Ein Beitrag zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel
Wir feiern das Hochfest „Mariä Himmelfahrt“. Wie schön und wie wunderbar „vorkonziliar“ 😉 : Denn wie uns Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti, langjähriger Pressesprecher des Erzbistums Köln, in seinem Lexikon der Bräuche und Feste unterrichtet, feierte man „schon vor dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451 […] in der Ostkirche die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel, das Fest Mariä Himmelfahrt bzw. In Assumptione B.M.V.“ In der Westkirche, so Becker-Huberti weiter, sei das Fest spätestens seit dem 7. Jahrhundert am 15. August übernommen worden und habe seit der Dogmatisierung der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel durch Papst Pius XII. am 1. November 1950 einen starken Akzent erhalten. (Herder-Verlag 42007, S. 238)
In Ermangelung eines unmittelbar passenden Textes wird heute bekanntlich die Geschichte von Mariä Heimsuchung als Tagesevangelium gelesen (Lk 1, 39-56). Aber die hochmittelalterliche Legendensammlung Legenda aurea des Jacobus de Voragine überliefert uns, was die Bibel nicht erzählt: Das Leben und Sterben Mariens. Demnach überlebt die Gottesmutter ihren Sohn um 24 Jahre, in denen sie immer wieder die Orte seines Wirkens aufsucht. Sie vermißt ihren Sohn und möchte sterben, um wieder mit ihm vereint zu sein. Eines Tages erscheint ihr noch einmal – wie zur Verkündigung – der Erzengel Gabriel, um ihr das Ende ihres Leidens anzukündigen.
Gabriel grüßt die Gottesmutter wie in der Verkündigungsszene. Mit seiner Todesankündigung überbringt er ihr einen Palmzweig als Baum des Paradieses, aber auch Symbol des Martyriums. Der Zweig wird ihrem Trauerzug vorangetragen werden, wenn sie drei Tage nach Gabriels Besuch verstirbt. Sie darf die zwölf Jünger vollzählig um sich versammelt wissen, denn heftige Windböen werden jeden von ihnen von seinem derzeitigen Aufenthaltsort aufheben und zu ihr bringen.
Die Szene des „Marientodes“ – lat. „Dormitio“, das „Entschlafen“ –, in der alle Jünger, manchmal zudem Heilige und Christus selbst – um Marias Totenbett versammelt sind, ist seit dem Hochmittelalter ebenso häufig bildlich dargestellt worden wie die Assumptio Mariae oder die Marienkrönung: In der Tat sind hier an Marias Bahre alle vereint und werden Zeugen, wie Jesus die Seele seiner Mutter als kleines weißgekleidetes Kindlein in den Himmel hebt – Umkehrung der üblichen Madonnenikonographie der Maria mit dem Jesusknaben auf dem Arm. Oder Christus trägt seine Mutter wie eine Geliebte in seinen Armen aus dem Grab in den Himmel. Maria, heißt das, muß nicht bis zum Jüngsten Tag warten, sondern ist sofort und beispielhaft für alle Menschen leiblich auferstanden. Als Beweis dessen erzählt man die Geschichte vom geöffneten Grab Mariens, das keinen Leichnam, sondern nur duftende Blumen barg.
Das Hochfest Mariä Himmelfahrt hat sich eine enge Verbindung zum Brauchtum erhalten: Es heißt der „Große Frauentag“, „Maria Würzweih“ oder „Büschelfrauentag“. Es ist das einzige Fest, zu dem nach wie vor eine – einst häufiger im Jahr übliche – Kräuterweihe stattfindet. Schriftlich ist dieser Brauch, wie Becker-Huberti schreibt (ebd.) spätestens seit dem Sachsenspiegel des 13. Jahrhunderts belegt. Das geweihte Büschel aus 7 oder 9 oder gar 99 Kräutern, darunter Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Rainfarn, Schafgarbe, Königskerze, Tausendgüldenkraut, Eisenkraut, Kamille, Thymian, Baldrian, Alant, Klee sowie den verschiedenen Getreidearten, wird gegen den Palmsonntags-Zweig im „Herrgottswinkel“ oder einer entsprechenden Stelle im Haus ausgetauscht. Im Krankheitsfall wurden Tees daraus aufgebrüht oder die Kräuter unter das Tierfutter gemischt. Theologische Klammer von Marienverehrung und Kräuterbrauchtum ist der seit dem 5. Jahrhundert belegte Beiname Marien als „guter und heiliger Acker“, der „göttliche Ernte brachte“ (Becker-Huberti, ebd.). Auf ihn geht auch die Darstellung der „Maria im Ährenkleide“ zurück.
