Weimar wird mit Kultur-Feuerwehr zum
Kompetenzzentrum Kulturgutschutz
Auf einmal geschieht alles gleichzeitig. In Weimar, Deutschland und Europa. Wenn das kein Zeichen ist! 😉
Aber der Reihe nach, wobei wir mit dem jüngsten beginnen.
Seit 16. April ist es nun also amtlich, daß die Tradition der Martinsumzüge mit allem, was dazugehört, in Nordrhein-Westfalen als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird, vgl. hier und hier.
Eine Anerkennung auf Bundesebene scheint einigen Vertretern nur noch eine Frage des richtigen Dachverbandes.
Aber auch zum jetzigen Zeitpunkt ist die Aufwertung und publicity, die dieses christliche Brauchtum dadurch erfährt, bereits etwas, was uns Christen alle angeht und worüber wir uns alle freuen können. Denn die Martinsumzüge und –feuer ihrerseits gehören ja mit aller nötigen Vorbereitung zu den Aktivitäten im Jahr, die christliches Gedankengut und Brauchtum besonders auffällig aus den Kirchen auf die Straße und damit „in die Welt“ tragen.
Auch hier in Weimar und in der Diaspora vielleicht besonders wichtig. Und Sie erinnern sich: Im letzten November war uns aufgefallen, daß der Martinsumzug in Weimar streckenweise wie ein Schweigemarsch vonstatten gegangen war und hatten uns namentlich vor dem Hintergrund des beantragten Kulturerbestatus für das Gesamtpaket von Anspiel, Umzug, Feuer- und Lichtsymbolik, Liedgut und Backwerk für eine Organisation konkreter, den gesamten Zug durchziehender musikalischer Kristallisationspunkte ausgesprochen.
Anläßlich des jährlichen Treffens der Leiter von Gruppen und Kreisen unserer Pfarrei hatte ich das Thema noch einmal ins Wort gehoben und der Gemeindereferent hatte sich das Anliegen notiert. Obwohl der Pfarrer zu diesem Zeitpunkt bereits in seinen wöchentlichen Taizéabend entschwunden war, dürfte damit die offizielle Unterstützung hier in der Pfarrei ebenfalls amtlich sein.
Ich zweifle nicht, daß unser Bemühen Frucht tragen wird. Denn zusätzlich zur Notiz unseres Gemeindereferenten (wonach ja bereits nichts mehr schiefgehen kann) wurde am Aschermittwoch/ Valentinstag 2018 via Lokalzeitung publik, daß das allseits katastrophenerprobte Weimar zum Thüringer Kompetenzzentrum Kulturgutschutz avanciert (verkürzter Bericht hier, vgl. aber auch hier).
Das hat man sich dann so vorzustellen, daß ein 100.000 Euro teures Spezialfahrzeug bei der Weimarer Feuerwehr stationiert wird, das zum Beispiel über ein Kühlsystem für nasse Bücher verfügt und (in Unterzentren über das größte Thüringen Deutschlands verteilt) diverse Notfallcontainer besitzt, in welchen durch Hochwasser oder Brand gefährdetes Kulturgut rasch in Sicherheit gebracht werden kann.
Welch löbliches Unterfangen! Und eine Maßnahme, die uns Christen wiederum ganz unmittelbar angeht, erinnert doch beispielsweise der Bamberger Erzbischof Schick in seinem Hirtenbrief zur Fastenzeit 2018 daran, daß die EU das Jahr 2018 zum „Europäischen Jahr des Kulturellen Erbes“ ausgerufen und das Bistum Bamberg die Kultur ebenfalls zum Jahresthema erhoben habe. Erzbischof Schick apostrophiert, daß für die Kirche die Kultur „schon immer ein wichtiges Anliegen“ sei, da Kultur sich „vor allem aus dem Kult, das heißt aus der Gottesverehrung“ entwickele, „der dann das persönliche und soziale Leben der Menschen“ präge. Er nennt die klassischen materiellen Kulturgüter und schreibt: „Diese Kulturgüter bereichern unser Leben, prägen unsere kulturelle Identität [und] leisten einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Integration.“ Der Text weitet dann den Blickwinkel auf die immateriellen Kulturgüter, die Lebenskultur, die Alltagskultur, die Musik und den Sport.
