Nur selten gibt es Gelegenheit, von einem Tag zum andern die Denkprozesse sog. „fortschrittlicher Katholiken“ so schön zu beobachten, wie es die außergewöhnliche Nachricht vom 11. Februar ermöglicht hat!
Und damit willkommen zum zweiten Teil der Weimarer Presseschau zu den Kommentaren zum angekündigten Papstrücktritt.
„Bleiben oder geh’n?“ überschrieb der stellvertretende Chefredakteur unseres Regionalblatts seinen Kommentar am 12. Februar (hier) und fuhr fort: „Gott sei Dank besteht die katholische Kirche nicht nur aus Kardinal Meißner und Co. Gott sei Dank gibt es auch überzeugende, weltzugewandte und die Menschen mitnehmende Pfarrer vor Ort wie den in meiner Heimatgemeinde in Weimar […]“
Also, ich weiß nicht. Wir schätzen den in Bad Berka (dort wohnt Hartmut Kaczmarek) ansässigen Pfarrvikar unserer gemeinsamen Gemeinde Herz-Jesu-Weimar, Pfr. Riethmüller, ja auch sehr, aber ihn gleich gegen Kardinäle ausspielen? Das scheint doch ein wenig unverhältnismäßig, nicht wahr? Oder war jemand anders gemeint? Aber auf wen sollte die Beschreibung denn passen?
Na, egal, der Beitrag geht dann weiter mit den Dauerbrennern der Pseudo-Konzilsrhetorik „offene Fenster zur Welt“, „Sprung in die Gegenwart oder vor sich hin dämmernde rückwärtsgewandte, weltfremde Amtskirche“, „die Menschen dort abholen, wo sie sind“ (wozu die Schafe schon alles gesagt haben, hier!)…
Sie kennen das. Schön, wenn auch nicht originell dann wieder der Satz: „Ich will die Menschen unterstützen, die in der Kirche für eine grundlegende Erneuerung streiten und heftig diskutieren, die sich dafür auch von erzkonservativen Katholiken, die die Kirche gerne ins Mittelalter zurückkatapultieren wollen, beschimpfen lassen müssen.“ Nun, ich wußte noch gar nicht, daß es Aufgabe einer Tageszeitung, in einem weitgehend entchristlichten Gebiet zumal, ist, für eine bestimmte Richtung in der Kirche zu streiten, aber sei’s drum, das muß die TLZ mit ihren Abonnenten ausmachen.
Was die netten Worte zu den „Erzkonservativen“ angeht: Auf PuLa wird jedenfalls niemand „beschimpft“. Falls wir jemanden beschimpfen wollten, würde man das der Natur des Textes unmittelbar und zweifelsfrei anmerken, mit Verlaub. Vielmehr werden wir beschimpft, wie traditionsverbundene Katholiken allerorten beschimpft werden, und das wissen Sie sehr genau, Herr Kaczmarek. Im übrigen: Sobald ich Argumente statt Klischees lese, fange ich an, darüber nachzudenken, aber ich fürchte, schon beim Mittelalter-Begriff müßte die Debatte anfangen. So unreflektiert, wie er hier (und beinahe überall) gebraucht wird ist er nun schon seit etwas über 500 Jahren falsch, sorry…
Traurig macht der Schlußsatz: „Ich kann verstehen, wenn einer solchen Kirche immer mehr den Rücken kehren.“ Soll so die Unterstützung für die Menschen aussehen? Erst schlechtreden und dann auch noch Verständnis äußern für die, die gehen? Leider paßt das zum empirisch belegbaren Stil in dieser Pfarrei (vgl. hier), aber das macht es nicht besser. Warum sagen Sie nicht, daß niemand, der die Natur der Kirche wirklich verstanden hat, jemals ans „Gehen“ auch nur ernsthaft denken kann? Nicht obwohl, sondern gerade weil er an ihren konkreten Erscheinungsformen leidet. So geht Kirche, das wäre Ermutigung!
Aber das können wir an dieser Stelle nicht vertiefen, denn ich hatte ja die Beobachtung einer aktuellen Entwicklung versprochen, nicht wahr?
