Wie tun mir die Redakteure der TLZ (Thüringische Landeszeitung, Erscheinungsort Weimar) leid!
Aus Anlaß des angekündigten Papst-Rücktritts haben sie eine wirklich sehr achtbare Ausgabe hingekriegt, gestern, am 12. Februar. Ich habe im überregionalen und im Weimarer Teil zusammen etwa 16 (!) redaktionelle Beiträge gezählt, die, natürlich zum Teil sehr unterschiedliche, Reaktionen aus dem ganzen Land zusammentrugen und wer auch immer schon mal unter Zeitdruck geschrieben hat, wird dieser Leistung seinen Respekt nicht versagen können!
Zwei echte Höhepunkte gab es, auf einen kommen wir gleich zurück, der andere war die Karikatur von „Nel“, schauen Sie hier (und sehen Sie sich auch die vom 13. Februar an, Navigationspfeile!) Idee (Kreuztragen!) Empathie, Ausführung, das ist ein echter Künstler!
Warum tun mir dennoch die Mitarbeiter der TLZ leid?
Wegen zweier Kommentare der beiden leitenden Herren also Chefredakteur und stellvertretender Chefredakteur! Beide sind auf diesem Blog ja keine unbekannten Größen mehr, aber was sie sich da geleistet haben kann wieder mal nicht unwidersprochen bleiben. Dabei tue ich mich immer ein wenig schwer damit, die Ergüsse aus einer Zeitung mit, zumal deutschlandweit gesehen, sagen wir mal „begrenzter“ Reichweite auch noch zu verbreiten, aber hier gilt, das alte PuLa-Motto „Kosmisch glauben, lokal was tun!“ Denn das, was hier vorbereitet wird, willentlich oder unwillentlich, ist gefährlich und es tut not, sich allerorten dagegen zur Wehr zu setzen. Die ganze Dimension des Themas hat Alexander Kissler in bewährter Weise dargelegt, im CICERO, hier, sehr empfohlen!
Beginnen wir heute, hierarchisch korrekt 😉 , mit dem Chefredakteur. Dessen Hervorbringungen findet, schon seit langem, ganz Thüringen mehr als seltsam. Das sagt zwar keiner laut, aus naheliegenden Gründen, aber es ist so. Der gestrige Text (hier) unter der Überschrift: „Revolution tut not!“ (sic!) war aber so bodenlos, daß gestern eine Reihe evangelischer (!) Kollegen auf mich zukam und mir zu verstehen gaben, sie seien mit angeekelt:
„Wir Deutsche waren Papst. Und es ist gut so, dass es endlich vorbei ist. Papst Benedikt […] war seinem Amt nicht gewachsen.“
Oder:
„Die Menschen hier zu Lande in der Diaspora sind eh von diesem Umherziehen dieser geistlichen Herren in diesen mittelalterlichen Umhängen und Kopfbedeckungen irritiert. Rom ermöglicht ein Agieren mit dem Rücken zum Volk selbst am Altar, jenseits der Lebenswelt der Ortskirchen.“
Und schließlich:
„Das alles signalisiert dem aufgeklärten, christlich denkenden Menschen von heute nur eine Einsicht: Bloß weg von Rom […].“
Sie werden mir nachsehen, daß ich eine Punkt für Punkt Auseinandersetzung mit diesen vor-vorgestrigen Eruptionen aus Selbstschutz und aus Gründen der Kraftökonomie vermeiden muß. Es ist schon traurig mit ansehen zu müssen, wie in der Generation, der Hans Hoffmeister angehört, das Gefühl der Panik über den rapiden Verlust der Deutungshoheit in schiere Unflätigkeit umschlägt. Allerdings ist das Gefühl natürlich berechtigt.
Jedenfalls: Wer immer mal meinte, die hier vertretene These, das Unheil der „Los von Rom“ Bestrebungen sei auch hier vor Ort, in diesem Diaspora-Mikrokosmos, zu finden, wäre ein bißchen überspannt, sieht sich jetzt hoffentlich eines besseren belehrt, oder? Das außergewöhnliche Ereignis wirkt offenbar katalytisch und fördert in aller Deutlichkeit zutage, was sonst gern unausgesprochen bleibt.
Nun könnte man das alles ja sogar ein bißchen witzig finden, geht doch den Herrn Chefredakteur als meines Wissens aus der Körperschaft Kirche Ausgetretenen das alles eigentlich gar nichts mehr an. Es ist aber nicht witzig. Und zwar deshalb, weil er (ursprünglich daheim in Ostwestfalen) damit das Bild der mitteldeutschen Diaspora-Kirche bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren droht.
