Die Generalprobe
Ein Sketchlet für vier Personen
Wundersdorf/ Oderbruch. In der Küche der Familie Langenfeld. Emily und Teresa sind in ihren Zimmern, in der Endphase ihrer Vorbereitungen auf das Krippenspiel. Richard sitzt am Küchentisch, vor sich eine Tasse Tee. Er ist bester Wochenendlaune und möchte sie mit seiner Frau teilen. Die ist gerade damit beschäftigt, die Arbeitsplatten nach einer größeren Backaktion zu säubern.
Richard: Also, weißt du, die Frage nach dem richtigen Betriebssystem treibt mich schon um! Immerhin werden es bald Computer für vier Personen sein, auf die ich zu achten habe – was bedeutet: mehr als vier Geräte! Und jetzt, wo Windows 7 eben doch langsam in die Jahre kommt… Man muß sich Gedanken machen…
Edith (zerstreut): Mhm. (Sie schaut in den Backofen, ruft): Teresa, ich glaube, die Mince Pies können gleich raus. (Nach einem Blick auf die Eieruhr) Noch zweieinhalb Minuten. (Sie spült den Lappen aus.)
Teresa (aus ihrem Zimmer): Wo ist meine schwarze Leggins, Mama? (Sie kommt in die Küche gelaufen, alarmiert): Ist etwa meine schwarze Leggins in der Wäsche?
Edith (überlegt kurz): Nein, Teresa, dunkle 30 Grad ist durch – die Leggins müßte in deiner Schublade sein – schau doch nochmal genau nach. (Sie schiebt Teresa aus der Tür, holt zwei leere SIGG-Flaschen aus der Speisekammer und beginnt die erste mit Leitungswasser zu füllen.)
Richard: Ja, wie gesagt, die Situation entbehrt ja nicht der Ironie: Mit Windows 10 war ja jedem Kundigen klar: „Windows as a Service“ heißt nichts anderes als Umstieg auf ein Rolling Release-Modell! Gleichzeitig nennen sie die neueste Version doch tatsächlich 1511, verstehst Du „November 2015“ du weißt, woher wir das kennen, oder?
Teresa (kommt zurück): Die Leggins ist da nicht!
(Edith dreht den Wasserhahn zu, stellt die Trinkflasche ab und geht mit Teresa in ihr Zimmer. Von draußen): Hier! Das ist sie doch. (Sie kommt in die Küche zurück und macht mit den Trinkflaschen weiter.)
Richard: Naja, oder du weißt es auch nicht, jedenfalls klingt das völlig wie das Schema von Ubuntu, das aber, als Debian-Abkömmling, mit seinem gemächlichen Zyklus eben genau keine Rolling-Release-Distro ist. Das ist doch wirklich ulkig, denn natürlich stellt sich „die Linux-Frage“ gerade wenn man bedenkt: Es werden immer mehr Geräte. (Er schaut kurz aus dem Fenster.) Ok, im Moment gibt es bis nächsten Sommer (mit einem Trick vielleicht auch noch länger!) die Möglichkeit des kostenlosen Umstiegs auf Windows 10, aber im Prinzip kostet es ganz schön und irgendwann will Microsoft natürlich Geld verdienen, is ja klar, und da haben wir von Office im Abo noch gar nicht gesprochen, verstehst du?
(Bevor Edith antworten kann, klingelt die Eieruhr.)
Edith: Teresa! Deine Mince Pies!
Teresa: Kannst du mal gerade? Ich muß mich noch fertig anziehen.
Edith: Ok! (Sie stellt die fertigen Flaschen zurecht und beginnt, die Küchlein aus dem Ofen auf einen Kuchenrost zu bugsieren.)
Richard: Was ich sagen wollte: Es gibt natürlich noch eine ganze Reihe weiterer Aspekte: Immer noch kostet für Windows ja der Virenscanner extra, jedes Jahr. (Er seufzt und trinkt einen Schluck Tee) Jedes Jahr neu, für x Geräte! Da ist eben die Welt bei Linux noch weitergehend in Ordnung! Aber wenn man dort nach einer Rolling Release Distro sucht, landet man halt automatisch bei Arch und seinen Derivaten…
Emily (kommt in die Küche gestürmt): Mama, der Tacker ist leer.
Edith (mit den Küchlein zugange): Linke Schreibtischschublade, hinten rechts.
Richard: … ich meine, Arch ist cool, end-cool! Aber wie stabil ist es wirklich in einer Produktionsumgebung? Du reißt mir doch den Kopf ab, wenn du auf einmal nichts mehr schreiben kannst, weil das Update auf neue Pakete das System lahmlegt, vom Umstieg auf eine neue Kernel-Variante ganz zu schweigen… Ob ich das dann immer schnell genug gepatcht kriege?
Emily (mit zwei verschiedenen Schachteln in der Hand): Welche Größe?
Edith (blickt von ihren Mince Pies auf): Wozu brauchst du’s denn?
Emily (hibbelig): Ich muß die Königskrone noch fertigmachen.
Edith: Ach so! Für den großen Tacker? Die rechte Schachtel.
(Emily hält fragend die richtige Schachtel in die Höhe und stürmt wieder hinaus.)