Am 12. Februar hieß es: „Ja, mein Idealbild wäre endlich ein Papst aus der dritten Welt, aus Lateinamerika oder Afrika, der den Blick der Kirche weitet.“
Am 13. Februar war von dieser Begeisterung wenig geblieben. Unter der Überschrift: „Ist die Zeit reif?“ heißt es: „[…] ein Papst aus Afrika wäre ein „schönes Zeichen.“ Und es wäre auch ein wichtiges Zeichen für die Weltkirche […]
Soweit, so einverstanden! Aber dann fährt Kaczmarek fort: „Allerdings sollte man sich als jemand, der für Reformen in der Kirche eintritt, nichts vormachen: Ein Afrikaner als Kirchenoberhaupt muss niemand sein, der die Erneuerung vorantreibt. […] ‚Wenn es wirklich einen afrikanischen Papst gibt, dann kann man jeden Gedanken an eine Reform vergessen. [wird ein südafrikanisches Nachrichtenportal zitiert]. Stoff zum Nachdenken. Mir wäre dann ein echter Reformer auf dem Stuhl Petri lieber.“
Oweia! Ich glaube, ich verstehe, warum ich den Beitrag nicht im Netz gefunden habe… Denn mal abgesehen von der Tatsache, daß man das schon seit langem wissen konnte, nein mußte, daß weite Teile der Weltkirche nicht nach der Pfeife angestaubter westlicher „Reform“-Vorstellungen tanzen (auch Herr Drewermann, ja, den gibt’s immer noch! 😉 , hatte es schon gemerkt, hier), jetzt kommt es ungeschminkt raus, was von Liberalität und Weltoffenheit der „Reformer“ übrigbleibt, wenn es auf einmal ernst werden könnte: „Wenn die nicht so sind wie wir sie haben wollen, die Schwarzen, dann doch lieber einen Weißen. Wartet doch lieber noch ein paar Jahrzehnte, ihr werdet euch schon noch entwickeln.“
Hätte ein sog. „Konservativer“ so einen Text geschrieben, das Geschrei wäre groß und die Vorwürfe von Eurozentrismus und Paternalismus würden nicht zu unrecht erhoben werden.
Für PuLa gebe ich jedenfalls zu Protokoll, daß mir, daß uns die Hautfarbe und die Herkunft des nächsten, übernächsten oder überhaupt jedes Papstes wirklich völlig egal sind, denn der Hl. Geist schaut auch nicht darauf. Keine andere Haltung sollte auch nur denkmöglich sein.
Naja, mal sehen, wie Herr Kaczmarek aus der Kiste wieder rauskommt, der Beitrag ist immerhin in über 40.000 Exemplaren gedruckt worden.
Ja, aber was soll ich Ihnen sagen? Wie es der Zufall so will haben wir doch gerade neue Nachrichten aus Wundersdorf reinbekommen. Ob Sie’s glauben oder nicht, da muß was ganz ähnliches passiert sein. Aber lesen Sie selbst:
Der Chronist
Ein Sketch für neun Personen und beliebig viele Statisten
Wundersdorf, im allseits beliebten griechischen Restaurant Bacchos nahe der katholischen Kirche Maria Hilf! Es ist Faschingsdienstag – mardi gras. Während oben im Rondell unsere Freunde sitzen und beim letzten Bier vor Ostern über Liturgie und Kirchenmusik fachsimpeln, haben vor dem Tresen zwei Journalisten Platz genommen.
Der Erste: Endlich! Endlich!!!
Der Zweite (wiegt den Kopf): Ein böses Zwischenspiel – aber zum Glück nicht ein Vierteljahrhundert lang wie bei seinem Vorgänger.
Der Erste: Nee! Macht ganz plötzlich den Weg frei – hoffentlich für einen Reformer!
Der Zweite: Hat ja schon genug verbockt mit den Bischofsbesetzungen der letzten Jahre! Oweia!
Der Erste (trinkt): Du! Aber Deine Interviewpartnerin hier hat sich ja gut aus der Affaire gezogen!
Der Zweite (lacht): Ja! Und zuhause reden sie vom „alten Knacker“!
Der Erste (erstaunt): Was? (Er lacht los.)
Der Zweite: Na! (anerkennend) Die hat doch das Herz am rechten Fleck!
Der Erste: … und weiß, was sie will!
