Rückschau auf das Chorfest der pueri cantores am 5. Mai auf dem Erfurter Domberg, Teil 2/2
Gepredigt hat der Bischof in der anschließenden Messe im Dom sehr sinnvoll und erbaulich. Er warf dabei ein paar Schlaglichter zur Rolle der Musik im Verlauf der Liturgiegeschichte – sehr schön!
Wenn ich das richtig rekonstruiere (ich hatte mir ein paar Notizen gemacht und dies hier recht zeitnah niedergeschrieben), ging es los mit der Erklärung, daß die frühen Christen, um sich von den hochemotionalisierten Mysterienspielen abzugrenzen, überhaupt keine Musik im Gottesdienst wollten. Weil Musik eben Emotionen weckt. Erst Clemens von Alexandrien verhalf unter Rückgriff auf König David, den Psalmensänger, im dritten Jahrhundert der Musik in der Kirche wieder zu ihrem Recht. „Aber“, so schärfte uns unser Bischof ein, „es ist entscheidend, was wir singen“. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich habe das nämlich so verstanden, daß alle Priester in ihren Gemeinden unbedingt für Kinderchöre sorgen sollten, eben weil sie keine Musikschule sind und es in kirchlichen Kantoreien um so unendlich viel mehr geht als um die Ausbildung der Stimme. Nur in den Chören ihrer Pfarrei haben die Priester Einfluß auf die geistlichen Inhalte der Lieder und das Erscheinungsbild der Kinder. Und gerade Priester, die einen emotionalen Zugang zum Glauben vermitteln möchten, sollten, da die Musik Emotionen weckt (s.o.) die Musik in ihrer Pfarrei mit allen Mitteln fördern. Aber das ist jetzt wie gesagt meine Interpretation. Bischof Ulrich fuhr mit Cyprian von Antiochien fort, welcher die Harmonie der vielen Stimmen gepriesen hatte. Darin pflichtete Cyprian Athanasius von Alexandria (gerade mal wieder zur Verbannung in Trier) bei, indem er hervorhob, daß beim Gesang so viele Stimmen wie eine einzige klingen könnten.
Hier schlug der Bischof einen Bogen zurück zum Anlaß der Zusammenkunft und lobte die Arbeit der Chorleiterinnen und Chorleiter. Denn Harmonie ergebe sich im Singen doch nur, wenn die Gruppe auch menschlich harmoniere, es also eine feste Gemeinschaft gebe. Wo ich aus eigenen Erfahrungen in hastig zusammengewürfelten Projektchören nur vehement beipflichten kann: Es geht nichts über das kontinuierliche gemeinsame Musizieren.
Als Gemeinschaft hatte sich unser Grüppchen dann auf dem Rückweg bei der Abfahrt – oder besser gesagt: der Nicht-Abfahrt unseres Zuges zu bewähren. Nach ausführlicher Übergabe des Staffelstabes zur Organisation des nächsten Chorfestes des Regionalverbandes Ost, zu welchem wir für den 16. Mai 2020 nach Dresden eingeladen sind, und noch ausführlicheren Dankesworten war es halb sechs durch, als das Chorfest zu Ende war.
Um 17.45 standen wir auf dem Domplatz und stellten fest, daß unser Zug um 18.02 oder dann eine ganze Weile nicht fahren würde. Ich sagte, das schaffen wir nicht, nicht als Gruppe! Aber wir machten uns auf den Weg, liefen schneller und schneller und nutzten jede uns bekannte Abkürzung, um tatsächlich um 18.00 etwa am Bahnhof zu sein. Die Kinder und Jugendlichen waren voraus gelaufen, aber eine begleitende Mutter, die die beiden jüngsten Teilnehmer anzutreiben hatte, hatte am Ring die Grünphase verpaßt und ich lief wie ein Hundchen zwischen den vorauseilenden Jugendlichen und unseren Schlußlichtern hin und her. Mit meinem wehenden pueri-cantores-Schal und meinem Rucksack auf dem Rücken muß ich einigermaßen lustig ausgesehen haben – aber der Zweck heiligte in diesem Fall eindeutig die Mittel! Mit schwindenden Kräften erreichten wir Nachzügler den Bahnsteig – natürlich erstmal Gleis 8 und nicht Gleis 8a, was ein Riesenunterschied ist! – glücklich um 18.02 oder 18.03 und hätten vom dort wartenden Zug genau die Rücklichter gesehen, hätte der Rest der Truppe sich nicht mit wildentschlossenen Mienen in den Waggontüren aufgebaut und das Schließen der Türen verhindert. Gute Aktion! Danke, Kinder!
