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Erwartbares und weniger erwartbares

Sorry, für mehr als kommentierte Linkrutschen (Hinweise auf interessante Beiträge anderswo, für Nicht-Netz-Sprecher 😉 ) reichen gerade Zeit und Kraft nicht.

Erwartbar war zunächst die Fortsetzung der Krise um die Bistumspresse (vulgo: “Kirchenzeitungen“). Dazu gibt es einen sehr guten, reflektierten Beitrag beim Kollegen auf Commentarium Catholicum, „Das Elend der Bistumspresse“, hier. Kostprobe?

„Die redaktionelle Linie der mir bekannten Blätter laviert zwischen halbherziger Anpassung an den Zeitgeist und mühsamer Vermeidung allzu offensichtlicher Skandale. […] Ihr Journalismus ist nicht unabhängig, aber auch nicht die Stimme ihrer Herren, der deutschen Bischöfe. Sie sind lau in jeder Hinsicht. Und damit langweilig.“

Nun, PuLa-Leser erinnern sich an das problematische Bild, das unser hiesiger „Tag des Herren“ bei näherem Hinsehen in der Berichterstattung zur Papstpredigt auf dem Erfurter Domplatz im September 2011 abgegeben hat (hier) und wundern sich nicht.

Und auch hinsichtlich des Punkts „Regionalität“, den Kollege Recke wie ich finde sehr zu recht betont: „Die einzige Stärke ist, und dieses Schicksal teilt die Kirchenpresse mit den meisten Tageszeitungen, das Lokale, hier also das Regionale“ gibt es Fragezeichen. So hätte die Berichterstattung über eines der unzweifelhaft herausragenden Ereignisse in unserem kleinen Bistum, das zwanzigjährige Jubiläum der Erfurter Edith-Stein-Schule (an der u.a. die hier wohlbekannte Amei Mende wirkt) deutlich ausführlicher ausfallen können, nein sollen, was in interessierten Kreisen auch allgemein so bemerkt wurde! Eine katholische Schule in Trägerschaft des Bistums, das ist in dieser zuerst (fast) entkatholisierten und dann (fast) entchristlichten Gegend Deutschlands eines der Hoffnungszeichen schlechthin. So läßt sich gewiß der Regionalitätsvorsprung nicht wahren. Wie sich übrigens die Wahrung dieser vermutlich einzigen Chance verbinden läßt mit Plänen zu einem „Magazin, das einer Tageszeitung beigelegt wird, um damit größere Zielgruppen zu erreichen“, erschließt sich mir nicht so ganz. „Chrismon (das bundesweit verteilte Magazin der EKD) auf katholisch“ mit regionalen Einsprengseln?? Da kriecht es mir schon jetzt kalt den Rücken rauf 🙁

Nicht bloß erwartbar, sondern nach den Gesetzen der Mediengesellschaft völlig unausweichlich war die Wiederkehr des schrecklichen Themas „Mißbrauch“. Daß sie jetzt aufgrund einer Initiative der kirchlichen Seite geschieht, die offenkundig die Notbremse ziehen mußte, was, wenn man sich mit einem Selbstdarsteller wie Pfeiffer eingelassen hatte, auch nicht ganz überraschend kommt, ist unter dem Aspekt vergleichsweise nebensächlich, so verheerend die Wirkung auch sein mag. In diesem ganzen Elend gibt es allerdings auch positive Überraschungen, so die nicht so ohne weiteres erwartbare zügige juristische Reaktion der DBK gegen Pfeiffer („Unterlassungserklärung“) und den ein oder anderen Kommentar in den Mainstream-Medien, der einem das Gefühl vermittelt, die zurückliegenden Jahre der Beschäftigung mit dem Thema, mit erschütternden Berichten ebenso wie mit erhellenden Erkenntnissen wären auch dort nicht spurlos vorübergegangen. Und so ist es mir heute eine ehrliche Freude auf einen Kommentar im STERN (!) verlinken zu können, den man gelesen haben sollte (hier, wer ihn noch nicht von kath.net her kennt.) Kostprobe?

