Oder, um genau zu sein: Guinness und der Bischofsstuhl von Erfurt.
Heute morgen mag so mancher (katholische) Leser der Thüringischen Landeszeitung, die ja in Weimar erscheint, ein wenig überrascht ins Blatt geschaut haben, denn da fanden sich im „Landesspiegel“ (leider nicht online) Äußerungen von Diözesanadministrator Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, die bei oberflächlicher Lektüre den Schluß hätten nahelegen können, er wisse hinsichtlich einer Neubesetzung des Erfurter Bischofssitzes schon mehr als andere und diese Neubesetzung stünde zwar nicht unmittelbar bevor, könne aber doch noch in der ersten Jahreshälfte geschehen.
Dazu paßten andererseits Ausführungen so gar nicht, die darauf hinwiesen, es gebe, was die Besetzung von Bistümern angehe, in Deutschland sicher noch wichtigere Probleme als das (relativ) kleine Erfurt.
Als Quelle gab die TLZ die Deutsche Presse Agentur (dpa) an, aber bei näherem Hinsehen ist die Quelle offenbar ein Radiointerview, das der MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) mit Weihbischof Dr. Hauke geführt hat. Dieses kurze (1.45 Min.) Interview (oder einen Ausschnitt daraus?) können Sie zum Glück selbst nachhören, hier.
Und wenn man es hört, dann schwindet der Eindruck, da könne irgend etwas Entscheidendes unmittelbar bevorstehen, schnell dahin. Alles was Weihbischof Dr. Hauke dahingehend sagt ist nämlich, daß er nicht mehr „so die dicke Hoffnung“ hat, daß „wir das vor Ostern hinkriegen“, d.h. also entweder ein neuer Bischof vom bischöflichen Stuhl bereits Besitz ergriffen haben könnte, oder auch nur, daß der Name vorher bekannt wird.
Das klingt, zusammen mit seinen weiteren Äußerungen, für mich sogar nicht einmal mehr so, als gebe es da ein interessantes Insiderwissen, wenn man auch vor Überraschungen (positiven in dem Fall!) natürlich nicht sicher sein kann. Dabei kann man auf jeden Fall den Hinweis auf das Osterdatum getrost vergessen. Das hatten wir als Ergebnis einer sehr verständlichen Erwartung im Kirchenvolk auch schon vor dem Weihnachtsfest – mit neuen Fakten hat das nichts zu tun.
Naheliegenderweise ist für diese Erwartungen der Blick ins östliche Nachbarbistum Dresden-Meißen, das ja deutlich nach Thüringen hineinreicht, die „Folie“, dort wo nun schon seit Mitte März 2013 Bischof Dr. Heiner Koch amtiert (PuLa berichtete, hier) und so natürlich auch in Thüringen wirkt, z.B. durch Firmungen auch in kleinen, in sehr kleinen! Gemeinden, wie man sehen kann, hier. (Die Kleider! 🙂 )
Was man sowohl medial vermittelt als auch „hinter den Kulissen“ über das Wirken von Bischof Koch hört, ist nach wie vor ausgesprochen positiv. PuLa fragt sich übrigens, ob angesichts dessen denjenigen, die nach dem Rücktritt von Bischof Wanke für Erfurt nur „Böses“ erwarten konnten, von einem Nachfolger für dessen Berufung Papst Benedikt verantwortlich wäre (vgl. hier), inzwischen nicht doch mal ins Nachdenken gekommen sind…
Vermutlich aber nicht, denn Bischof Koch agiert gekonnt im Umgang mit den Medien, aber er ist kein Bischof nach dem Geschmack derjenigen, die solchen Unfug verzapfen konnten, wie sich z.B. im vorbildlichen Dresdner Umgang mit der Causa Limburg zeigte. Hier wurde nämlich der peinliche Wettbewerb „Deutschland sucht den ärmsten Bischof“ schlicht nicht mitgemacht, vielmehr erklärte die Pressestelle des Bistums, Bischof Koch wohne auf 150 m² und fahre einen (geleasten) Mercedes mit Fahrer und das sei angesichts seiner Verantwortung, seiner Aufgaben und der geographischen Größe des Bistums auch völlig angemessen. Tja, so geht das also auch…
Aber kommen wir zurück zum Bistum Erfurt. Wie stellt sich die Lage, wenn man sie nüchtern betrachtet dar? Da helfen andere Aussagen aus dem oben verlinkten Interview, nämlich die Betrachtung der Gesamtsituation in Deutschland. Weihbischof Dr. Hauke verweist sehr zu recht auf die vakanten Bischofssitze in Freiburg und Passau, und er fügt die vermutlich bald bevorstehende Vakanz in Hamburg hinzu. Dazu kommt aber natürlich auch noch diejenige, die bald in Köln bevorsteht und es kommt hinzu die leidige Causa Limburg, wo zwar der bischöfliche Stuhl eben nicht vakant ist (Bischof Tebartz van Elst ist nicht einmal „suspendiert“, auch wenn das noch so oft falsch zu lesen ist), aber es ist doch ganz klar, daß die Überlegungen zu seiner Zukunft (Bischof Franz-Peter ist keine 55 Jahre alt) Teil des Gesamtszenarios darstellen dürften.
