Das Mißverständnis
Ein Sketch für einen bärtigen Politiker, ein junges Mufflon und jede Menge Schafe
Wundersdorf, Schafweide. Das Wild-Schaf, hat für die Herde einen Vortragenden organisiert. Eben betritt der Gast die Weide, auf der ihn die Schafe schon in einer großen Traube gespannt erwarten. Da kommen Wolle, Flocke, Kohle und Fixi hinzu.
Wolle: Oh nein, wer ist das denn?
Grauchen (in der letzten Reihe): Weiß nicht, jemand aus Viersen, glaub‘ ich.
Blütenweiß (höflich, aber sehr bestimmt): Neinein! Doch nicht aus Viersen! Er ist aus Berlin!
Grauchen: Echt?
Blütenweiß: Aber ja! Sonst hätte er doch viel mehr Gepäck bei sich.
Grauchen: Ach so? Wo ist denn Viersen?
Krutzi, erstaunlich versteckt mitten in der Menge, dreht sich herum und zischt etwas.
Wolle: Was hat Krutzi gesagt?
Kohle: „Pscht! Das ißt Hirse, ihr Idioten!“
Flocke: Hä?
Kohle (unschuldig): Hab ich verstanden.
Wolle: Wie: „Das“?
Kohle: Na das da, mit dem Bart da vorne.
Wolle: Und? Kriegen wir jetzt einen Vortrag über Ernährung?
Fixi: Ich mag keine Hirse!
Flocke: Du kennst Hirse doch gar nicht!
Fixi: Trotzdem! Aber wenn der das ißt, mag ich es nicht!
Flocke: „Der“ sagt man nicht! Leg‘ mal ein bißchen mehr Respekt an den Tag! Das ist ein sehr angesehener und bekannter Politiker. Wir kommen nur gerade nicht auf den Namen …
Krutzi: Könnt ihr jetzt endlich mal die Klappe halten da hinten?!
Kohle: Krutzi hat Recht, laßt uns zuhören.
Der Vortragende: „Und so sollte er – um der Kirche Willen – Konsequenzen ziehen! Auch ein katholischer Bischof, obwohl vom Papst ernannt, bedarf des Vertrauens der Gläubigen seines Bistums.“
Alle Schafe brummen zustimmend vor sich hin.
Der Vortragende: „Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken ist der Überzeugung, daß hier eine tiefe Vertrauenskrise vorliegt.“
Kohle: Ooooooh! Wahnsinn! Sie äußern sich zur Situation in unserer Gemeinde!
Flocke: Endlich! Endlich sind sie mal aufgewacht!
Grauchen: Quatsch! Er hat doch nicht von Wundersdorf geredet!
Flocke: Klar! Er hat gesagt: „hier“!
Wolle: Es geht ja auch wirklich alle an, wenn in Wundersdorf systematisch die Multiplikatoren verjagt werden und reihenweise Familien wegbleiben – der Weihbischof zieht sich die Zuständigkeit auf den Tisch und bessern tut sich gar nichts! Im Gegenteil!
Kohle: Sag ruhig, er zieht sich die Zuständigkeit auf den Tisch, damit sich nichts ändert!
Flocke: Tiefe Vertrauenskrise! Wie der Vortragende gesagt hat!
Wolle: Also er mag ja im ZdK sein, aber er redet ganz vernünftig!
Flocke: Ich muß auch sagen: So komisch er aussieht …
Fixi: Leg‘ doch mal ein bißchen mehr Respekt an den Tag!
Der Vortragende: „Und daher glauben wir, daß im Bistum Limburg dringend auch personelle Veränderungen anstehen – und zwar an der Spitze.“
Wolle, Flocke und Kohle stehen starr vor Schreck. Kohle faßt sich als erster.
Kohle: Was hat er gesagt?
Flocke (fassungslos): Er hat die ganze Zeit vom Limburger Bischof gesprochen!
Wolle: Was soll das denn? Haben wir nicht genug drängendere Probleme als die teure Innenstadtgestaltung in einer hessischen Kleinstadt?
Während sich die Herde zerstreut und das Wild-Schaf den Gast noch bis zum Gatter begleitet, bleiben Wolle, Flocke und Kohle, Grauchen und Blütenweiß noch ein wenig sinnend beisammen stehen.
Kohle: Sagt mal …
Flocke: Hm?
Kohle: Was macht eigentlich Olaf Scholz wegen der Elbphilharmonie?
Wolle: Oder Grube wegen Stuttgart 21?
Flocke: Oder Wowereit wegen dieses Großflughafens?
Kohle: Irgendwie muß man offenbar die Presse dazu kriegen, zum großen Halali zu blasen und ganz klar Schuldige zu benennen.
Blütenweiß (schüchtern): Wir könnten ja mal ein paar Gespräche führen …
Kohle (grinst): Na, wenn du das schon sagst …
ENDE
Cornelie Becker-Lamers, Weimar
Ja, so reden sie auf der Schafweide! Bloß gut, daß sie sich wahrscheinlich keine Erzbischöfe vorstellen können, die lieber über Amts-„brüder“ reden, als über eigenes Versagen…
Ob sie sich in ihrem Vertrauen auf die ‚Presse‘ führende Mitarbeiter von Regionalzeitungen vorstellen können, die auch lieber über ‚Limburg‘ schreiben, statt die unvoreingenommene Recherche über Kirche vor Ort zuzulassen?
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