Das heißt, auch auf so etwas wie die Martinsumzüge.
Da die Feuerwehr zu unserer Pfarrei ohnehin eine wie auch immer geartete Verbindung haben muß – jedenfalls war schon oft ein Feuerwehrauto die größte Attraktion unseres Gemeindefestes –, stelle ich mir gerade vor, wie die neue Weimarer Kulturfeuerwehr, das immaterielle Kulturerbe Martinsumzug gleichsam schützend im Container, unseren Laternenumzug begleitet (wir müssen nur aufpassen, daß Pferd und Reiter als gefährdetes Kulturgut nicht gleich mit im Container verschwinden… 😉 ). Denn dazu ist die Feuerwehr ja geradezu doppelt prädestiniert. Hat sie doch ein … ? Genau: ein Martinshorn! Das trägt, wie wir schon vor Jahren zu einem Gemeindefest angesichts des Feuerwehrautos gemeinsam mit dem damaligen PGR-Vorsitzenden im schönsten Juni-Sonnenschein herausgearbeitet haben, seinen Namen zwar nicht zu Ehren des Heiligen von Tours, sondern leitet sich von seinem Erfinder, dem Hersteller von Kompressor-Tonfolgeanlagen und Eigner der „Deutschen Signal-Instrumenten-Fabrik Max B. Martin“ her. Aber es wurde in – na klar! – in Mitteldeutschland erfunden, genauer im „Musikwinkel“ Markneukirchen und spielt eine reine Quarte, ist also bestens geeignet, das klassische Martinslied für Sänger aller Altersstufen anzustimmen. (Man kann auf diese Quarte natürlich auch „Ich hab’s notiert“ singen).
So daß ich dieser Tage stets hochgestimmt durch die Gegend laufe und mir ausmale, wie wir im Novemberregen im Schutz der neuen Kulturfeuerwehr durch die abgesperrten Straßen laufen und mit Unterstützung unseres Gemeindereferenten, vieler vieler Kindergruppen, aber auch altersgemischter Chöre Martinslieder singen.
Das wird schön! 🙂
Cornelie Becker-Lamers
PS: „Kompetenz-zentrum Kultur-gut-schutz“, Kompressor-ton-folge-anlagen“ und, mein Liebling: „Folge-ton-horn“ – die deutsche Sprache ist und bleibt unschlagbar in ihrer weltweit anerkannten Fähigkeit zur Bildung verbundener Wörter und Ausdrücke 😉
Aber was man auch dabei schon wieder so en passant alles lernt: Die Folgetonhörner anderer Länder sind nämlich auch des Hinhörens wert. Ich wußte z.B nicht, was Rossini mit den Schweizer Postbussen zu tun hat. Hat er aber; lesen Sie hier! 😎
Gereon Lamers
4 Kommentare
veto!
„Sankt Martin sahankt Martin“ kann ich mit Quart aufwärts singen, „Deutschen Signal-Instrumenten-Fabrik Max B. Martin“ aber nicht.
Lieber Thomas! Vielen Dank, daß du so mitdenkst. Du hast natürlich vollkommen Recht. „Deutschen Signal-Instrumenten-Fabrik Max B. Martin“ erfordert eine weitaus kompliziertere Vertonung – ich könnte mir da etwas in der Art des genialen gregorianischen „Reno erat Rudolphus“ vorstellen, das Eyolf Østrem vor 800 Jahren komponiert hat, hier http://oestrem.com/thingstwice/2013/12/reno-erat-rudolphus/.
Vgl. übrigens auch hier https://www.pulchra-ut-luna.de/2015/12/das-unterstanding-44-ein-sketchlet-zum-4-advent/
@PS: „Komposita“. Man nennt diese verbundenen Wörter „Komposita“ 😉
Du meinst: „Kom-posita“ ? 😉
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