Die uns wohlbekannten Schafe auf der Weide vor den Toren von Wundersdorf nutzen die letzten Tage im Freien, um noch ein wenig in Ruhe zu grasen. Etwas abseits von der Herde steht Krutzi mit unbewegter Miene, zittert aber vor Kälte: Schon wieder ist sie zu Beginn des Winters frisch kahlgeschoren. Was ist geschehen?
Der Dämmstoff
Ein Sketch für fünf Schafe und beliebig viele Schafstatisten
Kohle (beim Grasen): Guck‘ euch Kruckchi ang! (Er kaut.)
Flocke (ebenso ): Waf foll mick ihr fein? (Sie schluckt) Entschuldigung: Was soll mit ihr sein?
Kohle: Na, sieh doch mal – sie ist schon wieder frisch kahlgeschoren.
Wolle: Das gibt’s doch gar nicht! Wie kriegt sie das nur immer hin?
Kohle: Laßt uns mal zu ihr gehen.
Blütenweiß (ist aufmerksam geworden). Ihr habt Recht! Laßt sie uns in der Gruppe ein wenig wärmen.
Die Schafe traben auf Krutzi zu, die sich wegdreht. Da die Schafe sie einkreisen, ist das aber keine auf Dauer wirksame Strategie.
Blütenweiß: Liebe Krutzi! Wo ist denn deine ganze Wolle?
Krutzi (unfreundlich): Bei den BLW. (Sie schaut unbeteiligt über alle Schafe hinweg in die Ferne).
Kohle: Die Brandenburgischen Lautsprecherwerke? Was machen die denn mit deinem Fell?
Krutzi (die angesichts des größer werdenden Publikums langsam gesprächig wird): Ihr wißt aber auch gar nichts! Die Lautsprecherwerke brauchen Wolle als Dämmaterial für die Boxen.
Flocke: Das ist ja schön und gut – aber können sie sich damit nicht im Frühjahr eindecken?
Krutzi (von oben herab): Das tun sie selbstverständlich. Ich wollte aber jetzt ein Zeichen der Solidarität mit der Wundersdorfer Gemeinde setzen.
Wolle: Hä?
Krutzi: Ich habe mich gestern außer der Reihe scheren lassen, weil sich am Wundersdorfer Glockenstuhl der erste Rost gezeigt hat. Stand in der Zeitung. Es muß total dramatisch sein! Ich wollte jedenfalls jetzt im Advent etwas spenden, denn sie sagen, sie sparen schon kräftig.
Kohle (mißtrauisch): Wer spart?
Krutzi: Na, die Gemeinde! Also Corinna.
Wolle (noch mißtrauischer): Und woran?
Krutzi: Pfff – am Gemeindeleben, nehme ich mal an. An was anderem kann man ja nicht sparen. Das erfährt man nicht weiter.
Flocke: Eigentümlich genug! Schließlich ist es nicht Corinnas Geld, sondern das aller Gemeindemitglieder.
Krutzi: Wie kann man nur so kleinlich sein?! Mir war wichtig zu spenden, damit der Herr Pfarrer sieht, wem die Kirche wirklich etwas bedeutet!
Wolle (ironisch): Du Gute! Immer selbstlos! Ach ja … so scheidet sich die Spreu vom Weizen …
Kohle (geradeheraus): Das mit der Extraspende, Krutzi, war eine Schnapsidee! Der Glockenstuhl ist aus Gußeisen und das hält noch ein paar Generationen, wenn sich der erste Rost zeigt.
Krutzi (in heller Aufregung): Ein paar Generationen? Aber dann könnte ja gar nicht mehr ich mich kümmern, das wäre ja dann jemand anderes! Nicht auszudenken!!!
FORTSETZUNG FOLGT
Cornelie Becker-Lamers, Weimar
Tja, so geht’s zu rund um Wundersdorf! Bloß gut, daß in Weimar keiner auf die Idee käme, ganz selbstlos auf eigene Faust mit dem Geld anderer Leute zu sparen!
PS: Physikalisch korrekt gesprochen dämpft (Schaf-) Wolle den Schall natürlich und dämmt nicht, aber das wissen ja auch nicht alle Menschen und so darf man von den Wundersdorfer Schafen nicht zuviel verlangen 😉
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[…] hatten wir die Schafe verlassen, als Krutzi gerade erläutert hatte, warum sie schon wieder zu Beginn des Winters kahlgeschoren ist: Sie hatte ihr Fell als Dämmstoff an die BLW – die Brandenburgischen Lautsprecherwerke – […]
[…] Ob Krutzi von den Einnahmen wieder irgendwas refinanzieren […]
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