Die PuLa-Adventskalender der vergangen vier Jahre verbindet, daß sie alle in der einen oder anderen Form meine Lese-Erfahrung des je zurückliegenden Jahres widerspiegelten, die mit Ihnen zu teilen ich mich bemüht habe. Es ging um Chestertons Everlasting man, „Zwei katholische Bücher“, das Zwölf-Propheten-Buch oder die Psalmen mit Robert Spaemann.
Dieses Jahr machen wir einmal etwas anderes. Es ist allerdings nicht weniger persönlich. Eher mehr sogar, denn es geht um die Musik, die mich seit vielen Jahren durch den Advent begleitet und für mich geradezu die Adventsmusik schlechthin geworden ist.
Es handelt sich um die O-Antiphonen in der Vertonung von Marc-Antoine Charpentier (1643-1704), in der Aufnahme durch ‚Les Arts florissants‘ unter William Christie von 1982; tempus fugit… 😉
Wenn Ihnen diese alte Aufnahme, die zuletzt (auch schon vor vielen Jahren!) von harmonia mundi France in der preislich reduzierten Reihe ‚musique d’abord‘ wieder veröffentlicht wurde, in die Hände fallen sollte: Greifen Sie zu! Sie enthält neben den ‚Antiennes „O“ de l‘ Avent‘ H. 36-43 und den ‚Noëls pour les instruments‘ H.534 vor allem noch das absolut entzückende Miniatur-Weihnachtsoratorium (eigentlich eine Mottete) ‚In Nativitatem D.N.J.C. Canticum‘ H. 414 von 1684; wer französische Barockmusik ohnehin mag, wird es lieben, die anderen könnten sich dabei an sie gewöhnen, glaube ich!
Nun mögen Sie denken: „Die O-Antiphonen als Adventskalender, das ist ja so ziemlich das Gegenteil von originell.“
Ganz genau, um nicht zu sagen: Zum Glück! Denn Sie wissen ja, auf PuLa denken wir in Bezug auf Originalität wie R. Spaemann: „Wahrheit ist nicht originell, Irrtum ist originell“ 🙂
Außerdem ist es heutzutage gar nicht mehr so einfach diese wunderbaren und ehrwürdigen Stücke dort zu hören, wo sie über viele Jahrhunderte erklungen, darf ich sagen „erblüht“?, sind: In der Liturgie.
Dabei gehören sie natürlich genau dorthin, aber schön der Reihe nach.
Mit O-Antiphonen bezeichnet man die sieben Antiphonen zum Magnificat der Vesper des Stundengebets in den letzten Tagen des Advent vom 17. – 23. Dezember. In diesen auch „Große Antiphonen“ genannten Stücken, wird der Messias mit verschiedenen Titeln angerufen, deren Inspiration aus Texten des Alten Testaments stammt. Die Anrufung geschieht im Lateinischen durch das vokative „O“, daher der Name (und dessen häufige deutsche Übersetzung mit „Du“ werden wir schon mal nicht mitmachen 😉 ). In ihrem weiteren Verlauf wird um das Kommen des Erlösers gebetet, lateinisch: „Veni“, („Komm“).
So z.B. in der Nr. 6:
O Rex Gentium,
et desideratus earum,
lapisque angularis,
qui facis utraque unum:
veni, et salva hominem,
quem de limo formasti.
So die ganz eingängige und, wie das offenbar Generationen und Aber-Generationen von Betern in der Kirche empfunden haben, ebenso naheliegende wie wirkungsvolle Grundstruktur.
„Ehrwürdig“, habe ich oben geschrieben, und das sind sie wirklich, reicht die Tradition dieser Stücke vermutlich römischen Ursprungs doch bis mindestens in das 7. Jahrhundert zurück. Ihre typische, kanonische Zahl ist Sieben, aber es gab auch eine verbreitete 12er-Reihe und insgesamt sollen 23 Stücke bezeugt sein.
Im Mittelalter gab es feierliche und aufwendige Formen der Darbietung, ja sogar „O-Antiphonen-Spiele“ (soviel zum Thema der ja erst so ganz rezenten „participatio actuosa“, hüstel…).
Heute tauchen „gekürzte Fassungen“ der O-Antiphonen im sog. „Ruf vor dem Evangelium“ in den Hl. Messen vom 17. – 23. Dezember auf – oder auch nicht, wenn dieser Ruf mangels Kantor „ausnahmsweise“ entfällt, nun ja, ich werde diesen Advent darauf achten, spontan erinnern kann ich mich nicht, sage aber ausdrücklich, das mag an mir liegen (und die Verwendung im Rahmen der Messe ist eben auch sowieso nicht ursprünglich!).
Nun wollen wir aber gar nicht erst anfangen, über mögliche „Verluste“ nachzudenken, sondern lieber feststellen, daß den O-Antiphonen trotz ihrer aktuell weitverbreiteten „liturgischen Ortlosigkeit“ offenbar ein so großes Maß an Lebenskraft innewohnt, daß sie immer weiter vertont werden; die letzte mir bekannte Version stammt aus dem Jahre 2012!
Und damit nähern wir uns der ganz praktischen Frage, wie ich denn mit sieben Stücken Musik 24 Tage füllen möchte. Ganz einfach: Das Kernstück wird jeden zweiten Tag die Vertonung von Charpentier bilden, am Vortag erklingt eine ältere (meist gregorianische) Fassung und am dritten Tage eine moderne, jeweils begleitet von den biblischen Texten, die in die Stücke eingeflossen sind, oder die zu ihnen passen. Und natürlich immer auf Latein (mit deutscher Übersetzung) – wir wissen doch, was wir sowohl Freunden wie Verächtern von PuLa schuldig sind! 😉
Ach, Sie finden, 3 mal 7 sei 21 und nicht 24? Das ist aber auch wahr! 😉
Macht aber nichts, denn, wann auch immer sich das eingebürgert hat, Charpentier kannte einen Vorabend der großen Antiphonen und hat daher den „Salut de la veille des O“ komponiert: „O salutaris hostia“. Und diese Schlußstrophe des Laudes-Hymnus „Verbum supernum prodiens“ in dem von Thomas v. Aquin geschaffenen Fronleichnams-Offizium ist ebenfalls hinreichend oft in allen Epochen vertont worden, 3 mal 8 aber ist…24!
Kleine Kostprobe gefällig?
Morgen geht’s los!
Ein Kommentar
„wie ich denn mit sieben Stücken Musik 24 Tage füllen möchte“ :)!
Irgendwie hat es ja schon was von der wunderbaren Brotvermehrung, wie der liebe Gott da durch immer neue Kompositionen die geistige Speise Musik immer wieder neu werden läßt.
2 Trackbacks/Pingbacks
[…] am Abend des 17. Dezember, beginnt sie wirklich, die eigentliche Zeit der O-Antiphonen (vgl. „Vorabend“)! Und ich habe nachgeschaut, ja, eine „Kurzfassung“ bildet ab heute den „Ruf vor dem […]
[…] sich u.U. noch an den „Vorabend“ des Adventskalenders erinnert, dort hatten wir ja u.a. davon gesprochen hatten, es gebe noch […]
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