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…, qui locutus est per prophetas – Der Dodekapropheton-Adventskalender, Vorabend

…qui locutus est per prophetas, „der gesprochen hat durch die Propheten“, der Heilige Geist nämlich.

So heißt es im sehr zu recht sog. „großen“ Glaubensbekenntnis der Kirche, dem Symbolon Nicäno-Constantinopolitanum und ich freue mich jedesmal, wenn ich es im Rahmen des Rosenkranzes bete, an dieser Stelle ganz besonders.

Diese Freude über die ‚unerhörte‘ Kontinuität von Gottes Heilshandeln, über die schier schwindelerregende historische Tiefe, die die Zugehörigkeit zum Volk Gottes mit sich bringt, sie war eine der Grundlagen dafür, den diesjährigen Adventskalender auf PuLA (immerhin schon den dritten) mit Zitaten aus den prophetischen Schriften des Alten Testaments zu gestalten.
Daß die Wahl dabei auf die sog. „Kleinen Propheten“ fiel, die im „Zwölfprophetenbuch“ (griech. Dodekapropheton) zusammengefaßt sind, das war zunächst dem „Zufall“, daß ein besonders schöner (und eigentlich auch bekannter!) Abschnitt vor kurzem Teil der Leseordnung des zu Ende gehenden Lesejahres C war zu verdanken (welcher das war, wird aber jetzt noch nicht verraten, er kommt erst am Heiligen Abend wieder). Daß zweimal zwölf 24 ist und sich damit die Anzahl der erforderlichen Texte bei einem zweimaligen Durchgang durch das Textkorpus von selbst ergibt, rundete den „Zufall“ sehr schön ab! 🙂

Und warum nenne ich das Vorhaben dann den „Dodekapropheton-Adventskalender“ und nicht den „Zwölfpropheten-Adventskalender“? Ist das wieder der PuLa-übliche Snobismus? Na klar… 😉

Nein, ganz ernstlich, das ist es nicht. Es ist vielmehr lediglich die notwendige Präzision in der Beschreibung dessen, was ich vorhabe. Die beiden Begriffe, ‚Dodekapropheton‘ und ‚Zwölfprophetenbuch‘ drücken nämlich, wenn auch das eine die Übersetzung des anderen ist, heutzutage durchaus etwas Verschiedenes aus!

Das stellte sich schnell heraus, als ich begann, mich mit diesen zwölf Schriften zu beschäftigen. ‚Dodekapropheton‘ dient heute als die korrekte Bezeichnung für das Textkorpus in der Fassung des griechischen Alten Testaments, der Septuaginta. In ihr sind die Schriften, neben anderen vorwiegend übersetzungsbedingten Unterschieden, in einer anderen Reihfolge angeordnet, als in der hebräischen Bibel, deren Reihenfolge aber aufgrund ihrer angenommenen Ursprünglichkeit für die heutigen volkssprachlichen Bibeln maßgebend wurde.

Mich überzeugt aber die „griechische“ Reihenfolge mit ihrer Gliederung in einem „dreigliedrigen eschatologischen Schema“ (Gericht gegen Israel, Gericht gegen die Völker, Heil für Israel, nach J. Chr. Gertz) und der sich daraus ergebenden Abfolge der Schriften: Hosea, Amos, Micha, Joel/ Obadja, Jona, Nahum/ Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi durchaus nicht weniger als das literarhistorische Argument der „primären“ (was immer das genau heißt) zeitlichen Abfolge.

