Es geschieht ja immer wieder, daß unsereinem vorgehalten wird, man hänge sich, gerade in liturgischen Fragen, an „Kleinigkeiten“ auf, man solle doch „nicht so pingelig“ sein, und was dergleichen Redewendungen mehr sind, ja, es ist mir auch schon passiert, daß Menschen ihre komplette Verständnis- ja Fassungslosigkeit zum Ausdruck gebracht haben, wie man nur auf die Frage, ob denn nach dem Vaterunser und vor der Doxologie der Embolismus gebetet wird, überhaupt achten könne.
Ich gestehe, ich bin umgekehrt angesichts dieser Haltung immer ziemlich ratlos, denn mir schien es noch nie begründungsbedürftig, daß es hinsichtlich des Vollzugs der Hl. Messe nichts „Nebensächliches“ geben kann. Wir treffen uns schließlich nicht einmal in der Woche, um eine nette Zeit miteinander zu verbringen, sondern wir feiern Gottes-Dienst. Wo, wenn nicht hier sollte jede Einzelheit zählen? Denn unser Gegenüber sind wir nicht selbst, es ist der Allerhöchste.
Und hinter scheinbaren Kleinigkeiten, hinter weggelassenen Elementen und veränderten Worten, da verbirgt sich in aller Regel etwas und das kann man entschlüsseln. Dafür bedarf es keines Theologiestudiums, ein wenig sprachliche Sensibilität und schlußfolgerndes Denken reichen völlig hin!
So möchte ich versuchen, ein bißchen zu erzählen, wie man in der Messe zuhören kann (ja, ich fürchte muß!) und warum das interessant ist.
Gestern in der Abendmesse gab’s frisches Anschauungsmaterial.
Klar, auch der Embolismus wurde, wie bei diesem Zelebranten üblich, leider wieder mal weggelassen. Nun ist es heute nicht mein Thema, inwiefern das eigentlich zulässig ist (vielleicht kann sich ja ein Kollege aus der Blogoezese dazu äußern?) aber es bleibt schon befremdlich wie manchmal Priester das priesterliche Gebet vermeiden.
Warum nur? Hier, wo das gemeindliche Beten und das priesterliche so wunderbar ineinandergreifen, hier verstehe ich es besonders wenig. Aber leider: Gemeinden gewöhnen sich daran, merken gar nicht mehr, daß ihnen etwas fehlt und das ist sehr, sehr schade!
Aber, wie gesagt, es geht mir heute nicht in erster Linie darum, sondern um zwei kleine, vermeintlich unscheinbare Wortveränderungen.
So hieß es nicht „von dem, was uns schuldig macht“, sondern: „von dem, was uns schuldig spricht“.
Der Unterschied? Erheblich! Durch die Verwendung eines anderen Verbs verändert sich der ganze Charakter der Aussage. Denn wenn da bloß „gesprochen“ wird (statt „gemacht“), dann kann man ja auch wider-„sprechen“, dann verliert, mit anderen Worten, die ganze Aussage ihren objektiven Charakter. Ob wir „wirklich“ schuldig sind, erscheint dann eher als eine noch offene Frage; können wir noch mal drüber „sprechen“, kann ich mich vielleicht selber los-„sprechen“?
Die philosophischen und theologischen Implikationen sind weitreichend und liegen offen zutage, denke ich.
Ich für mich halte fest: Es gibt Handlungen, für die kann ich mich frei entscheiden und wenn ich sie ausgeführt habe sind sie, sofern sie den geoffenbarten Geboten GOttes widersprechen, nicht bloß falsch, sondern auch sündhaft. Sie „machen“ mich in der Tat objektiv schuldig; es lohnt nicht darüber zu reden, ob es denn auch wirklich so ist, denn damit verlöre ich nur Zeit und Kraft mich darum zu kümmern, wie ich Vergebung erlangen kann. So hatte ich eigentlich auch immer die katholische Lehre zu diesem Thema aufgefaßt.
Und weiter hieß es nicht: „der mit Dir lebt und herrscht“, sondern, „der mit Dir lebt und liebt“. Jetzt höre ich förmlich, wie manche tief Luft holen: Da! Da sind sie wieder die hartherzigen, kalten „Tradis“, buchstabengläubig kleben sie am abgelebten Wortlaut und ziehen so ein „pöses“ Wort wie „Herrschaft“ der „Liebe“ vor, diese Unmenschen, und geben es auch noch zu! Da möge doch gleich der „Hl. Karl Rahner“ dazwischen fahren und einen anthropozentrischen Blitz schleudern! 😉
So ist es, natürlich, nicht. Gerade vor dem Hintergrund des gerade gesagten dürfte im Gegenteil klargeworden sein, daß ich mich der göttlichen Liebe bedürftig weiß, ganz gewiß! Dennoch bin ich ganz sicher, das „herrschen“ sollte bleiben, wo es vorgeschriebener Weise ist. Denn es hängt mit der „Liebe“ zusammen! Wie sagt Robert Spaemann: „Der Satz, ‚Gott ist die Liebe‘, verliert seine Pointe, wenn man nicht dazu sagt, daß er der Allmächtige ist“ (weil er der Allmächtige ist, „herrscht“ er nämlich). Das ist doch gerade die unglaubliche Verbindung, die wir als Christen feiern: Allmacht und Liebe. Liebe bis zum Kreuz, zur Selbstentäußerung. Und auf das Kreuz folgt die Auferstehung. Nur, ohne Allmacht keine Auferstehung, und ohne Auferstehung ist „euer Glaube umsonst“ wie der Hl. Apostel Paulus sagt (1 Kor 15, 17).