Die Marienverehrung früherer Jahrhunderte kennt zwei „Frauentage“. Gemeint ist dabei immer nur die Eine: Maria, „Unsere Liebe Frau“. Auch der „Muttertag“ ehrte ursprünglich nur die eine Mutter, Maria. Der „Große Frauentag“, Mariä Himmelfahrt, besitzt in Mariä Krönung (22. August) seinen Oktavtag, der besondere Hochfeste markiert. Mit dem „Kleinen Frauentag“ bezeichnet man das Fest Mariä Geburt am 8. September. Da diesem Datum noch Mariä Namen und das Gedächtnis der Sieben Schmerzen Mariä am 12. bzw. 15. September folgen, ergibt sich der „Frauendreißiger“ als Zeitspanne zwischen dem 15. August und dem 15. September, der wie die Monate Mai und Oktober dem Marienlob und dem Mariengebet gewidmet sind oder sein sollten.
Nun ist das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel hierzulande leider kein gesetzlicher Feiertag. Auch fasten wir für gewöhnlich nicht mehr, wie es die orthodoxen Christen tun, zwei Wochen lang vor dem Fest. Aber wir weihen immerhin noch Kräutersträußchen, und das sollten wir auch unbedingt weiterhin tun.
Denn die säkularisierte und dadurch gern ins abergläubische abgleitende ‚Konkurrenz‘ schläft nicht. Im Sommer 2008 überraschte uns ein Blick in das aktuelle Heft der prämierten Jugendzeitschrift „w.i.t.c.h“ (ein Anagramm aus den fünf Namen der in den Fortsetzungsgeschichten handelnden Comicmädchen mit Anspielung auf das englische Wort „witch“ = „Hexe“ (vgl. hier), das sich unsere damals 8jährige Tochter in ihrem Interesse an allem Lesbaren zugelegt hatte. Gleich auf S. 4 erzählt „w.i.t.c.h“ den Mädchen vom „Magischen August“ und gibt „magische Tipps“, durch die das „Genießen des Sommers“ der jungen Leserin „leicht gemacht“ werde. Und siehe da: Als allererstes stoßen wir auf einen geklauten Frauendreißiger mit konstruiertem Kräuterbrauch:
„Zauberhafte Kräuterbüschel
Kräuter, die zwischen dem 15. August und dem 15. September gesammelt werden, haben besondere Heilwirkungen. Hexen sammeln in dieser Zeit einen Strauß aus sieben Kräutern. (Sternchen: Im magischen Kräuterbüschel sollten mindestens sieben der folgenden Kräuter enthalten sein: Johanniskraut, Thymian, Kamille, Salbei, Schafgarbe, Dill, Mohn, Pfefferminze, Melisse, Holunder oder Rosmarin) Sie [die Hexen] binden ihn zu einem Büschel und hängen ihn in ihr Zimmer. Er stimmt die Geister freundlich und unterstützt die Kreativität.“
Zitat Ende. Wir haben nicht schlecht gestaunt. Was doch aus dem katholischen Brauchtum so alles rauszuholen ist, wenn grad keiner hinguckt.
Cornelie Becker-Lamers
In der Tat frappierend, oder? Man weiß nicht, soll man sich über die Unverschämtheit ärgern oder es vorziehen, die fortdauernde Wirkkraft unserer Bräuche zu bewundern, selbst in solch erheblicher Dekontextualisierung?
Bevor aber am Ende aus den vermutlich harmlos-neugierigen kleinen „witches“ vielleicht nicht mehr ganz so harmlose „bitches“ werden (pun intended), wäre es doch gelacht, wenn es nicht gelingen sollte, sie davon zu überzeugen, wer das Original des Brauchs hat – und nicht bloß den kommerziellen Abklatsch. Wo echte Schöpferkraft und Spiritualität walten und nicht „Kreativität“ und (Un-)„Geister“!
Freilich, Voraussetzung dafür ist, daß wir selber unsere Bräuche ernstnehmen, verstehen und praktizieren.
Maria aufgenommen ist, Halleluja,
zu ihrem Sohne Jesus Christ Halleluja.
Ihr Sohn, der Tod und Grab besiegt, Halleluja,
er läßt im Tod die Mutter nicht, Halleluja.
Im Himmel ist sie Königin, Halleluja,
und aller Welt ein Trösterin. Halleluja.
O Zeichen groß: ihr Kleid die Sonn, Halleluja,
ihr Schuh der Mond, zwölf Stern ihr Kron, Halleluja.
(GL 522)
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[…] Ende des Frauendreißigers naht und mit ihm das Gemeindefest der uns wohlbekannten katholischen Diasporagemeinde „Maria […]
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