Wir berühren damit einen neuralgischen Punkt unseres Umgangs mit der Hl. Schrift überhaupt. Wie wir sie lesen, das ist nun schon seit langem stark bestimmt von der literarisch-kritischen Sicht, die insbesondere seit dem Ende des 19. Jahrhunderts begann sich durchzusetzen. Ich finde (und gewiß nicht ich allein), das hat heute zu einem Zustand geführt, der uns das Warum wir sie lesen, zu verstellen droht. Der außerdem auch droht, die jahrhundertelange Beschäftigung mit diesen Texten im Rahmen des Lebens der Kirche nachträglich abzuwerten, was einem ebenso gefährlichen wie weitverbreiteten Irrtum Vorschub leistet: Die entscheidenden Fragen hinsichtlich der Interpretation der Bibel werden nicht literarisch-kritisch erarbeitet oder gar beantwortet, sondern durch den Glauben und das Beten des lebendigen Subjekts Kirche. Und schon weil dieses bekanntlich aus den Glaubenden und Betenden aller Zeiten besteht, verbietet sich die pauschale Abwertung (bloß scheinbar) vergangener Glaubenspraxis und ergo auch ihrer schriftlichen Grundlagen als „sekundär“, „überholt“ und was der einschlägigen subtil pejorativen Begriffe aus dem Wissenschaftsbetrieb mehr sind, eigentlich ganz von selbst!

Um nicht mißverstanden zu werden, es kann selbstverständlich kein Zurück hinter die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bibellektüre geben. Das ist weder möglich noch erforderlich. Aber es ist nach, sehr unscharf gesprochen, ca. 150 Jahren der Erfahrung mit diesem Ansatz und auch mit allen Auswüchsen wissenschaftlicher Moden, die wir in diesem Zeitraum haben erdulden und korrigieren müssen, hohe Zeit, den Blick auf das Wesentliche zu fokussieren. Nebenbei bemerkt ist dies auch genau die Stoßrichtung der römischen Instruktion Liturgiam authenticam aus dem Jahr 2001, wenn sie in Nr. 41 schreibt: „Man soll sich darum bemühen, daß die Übersetzungen demjenigen Verständnis biblischer Schriftstellen angeglichen werden, welches durch den liturgischen Gebrauch und durch die Tradition der Kirchenväter überliefert ist.“

Genau, entscheidend kann nicht irgendein je „neuester Stand der Wissenschaft“ sein, den als immer vorläufig und prekär zu erleben schon ein halbes Menschenleben mehr als hinreichend ist, sondern bloß die Gewähr, die uns nur die lebendige Tradition der Kirche geben kann. (Nur so am Rande: Insofern ist es gar nicht die Frage, ob der Ausstieg der EKD aus dem Projekt der Überarbeitung der Einheitsübersetzung, den Liturgiam authenticam ausgelöst hat, zu „bedauern“ ist, oder nicht. Er war einfach zwangsläufig. Und insofern auch richtig. Ich bin der EKD für diesen klärenden Schritt sehr dankbar und finde es allenfalls bedauerlich, daß er von dieser Seite erfolgen mußte…)

Mir scheint es daher als einfachem Gläubigen mehr denn je angebracht, selbstbewußt und fröhlich das Wesentliche in den Blick zu nehmen, wenn wir im Advent in die Bibel schauen. Und dieses Wesentliche ist die Geschichte des Heils in der Geburt unseres Erlösers Jesus Christus. Und wie der Hl. Geist davon durch die Propheten gesprochen hat, zum Beispiel.

So lehrt das 21. Ökumenische Konzil (alias zweites Vatikanum 😉 ) in der Offenbarungskonstitution Dei Verbum in Nr. 14 ausdrücklich: „Die Geschichte des Heiles liegt, von heiligen Verfassern vorausverkündet, berichtet und gedeutet, als wahres Wort Gottes vor in den Büchern des Alten Bundes; darum behalten diese von Gott eingegebenen Schriften ihren unvergänglichen Wert: ‚Alles nämlich, was geschrieben steht, ist zu unserer Unterweisung geschrieben, damit wir durch die Geduld und den Trost der Schriften Hoffnung haben‘ (Röm 15,4).“

Und in Nr. 15 heißt es: „Gottes Geschichtsplan im Alten Bund zielte vor allem darauf, das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und das Kommen des messianischen Reiches vorzubereiten, prophetisch anzukündigen (vgl. Lk 24,44; Joh 5,39; 1 Petr 1,10) und in verschiedenen Vorbildern anzuzeigen (vgl. 1 Kor 10,11).“

Dabei darf ruhig daran erinnert werden, daß gerade an der Erarbeitung dieser Konstitution ein junger Konzilsperitus namens Joseph Ratzinger einigen Anteil hatte…

Und leider muß gesagt werden, daß, wenn man heute ganz vorsichtig beginnt, sich mit z.B. dem Zwölfprophetenbuch zu beschäftigen, dieser Aspekt in der wissenschaftlichen Beschäftigung gänzlich unterzugehen scheint. Da ist die Rede von der „literarkritische[n] Abgrenzung der Joel-Sach 14-Schicht“, von Textkorpora überhaupt und Redaktionsprozessen, vom D-Korpus, dem Zwei- und dem Vierprophetenbuch und dergleichen mehr.