Daher muß in der Messe, der Vergegenwärtigung dieses Geheimnisses, die Rede sein von beidem, von der Liebe und von der Herrschaft, wenn wir von dem sprechen, von dem wir im Credo bekennen: cuius regni non erit finis, dessen Herrschaft kein Ende haben wird.
Wie wir sehen hat das schon so seine Berechtigung, daß die Texte der Hl. Messe nicht ins Belieben eines jeden Zelebranten gestellt sind…
Und so möchte ich mit dem Gebet schließen, das jetzt in Weimar (und vermutlich in abgewandelter Form im ganzen Bistum Erfurt) in jedem Gotteslob steckt (jedenfalls sollte!), dem Gebet um einen guten neuen Epi-scopus!
Jesus Christus, du Hirt und Haupt deiner Kirche,
du hast verheißen:
„Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“.
Im Vertrauen darauf bitten wir:
schenke unserem Bistum einen guten neuen Bischof,
der uns ein Vorbild ist durch das Zeugnis seines Lebens,
der uns stärkt durch seine Worte,
der uns erhält in der Freude des Heiligen Geistes,
der uns segnet durch seine Gebete und uns einigt
zu einer Kirche, die ausstrahlt.
Erleuchte alle, die den Papst in der Auswahl unseres
neuen Bischofs beraten, und gib dem Erwählten Mut
und Vertrauen. Amen.
V: Heilige Elisabeth A: Bitte für uns!
V: Seliger Märtyrer Otto Neururer A: Bitte für uns!
6 Kommentare
Embolismus?!?!!! – „Sowas“ gibt’s hier grundsätzlich nicht…
Ich stocke jedes Mal, doch rund um mich her wird im gleichen Tempo weitergebetet. Vermutlich würde ein Priester, der den Embolismus nicht weglassen wollte, zunächst einmal ausführlich in der Predigt darauf eingehen müssen und dann laut „STOPP“ rufen – oder so…
Oha! Sie Arme! Nein, hier „stockt“ es doch immer nochmal und es gibt auch Zelebranten, die halten zuverlässig Kurs.
Es gibt überall viel zu tun!
GL
Wäre nicht Rom so kleinlich, siehe
gloria.tv: Lehmann fordert…
dann wäre sicher der „hl. Karl Rahner“ schon in der Allerheiligenlitanei in der deutsch-katholischen Kirchensteuerkirche.
Father Z. von „What does the prayer really say“ hat den einfachen aber prägnanten Slogan: Say the black, do the red!
Die Rubriken des Meßbuchs sind keine Gestaltungsvorschläge sondern haben den Rang von Gesetzen! Z.B. der Embolismus könnte weggelassen werden, wenn im Meßbuch stünde in Rot: „Kann gebetet werden“ oder „Kann entfallen“, ich habe zwar kein Meßbuch zur Hand, aber ich orakele, daß er obligatorisch aber nicht fakultativ ist.
Leider bilden sich viele Priester ein, die Rubriken wären keine Gesetze, und Sacrosanctum Concilium 22 § 3 stünde nur als Höflichkeitsfloskel an die verbohrten Tradi-Bischöfe im Text und wäre durch das höherrangige Recht des Konzilsgeistes ausgestochen.
@ Marcus:
Danke!
Ja, die Amerikaner, sind ja bekannt für ihren Mangel an Innovationsgeist, ein Wunder, daß sie das hingekriegt haben, damals 1776… 😉
Gespenster, äh Geister-Recht? Dafür sind wir hier in Mitteldeutschland viel zu nüchtern, schauen wir uns lieber den Text nochmal an: SC 22 § 3 „Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern.“Tja.
„von dem, was uns schuldig macht / spricht“ … habe ich ja noch nie gehört – wo steht das denn im Ordinarium der ordentlichen Form des römischen Ritus?
@ Andreas:
Hm! Mich darfst Du nicht fragen. Aber hinsichtlich meines Hörens (mehrmals!) bin ich mir sicher.
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