Und das ist m.E. und vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen im Bereich der weltlichen (Personal-) Politik eben das zentrale Stichwort: „Gesamtszenario“. Ich glaube, daß mittlerweile weder der Wechsel im Papstamt, noch der in der Person des Nuntius mehr die entscheidende Rolle für die lange Dauer des Prozesses in Erfurt spielen und auch nicht die kolportierte Verärgerung von Papst Franziskus über Vorgänge im Bistum Passau (vgl. hier), auch wenn die dort zitierte vermeintliche Aussage gut zu ihm passen würde… 😉
Nein, man muß sich, glaube ich ganz simpel vor Augen führen, daß weder Erfurt, noch irgendein anderes deutsches Bistum isoliert betrachtet werden darf! Womit wir es hier zu tun haben ist, wie meine Freunde aus dem Bereich der Ingenieurswissenschaften gerne sagen, eine Optimierungsaufgabe – aber eine recht komplexe, möchte ich hinzufügen! Ich bescheidener Geisteswissenschaftler würde einfach sagen: Da werden jetzt „Päckchen geschnürt“!
Denn jede einzelne Entscheidung aus einem naturgemäß beschränkten Kreis von ministrablen, äh episkopablen 🙂 Kandidaten hat Auswirkungen auf die anderen anstehenden Entscheidungen z.B. einfach durch die simple Tatsache, daß dann ein Kandidat schon mal nicht mehr zur Verfügung steht, aber das ist nur die oberste, simpelste Ebene von ganz vielen, bin ich überzeugt.
Das spricht, ganz grob gesehen, dafür, die Dinge zeitlich gestaffelt anzugehen und zwar in einer Reihenfolge, die sich nach der Bedeutung der Bischofsstühle richtet! Dabei ist „Bedeutung“ natürlich nicht etwa simpel nach der Zahl der Gläubigen zu bemessen, sondern z.B. auch nach dem Alter des Bistums und natürlich nach der Frage, wo gerade „Feuer unter dem Dach“ ist (Limburg…).
Wo unser Heimatbistum Erfurt nach all diesen Kriterien landet, können Sie sich selbst leicht ausrechnen: ziemlich weit „hinten“ in einer solchen zeitlichen Abfolge…
Aber wir haben auch gesehen, daß das keineswegs ehrenrührig ist! Bei uns gibt es eben gerade keine bistumsweiten Skandale oder auch nur Skandälchen (keine bistumsweiten, wohlgemerkt!) und, wie Weihbischof Hauke selber sagt, in Personal- und Disziplinarfragen ist er mittlerweile handlungsfähig!
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf etwas eingehen, was auch noch immer gerne „geraunt“ wird, wenn es um den „nächsten Bischof“ geht, nämlich, daß wir uns ja in Zukunft keinen Weibischof mehr würden leisten können. Nun, diese weitverbreitete Äußerung geschieht regelmäßig ohne jede Begründung, so daß man aufs Spekulieren angewiesen ist, was bei diesem Thema, wir reden hier ganz offenbar von Personalkosten, höchst mißlich ist. Die Einzelheiten sind sehr kompliziert und ich behaupte nicht, die Sache ganz durchdrungen zu haben, aber mir ist überhaupt nicht einsichtig, woher ein „Zwang“ zum Verzicht auf einen Weihbischof kommen sollte. Wie fast überall in der Republik werden auch in Thüringen diese kirchlichen Ämter wohl aus der sog. Staatsleistung nach dem einschlägigen Vertrag von 1994 bezahlt. Diese Leistung ist in den vergangenen Jahren angewachsen, nicht abgeschmolzen! Es scheint also, als sei es schlicht eine innerkirchliche Entscheidung, wofür das durchaus vorhandene Geld auszugeben wäre. Anders ausgedrückt: Wenn wir uns auch in Zukunft einen Weihbischof „leisten“ wollen, dann können wir das auch tun, mit einem neuen Bischof hängt das m.E. in dem Sinne gar nicht zusammen. Sollte ich aber aus irgendeinem Grunde falsch liegen: Da gibt es eine Kommentarfunktion, ich werde jede begründete Zuschrift mit Vergnügen veröffentlichen!