Im Zug, und zwar im komfortablen Sofabereich eines abellio-Regionalzugs kamen wir dann, unsere Wegzehrungs-Päckchen auf dem Schoß, natürlich auf das eine oder andere Detail zu sprechen. Eine Sache, die auch die Kinder ermüdet hat, möchte ich hier festhalten. Es geht um den Applaus. Sicherlich in der besten Meinung forderte – leider auch hier vor dem Schlußsegen – der Chorfestdirigent so lange und zu so vielen Themen zum Applaudieren auf, bis man sich die ganze Dankbarkeit, die beim Singen und im Verlauf der Messe gewachsen war, wieder aus dem Leib geklatscht hatte. Zunächst einmal sollten die Kinder sich selbst beklatschen – was ich sehr schwierig fand, denn bis gerade hatten wir die Ehre Gottes im Kopf und in den Herzen gehabt. Dann ging es um die Betreuerinnen und Betreuer. Um alle Chorleiterinnen und Chorleiter. Um einige besondere Chorleiterinnen und Chorleiter. Und deren Ehefrauen und Ehemänner. Alle namentlich. Es ging um einige besondere Chöre – ein Extra-Applaus für diese und jene, jeweils einzeln. Es wird einem schon in der Aufzählung zu viel, und nun stellen Sie sich jeden Punkt mal 10-15 Sekunden Applaus und Gejohle vor. Es durfte ja auch nicht irgendwann weniger werden, der Applaus, das wäre ja gemein demgegenüber gewesen, der gerade genannt worden und doch offenbar ganz wichtig für uns alle gewesen war. „Irgendwann klatscht man nur noch, weil alle klatschen“, wie ein Kind auf der Rückfahrt ganz richtig bemerkte: Die Kraft zu echter Dankbarkeit ist nach so vielen Anläufen erstmal erloschen. Dem Pianisten wurde applaudiert. Dem Domorganisten. Der Seelsorgeamtsleitung. Den Bläsern. Den Maltesern. Dem Küster. Der Layouterin des Chorheftes. Es wurde sogar für die Finanzabteilung geklatscht, weil sie unser aller ihr anvertrautes Geld auch hier und da einmal weiterverteilt. Und das absurdeste (was man aber immer wieder beobachten kann): Dem Bischof wurde gedankt, daß er die Messe abgehalten hat. Hallo? Was denn sonst? Ich dachte, Priester haben sich verpflichtet, jeden Tag die Messe zu lesen, und ein Bischof wäre ja wohl keinen Pfifferling wert, wenn er zu einer solch missionarischen Veranstaltung nicht aus eigenem Antrieb seinen Teil beitragen wollte. Aber den Lieben Gott und damit den missionarischen Impuls der ganzen Geschichte hatten zu diesem Zeitpunkt, so schien mir, sowieso alle vergessen. (Ich hoffe, solche Dankes- und Applaus-Serien nisten sich nicht plötzlich auch in den Festgottesdiensten unserer Pfarrei ein …).
Bitte, bitte, liebe Oranisator*innen in der Zukunft: Weniger ist in diesem Falle mehr! Wir treffen uns und singen zur Ehre Gottes und alle, die sich daran beteiligen dürfen, haben durch die Freude an den Arbeit ihren Gotteslohn (und im einen oder anderen Fall auch ihren Monatslohn) bereits empfangen! Applaus für liturgische Gestaltung ist fehl am Platz und bleibt es noch im aufwendigsten Event.