Das ist das, was man ohne weiteres findet, verbunden mit der Bemerkung: „Jede der Schriften des Zwölfprophetenbuchs hat eine intensive Auslegung erfahren.“ (A. Schart) – von der aber im weiteren geschwiegen wird! Theologische Bemerkungen beschränken sich nahezu ausschließlich auf Beobachtungen, die dem AT inhärent bleiben, obwohl, das immerhin wird erwähnt, das Dodekapropheton im Neuen Testament immerhin 33mal zitiert wird.

Ich sage es noch einmal ganz ausdrücklich: Ich halte diese Form der Bibelwissenschaft für sinn- und wertvoll und ich habe keinen Zweifel daran, daß man all diese Erkenntnisse auch in einem Sinne für die Verkündigung nutzen könnte, der die Kriterien, die das Vatikanum II aufgestellt hat, erfüllt, und der den einfachen Gläubigen zugänglich ist.
Ich glaube das allerdings vorwiegend, weil Papst Benedikt diese Möglichkeit in seiner Jesus-Trilogie praktisch demonstriert hat (natürlich mit Schwerpunkt im NT), und nicht, leider nicht, weil ich sie in Bezug auf das Dodekapropheton (oder andernorts) häufig durchgeführt gefunden hätte…

Wie hat ausgerechnet der große Wissenschaftler J. Ratzinger die Sache in für ihn ganz charakteristischer Verkürzung auf den Punkt gebracht? „Wissen allein macht traurig.“

Aber davon müssen wir uns nicht den Spaß verderben lassen, den Spaß, Bibel sozusagen gegen den jüngsten wissenschaftlichen Strich und gerade deshalb ganz ‚richtig‘ zu lesen, zu staunen, ‚kindlich‘ aber nicht naiv, und uns zu freuen über die ‚Gute Botschaft‘, ganz so, wie es uns gerade erst der jetzige Hl. Vater nahegelegt hat.

Ich hoffe, Sie werden sich mit mir weder den Spaß noch vor allem die Freude verderben lassen an den Texten, in denen es um unser Heil geht, um den, auf den wir jetzt warten, zusammen mit der ganzen Kirche, der Kirche aller Zeiten!

Morgen geht’s los!

2 Kommentare

  1. Frischer Wind schrieb:

    Eine schöne Idee!
    Bin gespannt, auf was alles die Türchen des Dodekapropheton-Adventkalenders den Blick freigeben werden. Ein seltenes und spannendes Vergnügen. Herzlichen Dank dafür!

    Sonntag, 1. Dezember 2013 um 15:09 | Permalink
  2. O, danke!
    Aber da ja alles, was kommt, nicht auf meinem Mist gewachsen ist… 🙂

    G (L)

    Sonntag, 1. Dezember 2013 um 23:10 | Permalink

3 Trackbacks/Pingbacks

  1. […] hat ja eine starke, ich möchte sagen, „Zuneigung“ zu den Propheten (vgl. hier) und wenn auch das schwierige und dunkle Buch Kohelet (aka Prediger Salomonis, Ecclesiastes) mit […]

  2. […] Jahres anlehnten: ‘Chesterton‘ 2011, ‚Zwei katholische Bücher‘ 2012 und das ‚Dodekapropheton‘ (Zwölfprophetentbuch) im vergangenen […]

  3. […] es in der Nummer 10 gehen? Schon seit dem Adventskalender zu den sog. “Kleinen Propheten” im Jahr 2013 war klar, daß auch der “große”, der weihnachtliche Prophet schlechthin, Jesaja, einmal […]

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