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Eine wunderbare Freundschaft?

Erinnern Sie sich noch an Thies Gundlach? Das ist jener damalige Funktionär des „Kirchenamts Hannover“, der im Jahre 2009 vorübergehend einige Bekanntheit erlangte, weil ein Thesenpapier zum Stand der Ökumene, das er für die 251. Sitzung der EKD-Kirchenkonferenz geschrieben hatte, etliche Unfreundlichkeiten gegenüber dem „katholischen Partner“, enthielt, und das Papier unabsichtlich die Öffentlichkeit erreicht hatte (nach wie vor hier zu lesen).

Dann hörte man wieder einmal von ihm als er, ruppige Töne gegen Katholisches sind in der EKD ja kein Karrierehindernis, man denke nur an den notorischen Arndt Brummer,  in der Zentrale aufstieg, immerhin so kurz nach der Begebenheit mit dem Thesenpapier, daß es überhaupt noch jemandem auffiel. Seine Funktion ist seitdem die eines (von drei) „theologischen Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD und Leiter der Abteilung „Kirchliche Handlungsfelder“.

Nun hat sich, wieder zwei Jahre später, Thies Gundlach erneut und diesmal absichtsvoll an die deutsche Öffentlichkeit gewandt, in einem Beitrag am 30. Oktober in der FAZ-Reihe „Fremde Federn“ mit dem vielversprechenden Titel: „Zweites Vatikanum und Reformation“ (hier online zu finden). Das Ergebnis seiner Betrachtungen, so meint Gundlach am Schluß, lege „ein gemeinsames Feiern des Reformationsjubiläum 2017 nahe als Beginn einer wunderbaren Freundschaft in oecumenicis“.

Ob das eine Einladung ist, die man ernstnehmen kann? Mal sehen!

Zunächst: Ich konnte die Aufregung über das Papier von 2009 schon damals nicht so ganz verstehen und kann es immer noch nicht. Ich habe schon schärfer akzentuierte interne Papiere gelesen. Freilich, Erzbischof Zollitsch, damals ganz frisch zum Vorsitzenden der DBK gewählt, kommt nicht gerade gut weg („umstrittener und daher geschwächter Kandidat“, „eine orientierende und prägende Kraft geht nicht von ihm aus“) und etliche Bewertungen der „römischen Irritationen“ sind nicht gerade nett, aber wer meint denn im Ernst, die (internen) Äußerungen in gewisser Weise ja doch konkurrierender Institutionen mit einer langen Konfliktgeschichte könnten (oder sogar sollten?) immer nur „nett“ sein? Ich meine das nicht und fand schon damals eher das Gefühl der Fremdheit für jedes genuin katholische Empfinden irritierend, das mir aus Gundlachs Text zu sprechen schien. Fremdheit sowohl auf der Ebene grundlegender Empathie, als aber vor allem auch auf der Ebene der korrekten sachlichen Informiertheit.

Schauen wir auf die Frage der Folgen der berühmten „Regensburger Rede“ von Papst Benedikt im Jahr 2006. Was Gundlach hier immerhin drei Jahre später referiert, ist nicht mehr als die veröffentlichte Meinung dazu bot und bietet. Ich glaube aber, die ganz andere Einschätzung, daß es nämlich just diese Rede war, die den intensivsten und inhaltsreichsten katholisch-muslimischen Dialog seit langem in Gang gesetzt hat, konnte man auch bereits 2009 gehört haben, wenn man sich denn bemüht hätte. Ob man sie allerdings von Herrn Gundlachs offiziellen deutsch-katholischen Gesprächspartnern hören könnte, bleibe dahingestellt…

Wie auch immer, der Text des Jahres 2012 ist, wie gesagt, für die Veröffentlichung geschrieben und man darf, gerade nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2009 und angesichts der neuen Position, die Herr Gundlach innehat, wohl annehmen, daß er EKD-intern abgestimmt und insofern über die persönliche Meinung des Autors hinaus interpretierbar ist.

Leider ist er aber im Grunde viel problematischer, als das Papier von 2009. Der Beginn mit der unkritischen (und inhaltlich nicht begründeten) positiven Bezugnahme auf den theologischen Rohrkrepierer „Ökumene jetzt“ läßt ja für den weiteren Fortgang schon nichts Gutes erwarten, aber ich habe dann doch gestaunt, wie viele der häufigsten, ja geradezu alltäglichen Verzerrungen des „ökumenischen Dialogs“ sich in dem kurzen Text wiederfinden lassen.

Das Zweite Vatikanum, so heißt es dort, sei „auch in protestantischer Perspektive ein Meilenstein: Läse man sich ein in, nein, nicht etwa die Texte des Konzils, sondern in den „damaligen Geist des Aufbruchs“ müsse man diesem „wirkmächtigen Aufbruch großen Respekt“ zollen.