Der Zweite: Genau! Und da kann ihr ein traditionellerer Bischof nur hinderlich sein.
Der Erste: Hinderlich bis (er macht eine rasche Bewegung mit der flachen Hand dicht über dem Tisch.)
Der Zweite (nickt): Finito!
Der Erste: Aber, sag mal: Wer wird’s denn?
Der Zweite: Also, ich schreib morgen, ein Afrikaner wäre ein feine Sache!
Der Erste: Ein Schwarzer?
Der Zweite: Klar! (im Stammtischton) Es muß sich doch jetzt wirklich mal was tun! (Er gorgst sein Glas in großen Schlucken leer und bestellt mit einer großen Geste das nächste.)
Der Erste: Und du meinst, bei einem Afrikaner …
Der Zweite: Klaaar! Oder einem Südamerikaner! Haha! (Er nimmt die Hände nach oben und wackelt mit den Hüften) Da käm doch endlich mal Leben in die Bude! (Er lacht. Der Wirt stellt das nächste Bier hin.)
Der Erste: Ich weiß nicht, ob du da mal nicht …
Der Zweite (fachmännisch): Völlig richtig! Die Frage ist natürlich, ob die Zeit schon reif ist für so einen Schritt … (Er trinkt und wischt sich mit dem Handrücken den Bierschaum von den zusammengepreßten Lippen. In diesem Moment geht Edith an den beiden vorbei und bleibt in der Nähe stehen, um bei der Kellnerin zu bezahlen.)
Der Erste (lacht): Jetzt klingst du wie der hessische FDP-Chef!
Der Zweite (nach einer Schrecksekunde): Wegen Philip Rösler? Naaaaain! Ich meine nicht, daß man keinen Schwarzen sehen will! Um Himmels Willen!
Der Erste: Sondern?
Der Zweite: Den Eurozentrismus natürlich! Die Tatsache, daß die Zahl der Katholiken nur in diesen Ländern – Afrika – Südamerika – wächst, macht doch dem Eurozentrismus der Kirche noch lange nicht den Garaus!
(Sie trinken.)
Der Erste (setzt neu an): Ich meinte aber vorhin eigentlich etwas anderes.
Der Zweite: Wann vorhin?
Der Erste: Hier – wegen der afrikanischen Kardinäle: Ich meinte, ob du dich da mal nicht vertust mit deiner Einschätzung über afrikanische Kirchenmänner!
Der Zweite: Wie jetzt?
Der Erste: Die sind keine Reformer!
Der Zweite: Waaas?
Der Erste: Neenee, ich glaub nicht. Also mit Frauenordination und Homosexualität und Verhütungsmitteln und so – das kannst du vergessen!
Der Zweite (entsetzt): Waaaas? Da sind die aus Afrika und machen denselben Scheiß wie die hier vor 1000 Jahren?
Der Erste: Pscht! Schrei doch nicht so! Ja! Ich glaube, wenn du einen Reformpapst willst, darfst du dir keinen Afrikaner wünschen!
Der Zweite: Ja! Klar! Hab ich doch gesagt! Die Zeit ist noch gar nicht reif dafür! Also ein richtiger Reformer muß es schon sein! Und es gibt ja so viel Rassismus auf der Welt! Das wird schon kein Neger werden! Also – ich meine – schwarz ist ja ok – aber ein schwarzer Traditionalist! Ts! Das hätte uns grade noch gefehlt! (Er trinkt. Edith geht an den beiden vorbei zurück an ihren Tisch.)
Edith (indem sie ihren Mantel anzieht zu Richard, Silke, Hanna und Karl): Sagt mal, wie nennt man eigentlich jemanden, der andere wegen ihres Traditionsbewußtseins benachteiligt? „Chronist“?
ENDE
Cornelie Becker-Lamers, Weimar
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[…] wenn Sie noch da draußen sind: Wer andere Leute in seiner ersten Kontaktaufnahme eines so absurden Vorwurfs wie dem des „Rassismus“ zeiht und zugleich behauptet, er kenne die „ganze Website“, der dann […]
[…] PS: Zum Titel: “Der Chronist” vgl. hier! […]
[…] der TLZ, Gerlinde Sommer (die TLZ hat sich wirklich sehr herausgemacht, wenn man da so an frühere Zeiten denkt… ? […]
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