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„Ach so, Sie sind Professor? Das ist etwas anderes.“ (Leserbriefe zu PuLa Teil 1)

Kinder, Kinder! Da ist man mal ein Wochenende nicht in Weimar (sondern in Löbau, wo es sehr schön ist! Das „PuLa unterwegs“ dazu folgt aber aus ganz bestimmten Gründen erst in ca. 3 Wochen), schon laufen die Leserbrief-Spalten der TLZ schier über mit Beiträgen, die sich mit diesem bescheidenen Blog aus der mitteldeutschen Diaspora befassen, unglaublich! Das hat durchaus amüsante Seiten – allerdings nicht nur.
Jedenfalls stellen wir mit Interesse fest, daß der Weimarer TLZ-Chef, der noch Mitte April von einer „weithin unbekannten Internet-Seite“ schrieb, unterdessen im Zeitalter der Medien-Konvergenz und -interaktion angekommen zu sein scheint, das ist doch sehr erfreulich.

Seit vielen Wochen befleißigen wir uns nun aus gutem Grund der Zurückhaltung, was den eigentlichen Anlaß all dieser Aktivität angeht – und werden das auch weiterhin tun, auch wenn es (zusehends) schwer fällt, manch schlicht abstruse Einschätzung, bzw. Darstellung nicht als solche zu charakterisieren – und mit der Wirklichkeit zu kontrastieren! Aber, wie gesagt, wir haben gute Gründe für die Zurückhaltung.

Was wir aber nicht tun werden, ist, das, was da über uns, unsere Freunde und unsere Überzeugungen zum Teil so daherschwadroniert wird, unkommentiert zu lassen – dafür haben wir nämlich viel zu viel Spaß am Schreiben! 😀

Und so steigen wir heute ein in eine kleine Sommer-Reihe zu den Leserbriefen, die da meinen, sich an PuLa abarbeiten zu müssen; es gibt schon jetzt genug Stoff für einige Tage: Viel Spaß!

Beginnen wollen wir, nicht ganz ganz chronologisch, mit der in mancher Hinsicht überraschendsten Wortmeldung dieser Tage. Da schrieben, oho! 😉 , zwei Professoren, Frau Silke Satjukow und Herr Rainer Gries,  am 20. Juli einen Beitrag, den die TLZ ganz zu recht mit „Perfide Anspielungen und gezielte Diffamierung“ überschrieb, denn diese Vorwürfe kommen darin wirklich vor. Wir rieben uns die Augen, denn der Text (Sie können ihn hier lesen) erweckt den Eindruck, als kennten sich die Autoren wirklich hier aus, sprechen sie doch davon, was wir „seit Jahren“ täten („Stimmung machen“, „obskure Anwürfe“ loslassen) und auch, daß es sich dabei nur um „wenige (Propagandisten)“ handele wissen die beiden offenbar ganz genau.

Dann wird im weiteren Verlauf mit theologischem Einschlag fortgefahren  und was da so kommt, das kennt man auch tatsächlich von (allzu-) vielen Theologen:  Die gänzlich undifferenzierte und selektive Inanspruchnahme des Zweiten Vatikanums incl. der „Konzilspäpste“ Johannes XXIII. (der das Latein gefördert hat)  und Pauls VI. (der den „Rauch des Satans“ in die Kirche hat eindringen sehen) und, wie oft haben wir das schon gehört?, die selbstbewußte Feststellung, PuLa sei nicht vom Geist Jesu inspiriert, was ja im Umkehrschluß heißt, genau zu wissen, worin dieser besteht.

Als dann allerdings wenige Zeilen weiter unten von einer „anderen christlichen Religion“ (sic!) die Rede war, haben wir uns doch gedacht, daß da etwas nicht stimmen kann.

Und siehe da: Satjukow und Gries sind gar keine Theologen.

Nein, beide sind Sozialwissenschaftler, genauer Historiker (vgl. hier und hier). Und machen da sehr interessante Sachen. Na gut, wir sind auch beides keine Theologen (allerdings sagen wir das auch immer wieder laut und deutlich), aber was soll denn die Bemerkung: „gerne garnieren sie ihre Ein- und Auslassungen mit Zitaten aus theologischen Schriften“?
Eigentümlich! Ich meine, das ist etwa so, als stellte ich Prof.  Gries als „ausgewiesene[n] Kenner des europäischen Qualitätsschaumweins“ vor. Das täte ich doch auch nicht (obwohl es hier genauso steht), wenn ich ernsthaft vorhätte, seine Hervorbringungen zu würdigen! Was die beiden offenbar umgekehrt nicht vorhaben.

Nun gut, jetzt war also klar, was da an Pseudo-Theologischem stand, das mußte man kein bißchen ernster nehmen, als man alles nehmen muß, was das arme Zweite Vatikanum immer und immer wieder an gedankenarmer und reflexionsloser Dienstbarmachung für irgendwelche glaubensexternen Zwecke erdulden muß (ja, auch der „Geist des Konzils“ kommt wieder vor…), man muß es gar nicht ernst nehmen.

Blieb die Frage: Woher das heftige Engagement? Eifrige Katholiken/Christen? Wir haben bei unseren Erkundigungen niemanden gefunden, der die beiden je in einem gemeindlichen Zusammenhang erlebt hätte, weder hier noch in Jena. Ja, es scheint nicht einmal sicher, daß Frau Satjukow überhaupt einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehört.

Also, was war es dann? Sind die beiden Freunde von Thorsten Büker? (so beim Gläschen Schaumwein? 😉 )  Die Freunde anderer Beteiligter?