Schließen wir also nicht mit dem Applaus, sondern mit einem Blick auf die singenden Kinder und Jugendlichen, die, wie Eltern mir bestätigten, doch insgesamt ganz beschwingt zuhause ankamen!
Ach ja: Darum ging’s im pueri cantores Chorfest auch… Um eine Stelle aus Wagners Parsifal (Parsifal! 😉 ) – im Vorspiel z. B. ab Minute 13.33, im Verlauf der Oper aber noch häufig, denn es ist das Leitmotiv des Heiligen Gral.
Enjoy! 🙂
Cornelie Becker-Lamers
P.S.: Möge die Zukunft die Möglichkeiten zur kontinuierlichen musikalischen Arbeit in Weimar geben, von der ich im Text sprach, und zwar sowohl im Bereich der Kinder- und Jugendseelsorge, als auch bei den Erwachsenenchören. Am 5. Mai sind 15 Kinder und Jugendliche aus drei Gruppen nach Erfurt gefahren (Ich glaube, aus Schirgiswalde waren es wieder mehr …). Das widerspricht aufs Krasseste dem Potential unserer Pfarrei und dem Anspruch, der, weil um dieses Potential natürlich jeder weiß, von außen an die Strahlkraft unserer Gemeindearbeit herangetragen wird. Ich bitte Sie, liebe Leser aus der Weimarer Gemeinde, helfen Sie nach Kräften mit, daß die Rahmenbedingungen unserer Arbeit sich in Zukunft verbessern! Bitte! Kommen Sie selber in den Kirchenchor und machen Sie Werbung bei den Kindern und Jugendlichen. „Musik“, wie mir unlängst ein auswärtiger Theologieprofessor schrieb, dem ich eines meiner Lieder zugesandt hatte, „Musik ist ja doch allemal ein Türen- und Herzensöffner.“ In der Tat, das ist sie! Ich bitte Sie: Sprechen Sie von der Musik, die in den Messen und Andachten immer so viel echte und anhaltende Freude erzeugt. Helfen Sie besonders der Kinderchorarbeit!
Damit aus den Weimarer pueri cantores nicht vollends poveri cantores werden.
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[…] aber, wie wir seit dem pueri cantores-Fest aus der Predigt Bischof Ulrichs wissen, entscheidend ist, was man singt, halte ich es bis heute lieber mit dem Lied […]
[…] Namentlich für die musikalische Arbeit sollte diese Wertschätzung nicht verborgen bleiben: Beim Einzug der Priester und Ministranten, des Bischofs, der Kommunionkinder oder Firmlinge in die Messe – stehen da Kinder oder erwachsene Gemeindemitglieder am Rand, die stumm Bilder in die Höhe halten? (Stellen Sie sich das mal bildlich vor! ?) Oder wird Musik gemacht? Richtig: Es wird Musik gemacht! Affirmation und Jubel drücken sich in Musik aus – durch die Musik der Orgel, der Choralschola, eines Chores und/oder eines Orchesters. Von daher kann sich die Unterstützung der gemeindlichen Aktivitäten nie bloß auf die Bildende Kunst beschränken, sondern muß die musikalische Arbeit, das gemeinsame Singen gerade von Kindern und Jugendlichen ganz deutlich in den Fokus rücken. Denn, wie Bischof Ulrich anläßlich des Chorfestes der pueri cantores am 5. Mai 2018 im Erfurter Dom betonte: „Es ist entscheidend, was wir singen.“ […]
[…] auf einem katholischen Blog rechtfertigt: Das Zitat unseres Bischofs: „Es ist entscheidend, was man singt“ und die Gedanken, die ich schon beim Bericht über das Treffen der pueri cantores in Erfurt im […]
[…] der Kirche – die Meßfeiern mit Kantorendienst, Chor- und Gemeindegesang! Musik – das weiß man nicht erst seit Benedikts XVI. vehementem Eintreten für die Kirchenmusik – Musik ist nicht der […]
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