„So war womöglich schon die Wahl von Professor Christian Pfeiffer als Kooperationspartner für die deutschen Bistümer keine wirklich kluge. Zwar gehört der Leiter des Hannoveraner Instituts zu den lautesten und in den Medien präsentesten deutschen Kriminologen, aber kaum zu den renommiertesten.“

„Was niemand von uns zulassen würde [sc. Mißachtung elementaren Datenschutzes], kann also auch nicht für Kleriker gefordert werden. Wenn es um Missbrauch geht, speziell sexuellen Missbrauch, dann lauert die Gefahr für Kinder ohnehin nicht zuerst im Beichtstuhl oder in der Sakristei, sondern eher zuhause auf dem Sofa. Das zeigen alle entsprechenden Statistiken. Allzu schnell wird manchmal in der öffentlichen Debatte aus einem gesamtgesellschaftlichen Problem ein kirchliches. Solche Verdrängungen aber führen am Ende nur zu neuen Problemen und neuen Opfern.“

Es stehen noch andere kluge Sätze in diesem Kommentar von Frank Ochmann. Allerdings auch dieser Eingangssatz:

„Wohin beim Stichwort „Missbrauch“ auch jetzt wieder der erste Reflex zielt, ist klar: auf die Verantwortlichen der katholischen Kirche. Und die haben ihn sich selbst zuzuschreiben. Zaudern, zögern, zurückweisen – das war lange die Strategie beim Umgang mit einem Skandal, der nach etlichen anderen Ländern 2007 auch Deutschland erreicht hatte.“

Dieser Satz, er ist nicht falsch, da hilft kein Drumherumreden, bzw. Drumherum-wünschen, sozusagen. Und er gilt überall, auch in den, so sieht es ja zumindest heute aus, weniger betroffenen östlichen Bistümern. Was ich bis vor kurzem nicht wußte, das Bistum Erfurt war als eines der Stichprobenbistümer im Rahmen der Pfeiffer-Studie vorgesehen. Das einzige „östliche“ im Kreis der insgesamt neun (neben Rottenburg-Stuttgart, München, Mainz, Trier, Köln, Osnabrück, Hildesheim und Hamburg). Wie gut also, daß heute erst wieder unser Diözesan-Administrator, Weihbischof Hauke, in einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen (leider nicht online) den Willen zu Aufarbeitung und Ursachenerforschung betont hat (wobei ich freilich nicht „die Deutsche Bischofskonferenz“ als primär handelndes Subjekt sehen würde, sondern jedes einzelne Bistum, aber jetzt bloß keine ekklesiologische Diskussion 😉 ).

Und ich würde unter der Rubrik „Zaudern und Zögern“ gerne noch etwas hinzufügen: Wenn, wofür in meinen Augen einiges spricht, Erfurt auch in der weiteren wissenschaftlichen Erforschung mit einem neuen Partner Beispielsbistum bleibt, soll bitte (!!) keiner und keine meinen, es ginge dann „bloß“ um die „alten Personalakten“! Nein, das wird erneut die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Gesamtkomplex lenken. Mit der gleichen Unausweichlichkeit wie dieses Mal wird, gerade wenn diese Arbeit gut läuft, ein Interesse daran bestehen „doch mal zu schauen, ob wirklich alles so in Butter ist“, denn dieses Interesse erweckt Kirche immer. Immer! Das heißt, es wird z.B. geschaut werden, ob denn aktuell alles so ist, wie es sein sollte, ob alle Vorkehrungen getroffen und alle Vorschriften erlassen wurden und befolgt werden. Hoffentlich findet dann niemand Beispiele des „Zauderns und Zögerns“.

Hl. Gregor von Nyssa, bitte für uns!

Gregor v. Nyssa (Bild: Wikipedia, gemeinfrei)

Ein Kommentar

  1. Frischer Wind schrieb:

    Ausgezeichnete „Presseschau“! Vielen Dank!
    Und über die letzten beiden Sätze sollte jeder Bistumsverantwortliche lange meditieren und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen. Das wäre dann wahrlich ein Segen für die Kirche.

    Samstag, 12. Januar 2013 um 11:50 | Permalink

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