (v. Wedel) und vor allem: Der König will nicht allein zum Abendmahl gehen…

Kommt uns diese „Argumentations“-Struktur nicht aus mancherlei heutigen Äußerungen auch von sich katholisch nennender Seite bekannt vor?

Dahin führt die einseitige „Praxisbezogenheit“ (oder vornehmer: die anthropozentrische Theologie, dieser schwarze Schimmel): Im bedingungs- und besinnungslosen Pragmatismus geht unter, was allererst wichtig ist (und was Fra‘ Dr. Lengerke ja gerade zum Thema seiner Ausführungen gemacht hatte!), die Frage nämlich: Was ist denn da wirklich „gemeinsam“ im Glauben?

Ja, noch schärfer: Kann sich eine Haltung überhaupt noch berechtigterweise „Glauben“ nennen, die entscheidende Fragen zum Gehalt der geoffenbarten Wahrheit dem Diktat der Bedürfnisse des Augenblicks unterwirft? Da hilft dann übrigens auch keine noch so exzellente „christlich-hausväterliche Praxis“ und ggf. wäre die Frage nach Protestantismus und Säkularisierung wohl z.B. von hier aus zu stellen (vgl. die Diskussion um M. Mosebachs Äußerungen auf PuLa hier und hier!).

Dr. v. Wedel behauptet: „Auch heute gibt es keine Abendmahlprobleme in der evangelischen Kirche.“, was ich nicht glaube und nicht hoffe, denn es dürfte auch dort und auch heute noch Menschen geben, denen es wirklich um die Sache geht. Aber da kenne ich mich nicht aus und kann also nichts dazu sagen.

Aber: Vor dem Hintergrund solcher Äußerungen eines profilierten Protestanten, waren da nicht die vielgescholtenen Worte des Hl. Vaters in Erfurt, Glaubensfragen seien keine Verhandlungen, das sei ein „politisches Mißverständnis“, nicht eben genau das, was gesagt werden mußte?

So, nach diesen ja nur sehr oberflächlich erheiternden Betrachtungen braucht’s ein „kräftiges Bekenntnislied“ (B.P.)

„Fest soll mein Taufbund immer stehen, ich will die Kirche hören!“

Und in dem folgenden Video aus Niederbayern, das ich nicht ganz ohne Augenzwinkern einstelle, wird, sehr im Gegensatz zur Osternacht im Kölner Dom, die’s ebenfalls auf YouTube gibt, der richtige Text gesungen!

Der Schellenkranz! 🙂

Fest soll mein Taufbund immer stehn, / Ich will die Kirche hören. / Sie soll mich allzeit gläubig sehn / und folgsam ihren Lehren / Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad / In seine Kirche berufen hat;  / nie will ich von ihr weichen.

2 Kommentare

  1. Frischer Wind schrieb:

    Da drängt es mich doch, noch eine kleine Ergänzung beizusteuern:
    http://frischer-wind.blogspot.de/2012/04/dank-sei-dem-herrn-alleluja.html

    Und danke für den Hinweis auf den Leserbrief von Fra‘ Dr. Lengerke!

    Donnerstag, 18. Oktober 2012 um 07:20 | Permalink
  2. Oh ja, Danke!

    Eine sehr schöne Ergänzung, unbedingt alle dem Link folgen!

    Und der Brief
    verdient

    einfach weiteste Verbreitung!

    Donnerstag, 18. Oktober 2012 um 09:24 | Permalink

Ein Trackback/Pingback

  1. Pulchra ut Luna › Im Westen was Neues: X 451 on Montag, 27. November 2017 um 21:10

    […] Kollegen Sebastian Berndt (Dr. theol. S. Berndt, notabene), dessen Blog „Metal und Christentum“ hier auch schon zitiert wurde. Das „X“, Kenner haben es natürlich sofort bemerkt, ist eigentlich […]

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