Edith (für sich): Mit der Krone hätte sie ja auch mal einen Tag eher anfangen können!
Richard: Und dann, nicht zu vergessen, die Frage der Cloud-Integration! Ich meine, ohne geht ja nun mal gar nicht mehr, vor allem für die jungen Leute. Funktioniert onedrive-d auf, sagen wir, Manjaro? Oder Antergos? (Er macht eine Kunstpause.) Klar, es gibt auch andere Cloud-Angebote mit nativen Linux-Clients, aber was Microsoft da auf die Beine gestellt hat ist eben schon verdammt ausgefeilt; allein die Suchfunktion, das geht ja sowas von besser im Browser als mit dem doofen ollen Explorer! Und dann die Web-Apps … Andererseits, wann braucht man die wirklich? Letztlich formuliert man ja doch im lokalen Textverarbeitungsprogramm, so voll ohne Latenz, wenn die Gedanken „etwas schneller“ fließen, hihi …!
Teresa (kommt mit einem Hirtenkostüm in die Küche und stellt sich rückwärts vor ihrer Mutter auf): Kannst du mir mal grade den Reißverschluß zu machen?
Edith: Moment! (Sie läßt das letzte Küchlein auf den Rost gleiten und wendet sich dann Teresa zu.)
Richard: O, Mensch, Teresa, du bist ein toller Hirte, viel Erfolg, das wird gut!
Emily (kommt mit ihrer Königskrone auf dem Kopf in die Küche): Geht das so?
Edith (rückt die Krone ein bißchen zurecht): Ja! Sieht gut aus.
Emily (ruft): Teresa, beeil dich, wir müssen los.
Teresa (von draußen): Soll ich die Stiefel anziehen, Mama?
Edith: Ja, klar – die Kirche ist kalt.
Teresa (kommt auf einem Stiefel in die Küche gehüpft. Während sie den andern anzieht): Kann du das machen mit dem Puderzucker?
Edith: Über die Mince Pies? (Sie lächelt) Ja, kann ich.
Teresa: Danke! (Sie gibt ihrer Mutter einen Kuß.)
Emily (Gibt der Mutter auch einen Kuß; dann, zu Teresa): Los! (Mit einem Blick auf die Uhr) Es ist schon fünfundzwanzig! (Sie stürmen hinaus.)
Teresa (sich entfernend): Ich hasse es, zu spät zu kommen.
Edith: Halt! Eure Trinkflaschen! (Die Kinder kommen zurück, um die Flaschen zu holen.) Fahrt trotzdem vorsichtig! (Sie blickt ihre Kinder eindringlich an.)
Emily und Teresa: Machen wir! Tschüß Papa!
Richard (ruft den beiden hinterher): Tschü-üß! Viel Erfolg!
Emily und Teresa (von weitem): Danke! (Man hört die Haustür ins Schloß fallen.)
(Edith fällt auf einen Küchenstuhl und schaut Richard lächelnd an.)
Richard (kommt zum Thema zurück): Ja, oder man macht den ganz großen Sprung und schafft sich einen eigenen Server an, auf dem OwnCloud läuft, reicht ja ein raspi. Aber dann, dann heißt es Server einrichten, via SSH und Ports öffnen oder schließen, ich meine, mit dem Verfrachten eines raspbian-Images auf die Micro-SD ist es ja nicht getan…
Edith (schlägt sich an die Stirn): Apropos verfrachten! Das Paket an Deine Eltern muß ja auch noch los.
Richard (irritiert): Sag mal – hörst du mir überhaupt zu?
Fortsetzung folgt
Cornelie Becker-Lamers/ Gereon Lamers
Ja, so geht’s zu in Wundersdorf! Bloß gut, daß es hier in Weimar gar nicht solche Computer-Freaks gibt… 😉
9 Kommentare
Sketchlet? Das ist eine Mitschrift aus dem normalen Leben, oder?
Mir hört auch nie jemand zu, wenn ich über die wichtigen Dinge des Lebens rede……
„Mitschrift“? Aber niemals! Also, in Wundersdorf vielleicht, das weiß ich ja nicht so genau, aber sonst, niiiemals! 😉
Ich würde eher sagen: Lieber Admiral! Meine Sketche waren noch nie etwas anderes.
Einen Pinguin für jeden!
@V.L. Ein Ubuntu, ein Fedora, ein Bodhi und ein Arch? Und ein Kuraufenthalt für den „Admin“? 🙂
> Aber wenn man dort nach einer Rolling > Release Distro sucht, landet man halt > automatisch bei Arch und seinen
> Derivaten…
Automatisch? Bei Arch landet man automatisch auf der Suche nach Dokumentation.
The only original and real „Rolling Release Distro“ out there heißt Gentoo.
http://tinyurl.com/hrwjovf
@Monticola: Hilfe, die Rotschnäbel kommen! (für Nicht-Linuxer, vgl. hier)
Cornelie versteht mich……..
@Admiral: Soso! 😉
Ein Trackback/Pingback
[…] der folgende Text am 13. Dezember 2015 ursprünglich erschien, hier, geschah dies im Rahmen der alljährlichen sonntäglichen Sketche im Advent unter dem Reihentitel: […]
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