Seit liturgisch ja alles besser geworden ist, bei uns in Herz-Jesu Weimar, wird es bald Gelegenheit geben, die altbewährte Reihe: „Ein Sonntag morgen voller guter Laune!“ wieder aufzunehmen, die seit, ja, meine Güte, schon seit Dezember 2013 ruht; Kinder, wie die Zeit vergeht!
Aber weil ich das gestern mit der Sonntagsruhe sehr wörtlich genommen habe (der ganze Samstag war nämlich ein Arbeitstag, vgl. hier) erscheint dieser Beitrag eben erst am heutigen (freien) Montag und kann ergo nicht so heißen. 🙂
Was zu der guten Laune am gestrigen „11. Sonntag im Jahreskreis“ (zu der Bezeichnung vgl. hier) vor allem beitrug, war die herausragende musikalische Gestaltung durch die hervorragend disponierte Choralschola der Musikhochschule und den wunderbaren jungen Organisten. Herzlichen Dank!
Man kann es ja gar nicht oft genug sagen, daß es sich dabei eben NICHT um ein geschmäcklerisch kultursnobistisches Herangehen handelt, sondern daß qualitätvolles Musizieren der Andacht aufhilft, wie das viele (heilige) Päpste immer wieder betont haben! Nichts weniger als das Beste, was je und je möglich ist, kann auch nur ansatzweise genügen… (vgl. hier).
Nun, gestern hat Weimar wieder mal gezeigt, was hier möglich ist, und das war ein Grund zu großer Dankbarkeit! Hoffen wir, daß alles (notfalls auch „diplomatische“) Bemühen am Ende dazu führt, daß es bald so häufig wie möglich und zwar gerade an Sonntagen so schön ist.
Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen noch eine kleine Beobachtung, die zeigt, wie sinnvoll die musikalische Gestaltung auch die Predigt kongenial ergänzen kann. Gestern stammte die zweite Lesung ja aus dem Galaterbrief (Gal 2, 16.19 – 21), eine der Stellen, wo der der Hl. Apostel Paulus von den sog. „Reformatoren“ einseitig (miß-) verstanden worden ist, und die daher in der kirchlichen (= katholischen) Verkündigung immer der Erläuterung bedürftig sind.
So gestern in der Predigt geschehen – aber eben nicht nur dort! Nein, denn wir haben dann von Angelus Silesius das wunderschöne „Ich will Dich lieben, meine Stärke“ (GL 358) gesungen und da es ein Choralhochamt war, war der Eindruck der wenigen deutschen Lieder natürlich um so stärker: „…ich will Dich lieben mit dem Werke…“, heißt es da bekanntlich weiter. Eine sehr dankenswerte Liedauswahl! 😉
Der Fairneß halber sei hinzugefügt: Das Lied ist ein „ökumenisches“ und hat überhaupt schon früh Aufnahme auch in evangelische Liedsammlungen gefunden, vgl. hier).
Weniger, wesentlich weniger erbaulich fand ich (erneut) den Kehrvers zum Antwortpsalm.
Wie wir ja alle wissen, kommt in der nach dem 21. Ökumenischen Konzil erneuerten Leseordnung gerade dem Antwortpsalm eine große Bedeutung zu, ja, regelmäßig ist er der gedanklichen Abfolge hin zum Evangelium viel besser eingepaßt als die „Epistel-Lesung“. Eine Ansicht, die man auch für den gestrigen Sonntag vertreten könnte.
Nun, jedenfalls wurde er gestern natürlich von einem Mitglied der Schola kantoriert – und zwar sehr schön.
Wenn da nur nicht der Kehrvers gewesen wäre… Doch, doch, es war der „richtige“ im Sinne des vorgesehenen. Werfen wir einen Blick in den „Schott“:
Dort sehen wir den für die gesprochene Rezitation vorgesehenen Kehrvers als Antwort des Volks und den Hinweis auf GL 517 wenn gesungen wird. Und Nr. 517 wird leider gar häufig „genommen“ (auch wenn er nicht vorgesehen ist…):
„Der Herr vergibt die Schuld und rettet unser Leben“
heißt es da, „Text nach Ps 103, 3-4, M[elodie] Josef Seuffert (*1926)“
Ich will mich zur Melodie nicht weiter äußern, dafür verstehe ich nicht genug davon, persönlich finde ich sie eher banal und mag sie überhaupt nicht, mit ihrer abfallenden Schlußlinie fühle ich mich jedenfalls so gar nicht „gerettet“, bzw. erhoben.