Die Wahrheit ist, daß hier viele, viele Menschen jahrzehntelang genau von der Verbindung mit „Rom“, der Verbindung mit der Weltkirche gelebt haben! Sie haben Kraft geschöpft, aus ihrem Traum, eines Tages wieder unbeschränkt dazugehören zu dürfen. Kraft, die teilweise auch zum sehr handfesten Konflikt mit der gottlosen Staatsmacht und zu tapferer Bewährung geführt hat. Und deswegen haben sie nicht auf ein paar Reingeschmeckte gewartet, die ihnen heute erzählen wollen, das sei ja alles ganz nett gewesen, aber jetzt bekämen sie mal erzählt wo es langzugehen hätte. Und sie haben es einfach nicht verdient, daß im größeren Teil des katholischen Deutschlands ein so verheerend falsches Bild gezeichnet zu werden droht!
Werter Herr Hoffmeister, ich weiß nicht, ob es Ihnen gelingen wird, zu einem Stil zurückzufinden, der es ermöglicht, Sie wieder als ernstzunehmenden Journalisten wahrzunehmen. Ich würde es Ihnen wünschen, aber bis dahin müssen Sie gestatten, daß ich zwar ggf. bereit bin für Ihr Seelenheil zu beten, bei der von Ihnen heraufbeschworenen „Revolution“ aber vorher auf der „anderen Seite der Barrikade“ stehen würde. Aus vollem Herzen. Zur Verteidigung des katholischen Glaubens und der – Freiheit!
So, das war, für heute, die eine Seite der Reaktionen aus Weimar. Hatte ich in der Überschrift nicht auch von „Ultramontanismus“ gesprochen? Fürwahr, denn in der gleichen Ausgabe findet sich im Weimarer Lokalteil ein ganz wunderbares Interview mit dem Präsidenten der Klassik Stiftung Weimar (nach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die zweitgrößte derartige Einrichtung in Deutschland) Hellmut Seemann. Dieser Beitrag findet sich (warum wohl?) leider nicht im Online-Angebot der TLZ, aber die folgenden Zitate retten die Ehre der ganzen Stadt:
„Im Kulturkampf beschimpfte man die Katholiken als „Ultramontane“, das sollte heißen: vaterlandslose Gesellen. In gewisser Weise akzeptiere ich diese Beschimpfung gern. Denn tatsächlich gibt es für den Katholiken eine zusätzliche Perspektive: Wie stellt sich eine Frage aus dem Blickwinkel Roms? Immer wenn es „national“ zugeht, liegt darin die besondere katholische Variante der „Freiheit eines Christen-menschen.“
Oder:
„Seine [sc. Benedikts] Theologie, seine Gottesfurcht und sein Ausharren bei den Schwachen werden vorbildlich bleiben. Vielleicht werden sie nach seinem Rücktritt stärker wirken als während seiner Amtszeit. Irreversibel ist, was er zum Judentum des Jesus von Nazareth gesagt hat. So hat kein Papst vor ihm gesprochen.“
Und schließlich, auf die Frage, wie es sich eigentlich als Katholik in der Diaspora lebe:
„Wenn man es ernst meint, ist es eine Erleichterung, wenn das Katholische nicht zur Konvention gehört.“
Danke, Hellmut Seemann!
Und morgen lesen Sie: Wie sich ein stellvertretender Chefredakteur an zwei Tagen gleich zweimal ins Abseits katapultiert; incl. literarischer Verarbeitung!
Bleiben Sie dran! 🙂
4 Kommentare
Die weiblichen viri probati sind ja wirklich kabarettreif!
o.k. – ich denk drüber nach 😉
Wer den ‚Geist des Konzils‘ als sabberndes, dümmliches Schleimkotzmonster darstellt ist nicht besser! Steffi Engelstädter
Ich bitte um Nennung meines vollen Namens und bin gespannt ob der Kommentar veröffentlicht wird.
Sehr geehrte Frau Engelstädter, (schöner Name!)
aber klar wird er veröffentlicht! Ich mag die Nennung von Klarnamen, auch wenn ich sie leider nicht gewohnt bin.
Ein kleiner Hinweis: Dieser Beitrag war, das steht da!, als humoristisch im Rahmen des gerade zuende gegangenen Karnevals gekennzeichnet.
Allerdings fühle ich mich von einer weitverbreiteten Verwendung des Begriffs „Geist des Konzils“ tatsächlich seit, ja mittlerweile Jahrzehnten, so „angepiekst“ (ich könnte auch sagen verletzt!), daß eine solche Verballhornung (die ich im übrigen wirklich nicht erfunden habe!), dabei herauskam.
Aber vielleicht meinten Sie ja eine solche Verwendung gar nicht? Darüber ließe sich lange reden. Vielleicht versuche ich mal, das Thema der wechselseitigen emotionalen Reaktionen außerhalb des Kommentarbereichs zu behandeln und ich würde mich freuen, wenn Sie bei der Diskussion dabei wären! Kann aber nicht versprechen, daß das schnell geht.
Viele Grüße
GL
Ein Trackback/Pingback
[…] dümmlichen Schleimkotzmonster“ gleichgestellt wird; so geschehen im Februar 2013… (hier, im […]
Einen Kommentar schreiben