Jaja, man kann sich ungefähr vorstellen, welche Sorte Texte Herr Gundlach gelesen hat, daß seine Begeisterung in wenigen Zeilen gleich zweimal derart „aufbricht“ 😉 Schade, von dem Vertreter einer Bewegung, die u.a. mit der Parole „ad fontes!“ (zu den Schrift-Quellen) angetreten ist, hätte man mehr erwarten dürfen, wenn er sich schon um die Angelegenheiten der Nachbarn so intensiv zu kümmern vorgibt.

Doch schon der nächste Satz bestätigt eindeutig, um eine genuine Auseinandersetzung darüber, was das Konzil denn wirklich gesagt hat, geht es nicht, es geht um die Bestätigung des immer schon gefaßten (Vor-)Urteils:

„Leider gewinnt man aber heute den Eindruck, daß sich diese Kirche gar nicht so recht freut über diesen Meilenstein, sondern im Streit um die rechte Auslegung verharrt.“

Die behaupteten oder tatsächlichen Inhalte dieses „Meilensteins“ können Sie im Text selber nachlesen, es wird jedenfalls festgestellt: „Das Konzil und die Reformation haben vieles gemein“ und gegenüber seinem Vorgänger sei „ein großer Fortschritt deutlich“ geworden. Das bei den Beispielen die „Vergegenwärtigung des Evangeliums in der jeweiligen Landessprache“ nicht fehlen darf, hinsichtlich derer es ja nun mittlerweile wirklich die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß dies in der Form, in der es dann geschehen ist niemals Intention des Konzils war, ach ja, wen schert’s, wenn das Ergebnis des ganzen Unternehmens, die Parallelität von Reformation und Konzil von vornherein feststeht?

Und dann folgen kurz aufeinander die beiden Sätze derentwegen ich oben meinte, der ganze Text habe etwas Typisches. Es sind, wieder einmal, Sätze, die einer „Übersetzung“ bedürfen, um sie richtig zu würdigen, aber die Mühe lohnt sich, denn Sie werden die Struktur der Aussagen in vielerlei „ökumenischen Aussagen“ immer wiederfinden können, leider!

Nummer 1: „Der große Aufbruch des Zweiten Vatikanums bezeugte eindrucksvoll die Kraft des lebendigen Evangeliums für eine sich immer wieder erneuernde und reformierende Kirche, die eben keineswegs nur in den Kirchen der Reformation wirksam ist.“

Übersetzt lautet dieser unerträglich gönnerhafte („keineswegs nur“!!) Satz: “Wenn und solange ihr ungefähr macht, was wir machen, dann ist das, was da so bei Euch passiert ja auch ganz ok.“

Nummer 2: „Wenn man die Neuerungen des Konzils grundsätzlich betrachtet, ergeben sich erhebliche inhaltliche Übereinstimmungen zwischen dem katholischen „aggiornamento“ des 20. Jahrhunderts und den reformatorischen Einsichten des 16. Jahrhunderts […]“

Die Grundstruktur dieses Satzes begegnet Ihnen, meist in stark vulgarisierter Form sogar noch viel häufiger, als die des ersten. Er lautet übersetzt: „Es ist schön, daß ihr jetzt mit ca. 450 Jahren Verspätung auch langsam da ankommt, wo wir schon so lange sind, gebt euch nur noch schön ein bißchen Mühe, dann holt ihr uns vielleicht noch ein!“

Vielen Dank auch, das umschreibt ja genau die Ausgangslage für eine „wunderbare Freundschaft“, wie ich sie mir vorstelle. Es sind eben allzu häufig bloße Lippenbekenntnisse, wenn gesagt wird, es gehe ja nicht um die „Nachhol-Ökumene“, die tagtägliche Realität der Aussagen gerade auf den „unteren Ebenen“ des Diskurses sieht ganz anders aus!

Das ist aber noch nicht alles, was man dem Gundlachen Text ablauschen kann. Er wirft auch, wieder einmal, ein Schlaglicht auf ein Problem, das wir auf PuLa schon einmal beleuchtet haben, den „Glauben an die Aufklärung“, wie ich es gerne nenne.

Denn ich könnte für die Haltung gegenüber dem Katholischen, wie sie in den oben analysierten Sätzen zum Ausdruck kommt ja durchaus ein empathisches Verständnis aufbringen, wenn sie durchgängig theologisch/reformatorisch begründet und vorzugsweise auch offen und ehrlich statt in Gestalt eines vergifteten Lobs geäußert würde.