Was aber in diesem Kontext glasklar ist, ist etwas anderes: Es gibt eine ganze Reihe von Bistümern in Deutschland, die verfügen schon jetzt nicht über einen Weihbischof! Manchmal ist es ja wirklich hilfreich, einfach Listen zu betrachten, die hier, z.B. Diese Situation betrifft aktuell die Bistümer Eichstätt, Dresden-Meißen, Görlitz, Passau und Magdeburg. Diese Bistümer sind teils kleiner, teils größer als Erfurt, aber es wird auch schnell klar, daß es hier um Traditionen und nicht bloß um Größe geht, so hat z.B. das größere Köln weniger Weihbischöfe als Münster (fünf!).
Vor allem aber ist mir nicht bekannt, daß aus den oben genannten Bistümern der Stillstand der Seelsorge zu vermelden wäre… Wir sollten das Raunen, das in Wahrheit ein vorweggenommenes Jammern ist, und für das es keinen Grund gibt, ganz schnell beenden, finde ich!
Nein, fürs Jammern gibt es, bei allem verständlichen Wunsch nach Ende der Sedisvakanz, keinerlei Grund! Vielmehr sollten wir in echt „katholischer“ Weite erkennen, daß wir nicht der Nabel der deutschen Bistumswelt sind, hocherhobenen Hauptes zufrieden sein damit, daß wir nicht der besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, wie andere Diözesen und vielleicht sogar einmal den Gedanken zulassen, daß es eine edle Haltung unter Christen sein könnte, seine eigenen Interessen in Solidarität mit anderen ganz bewußt zurückzustellen (um nicht zu sagen, aufzuopfern)…
Ach und das dunkle Ale aus Irland, fragen Sie, wo kommt das ins Spiel? Nun, offenbar könnten wir mit der bisherigen Dauer der Sedisvakanz von jetzt 17 ½ Monaten bald den bisherigen „Rekord“ einstellen, der bei 18 Monaten liegen soll. Und da wird dann halt leider gerne das sog. „Guinness-Buch der Rekorde“ erwähnt; „leider“ sage ich, weil ich finde, das Thema eignet sich nun so überhaupt nicht, um mit „Meiste in einer Minute zerquetschte Getränkedosen“, „Größtes Toast-Mosaik“ oder „Längste Laufstrecke auf heißen Herdplatten“ in einem Atemzug genannt zu werden… (vgl. hier)
Ich schlage dagegen vor, wenn es soweit ist, dann veranstalten wir eine PPP. Nein, keine Public-Private-Partnership, sondern eine PuLa-Pub-Party, um auf den „den Neuen“ anzustoßen; gerne mit Guiness, denn das kann man in Erfurt gut trinken! 😉
Bis dahin aber:
Hl. Bonifatius, erster Bischof des Bistums Erfurt, bitte für uns, daß wir in Demut, Umsicht und Tapferkeit die Zeit des Wartens auf Deinen Nachfolger ertragen und hilf mit Deiner Fürsprache allen, die an seiner Auswahl beteiligt sind!
2 Kommentare
Wo ich gerade mit großem Gewinn in unseren älteren Sketchen und Texten herumstöbere, lese ich, daß der Bischofsstuhl Tianshiu in der zentralchinesischen Provinz Gansu seit 42 Jahren vakant ist. Verzeichnet das Guinessbuch nur die Westrekorde? Na dann prost! 😉
🙂 Ja, ich hatte auch schon den Verdacht, der „Rekord“ könne sich allenfalls auf Nachkriegsdeutschland beschränken, was genau das wäre – beschränkt…
Ein Trackback/Pingback
[…] hätte vor dieser Peinlichkeit bewahrt, ganz zu schweigen, diejenige dieses Blogs (u.a. schon hier, hier und […]
Einen Kommentar schreiben