Denkbar, aber als Erklärung unbefriedigend.

Dann kam uns ein Verdacht. Er entzündete sich an dem schönen Satz: „Das Prinzip des Dialogischen zählt seither zu einem kardinalen Imperativ des Katholischen.“ Prust!
Den Spaß, solche wunderbar klischeehaften Wissenschafts-Sprech-Sätze zu drechseln machen meine Frau und ich uns auch manchmal (sie schafft das zwischen Aufstehen und Frühstück, ich brauch‘ meist vorher noch ne Tasse Tee…), das ist wirklich ein köstlicher Zeitvertreib!

Also, das wirkte doch alles irgendwie uneigentlich!

Dann fiel uns auf, wie der Text geradezu lehrbuchhaft betreibt, was in der Sprache einigermaßen avancierter Sozialwissenschaft „Othering“ genannt wird, das Bestreben, eine Gruppe von Menschen, die einem aus irgendeinem Grund nicht paßt, zum Zwecke der Konstituierung, bzw. Stabilisierung des eigenen Selbstverständnisses/der eigenen Gruppe zu „den Anderen“ zu machen und diese „Anderen“ dann (vorzugsweise in essentialisierter Form) abzuwerten (vgl. hier, hier und hier).
Den beiden Hochschullehrern war gewiß auch, davon konnten wir ja sicher ausgehen, bekannt, was Manuel Borutta in seiner mittlerweile bereits in zweiter Buchauflage vorliegenden (preisgekrönten) Dissertation: „[Liberaler] Antikatholizismus. Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe“ (jetzt Göttingen, 2011, vgl. hier) zu diesem Thema geschrieben hat,  besonders insofern er das Phänomen auch als eines der binnenkonfessionellen (lies: innerkatholischen) Antagonisierung beschreibt. Einer Antagonisierung, in der sog. „liberale Katholiken“ schon damals der katholischen Sache und, ironischerweise, den (politischen) Liberalen sehr geschadet haben.

Jetzt fing die Sache an, Kontur zu bekommen! Das war ja auch zu stereotyp, was die beiden uns ganz unbekannten Herrschaften da an Othering mit uns zu betreiben schienen: Hier die, „liberalen“, „dialogischen“ ‚Guten‘, da die ‚Bösen‘, „Feinde“, die „infam“ und „gnadenlos“ die anderen „stalken“ und ihnen Dinge „unterstellen“. Hier die ‚Dummen‘, die ihre „Ein- und Auslassungen“ bloß „mit Zitaten garnieren“ können, dort die ‚Erleuchteten‘, die in Nachfolge großer Päpste den Dialog mit der Welt suchen.
Nicht wahr? Wenn man es so geballt liest (und das ist ja nicht einmal alles) merkt man es sofort:

Das kann gar nicht, nein, das IST nicht ernstgemeint!

Also, Frau Professor, Herr Professor, geben Sie’s zu: Das Ganze ist ein Forschungprojekt. Ein Projekt „teilnehmender Sozialwissenschaft“. Sie untersuchen „Prozesse des Othering in sich ausdifferenzierenden Gemeinden der mitteldeutschen Diaspora unter den Bedingungen der Umbruchssituation nach den politischen Veränderungen der Jahre 1989/90“.

War ja auch von vorneherein völlig ausgeschlossen, daß zwei Personen Ihres geistigen Kalibers einen Blinden Fleck so monströsen Ausmaßes hätten übersehen können, daß sie unabsichtlich selber betreiben, was sie untersuchen.

Tja, tut uns leid, keine Ahnung, warum Sie jetzt meinten, selber eingreifen zu müssen, in das Experiment, aber wir haben es gemerkt und nun ist es raus! Und wir haben schon immer gesagt, die Weimarer Verhältnisse geben ein paar (!) Diplomarbeiten und Dissertationen her.
Aber vielleicht ist ja noch nicht aller Tage Abend: Wenn ich so einen Gutteil der anderen Leserbriefe Revue passieren lasse, allein da findet sich noch jede Menge Material. Von unseren jahrelangen einschlägigen Erfahrungen ganz zu schweigen. Schicken Sie also doch einfach die jungen Wissenschaftler, die Sie betreuen, bei uns und unseren Freunden vorbei. Wir nehmen sie gut auf und haben mehr als genug einschlägige Erzählungen und Unterlagen.
Die jungen Leute kriegen dann bei uns auch einen Tee und am Ende auch noch ein Schlückchen Sekt!. 😆

 

PS: Der Titel dieses Beitrags ist eine Hommage an die große, die unvergeßliche Dr. Erika Fuchs (1906  bis 2005), deren sprachschöpferische Kraft das Deutsche so sehr bereichert hat (vgl. hier, hier und hier).

3 Trackbacks/Pingbacks

  1. […] war, also von Katholiken untereinander, das erfordert (wie in Teil 1 dieser Reihe angekündigt, hier), eine Reaktion, denn es ist mit dem Stichwort „Vorurteile“ (wie im folgenden Beitrag) nur sehr […]

  2. Pulchra ut Luna › PuLa unterwegs: Das doppelte Lottchen on Dienstag, 29. September 2015 um 22:26

    […] daß wir Ende Juli angekündigt hatten, etwas über unseren Besuch in Löbau schreiben zu wollen (hier). Das hat nun ein bißchen länger gedauert, weil wir zwischendurch aus bekannten Gründen (vgl. […]

  3. Pulchra ut Luna › Finde den Unterschied… on Donnerstag, 22. September 2016 um 17:18

    […] (ein weiteres Beispiel für die Strategie der Essentialisierung und des ‚Othering‘ hier) […]

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