Wer den Text so gefaßt hat, davon erfährt man leider nichts, dieses „nach“, das im „Gotteslob“ so oft genutzt wird, ist mir von Herzen zuwider, denn es nutzt die Autorität des inspirierten biblischen Textes, ohne daß dieser Anspruch notwendig eingelöst wird!
Nicht, daß da in Psalm 102 (wie es nach wissenschaftlich aktueller UND katholischer Zählung heißen sollte) nicht von Vergebung der Schuld und der Rettung des Lebens die Rede wäre, das ist es natürlich.
Aber dieser Verknappung „gelingt“ es, daß ich (und nicht nur ich!) eher an die Feuerwehr als Lebensretter, denn an den Allerhöchsten denke! Die Art, wie aktuell immer wieder und gerade in den Liedern des neuen Gotteslobs in der Kirche gänzlich diesseitig von „Leben“ die Rede ist, wäre ja eine eigene, genaue semantische Untersuchung wert.
Hier müssen wir uns auf ein, zwei kurze Bemerkungen beschränken:
Der Text in seiner Verknappung banalisiert und dekontextualisiert die Aussage des Psalms.
1 Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!
2 Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat:
3 der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt,
4 der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt
heißt es in der Einheitsübersetzung und man sieht, was alles „fehlt“ zugunsten eines sozusagen „klappernden“ Automatismus: „Schuld vergeben, Leben gerettet, zack, zack!“
Ja, ich weiß, ein Kehrvers muß knapp sein, aber so? Wie wäre es denn gewesen, man hätte sich auf nur einen Vers des Psalms konzentriert?
Durch Verallgemeinerung und „Subjektwechsel“ entsteht eine „Anonymisierung“.
1 Benedic, anima mea, Domino, et omnia quæ intra me sunt nomini sancto ejus.
2 Benedic, anima mea, Domino, et noli oblivisci omnes retributiones ejus ;
3 qui propitiatur omnibus iniquitatibus tuis, qui sanat omnes infirmitates tuas ;
4 qui redimit de interitu vitam tuam, qui coronat te in misericordia et miserationibus
Der originale Psalmtext spricht den Beter direkt an: Um Dich geht es. Deine Schuld wird vergeben, nicht „die“ Schuld. „Dein“ Leben wird gerettet, nicht „unser“.
Das sind schwerwiegende Verschiebungen und selbstverständlich gibt es alternative Kehrverse zu Psalm 31, GL 629,1 und GL 307,5, z.B. (vgl. hier)
Ob die Aufnahme dieses eher schwachen Kehrverses ins (neue) Gotteslob etwas mit dem Komponisten zu tun hat (der ja vielleicht auch für den Text verantwortlich ist)?
Das könnte man sich schon vorstellen, wenn man die Vita von Prälat J. Seuffert zur Rate zieht, ein wahres „Heldenleben ‚des‘ Konzils“ 😉 tritt da zutage und die lange Tätigkeit im DLI und in einschlägigen Gremien hat vermutlich auch geholfen vgl. hier).
Wenn man jedoch diese Lebensgeschichte historisch (und nicht „hagiographisch“…) betrachtet, ist sie sehr interessant! Sie führt uns erneut in die so zentrale Zeit der ‚Liturgischen Bewegung‘, in die Betrachtung ihrer geistesgeschichtlichen und philosophischen Wurzeln, ihres Nachlebens nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Verhältnis zum Zweiten Vatikanum und, vielleicht noch wichtiger, dem, was aus ihm gemacht wurde.
Aber das ist ein komplexes Unterfangen. Lesen Sie doch bis dahin schon einmal, ob die Nazis das neue katholische Kirchenlied taktisch genutzt haben, trotz seiner Widerständigkeit?
Und wie war es mit dieser wirklich bestellt? (vgl. hier und hier)
Sehr spannende Lektüre!
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