Das könnten wir nämlich auch: „Es ist überaus erfreulich, daß die Bewegung zur größeren Einheit mit der katholischen Kirche (in der, wie das zweite vatikanische Konzil lehrt, die Kirche Jesu Christi subsistiert) mittlerweile in vielen kirchlichen Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangenen sind, zunehmend an Fahrt gewinnt. Es ist dies umso notwendiger, als diese Gemeinschaften leider hartnäckig in den schwerwiegenden Irrtümern ‚verharren‘, die sie schon seit beinahe 500 Jahren zum Nachteil der Christgläubigen verbreiten.“ 🙂

Aber Spaß beiseite, der Fortgang der Gundlachen Argumentation ist eben, wie angedeutet, nicht eigentlich theologisch. Er begibt sich vielmehr, und das ist ganz typisch für die Äußerungen vieler protestantischer (und leider auch einer hinreichenden Anzahl katholischer!) Stimmen auf eine andere, dem Glauben fremde, externe, Ebene. Die von ihm soeben behaupteten „erheblichen inhaltlichen Übereinstimmungen“ seien nämlich: „Kein Wunder, denn spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden neue intellektuelle Rahmenbedingungen für die Rede von Gott und den Glauben an seine Offenbarung in Jesus Christus so dominant, daß sich aus der Mitte des christlichen Glaubens heraus unvermeidlich gewichtige Übereinstimmungen in der Lehre ergeben mußten.“ (Hervorhebungen von mir)

Sehen Sie, wie da etwas, was mit der geistigen Bewegung aus dem Glauben heraus gar nichts zu tun hat, eingeführt wird? Und nicht nur eingeführt, es wird dominant (sic!), es „mußte“ sich etwas ergeben, der Glaube „mußte“ sich anpassen. Wenn ich so etwas lese frage ich mich immer: Was ist für solche Menschen eigentlich der entscheidende, der maßstabsetzende (geistesgeschichtliche) Strang ihres Denkens, ihre, um es ein bißchen postmodern zu sagen, „Master-Erzählung“?

Paulus (auch Luther, insofern!) oder Nietzsche? Wenn man das „dominant“ und das „mußte“ ernst nimmt, beantwortet sich die Frage allerdings leider von selbst. Ist es das, was Gundlach 2009 meinte, wenn er schrieb: „im Selbstverständnis der evangelischen Kirche ist die Lernbereitschaft und Kompromißfähigkeit im Blick auf das relativ Beste stärker ausgeprägt.“ (Hervorhebung von mir)

Ich würde das anders formulieren: Wenn man die Zwänge der je neuesten externen Entwicklung auf dem Markt der Meinungen und Ideen, die sich ja stets auf die „Aufklärung“ zu berufen pflegen, bejaht, sogar feiert!, dann liegt man in Wahrheit in geistigen Fesseln, umso verstörender, weil man sie ja von Fall zu Fall noch gar nicht kennt. „Kirche der Freiheit“??

Dessenungeachtet geben sich die gleichen Menschen, die in Wahrheit die Fesseln des je neuesten Zeitgeistes tragen (keineswegs nur, aber durchaus typisch für Vertreter der EKD), gerne als die „Sieger der Geistesgeschichte“ und treten anderen gegenüber auch so auf, wie wir oben gesehen haben. Das ist ziemlich lächerlich und ziemlich schwer erträglich zugleich.

Und so komme ich immer wieder, gerade auch im wirklich freundschaftlichen ökumenischen Gespräch!, zu dem Ergebnis: Warum lassen wir uns eigentlich nicht einfach ein bißchen mehr in Ruhe? Und zwar gerade an der vielbeschworenen „Basis“! Das letzte, was mich im ökumenischen Gespräch von Ansatz und Niveau überzeugt hat, war nämlich der fortgesetzte Austausch zwischen Erzbischof Gerhard Ludwig Müller und dem ehemaligen bayerischen Landesbischof Friedrich. Also an der Spitze der Debatte und nicht „unten“. Trauen wir dem Hl. Geist nicht zu, daß wir es schon merken werden, wenn er uns wirklich zur Einheit ruft?

Tja, Herr Gundlach, das war jetzt leider nix, mit dem Versuch, mal so richtig freundlich zu schreiben. Ich komm‘ nicht zu ner Party, wenn der Gastgeber mich gönnerhaft für einen zurückgebliebenen Simpel hält. Und übrigens, „Casablanca“ ist ein toller Film, aber vielleicht überlegen Sie ja auch mal, ob sich das Zweckbündnis zweier Ganoven (illegales Glücksspiel, Betrug, sexuelle Nötigung…) wirklich als Modell für das Zusammenleben christlicher Gemeinschaften eignet, deren Gründer ihnen aufgetragen hat: „Estote ergo vos perfecti, sicut et pater vester cælestis perfectus est.“ (Mt 5, 48) Was ein gewisser Luther so übersetzte: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Luther Bibel 1545)

3 Trackbacks/Pingbacks

  1. […] PS: Bei dem Termin am 23. Dezember handelt es sich um einen evangelischen Gottesdienst; hier hat nämlich niemand was gegen (praktische) Ökumene, nur gegen (unterreflektierten) Ökumenismus… […]

  2. […] wir oben gesehen haben. Das ist ziemlich lächerlich und ziemlich schwer erträglich zugleich.“ (hier zu […]

  3. […] Gemeint war Thies Gundlach, theologischer Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes. Mehr zu ihm und seinen bloß vermeintlich ökumenischen Vorstellungen in dem PuLa-Artikel hier. […]

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