Es ist ja alles gar nicht so einfach! Vor allem mit Veränderungen. Nehmen wir als Beispiel nur unseren Pfarrbrief (hier können Sie ihn herunterladen). Da haben wir uns nun also daran gewöhnen müssen, daß er auf einmal zu einem völlig ungewohnten Zeitpunkt eintraf (PuLa berichtete). Schön ist er geworden, viele gute und informative Bilder, am schönsten und wichtigsten natürlich das Titelbild: Unsere zurückgekehrte Madonna! (PuLa berichtete über ihren Auszug)
Diesen ersten Schritt im mutigen und notwendigen Projekt der Restituierung unserer Seitenaltäre müssen wir bei Gelegenheit auch noch einmal richtig würdigen!
Viel gravierender als den veränderten Zeitpunkt aber, und überaus erfreulich!, fanden wir die Tatsache, daß es in diesem Pfarrbrief keine anonymen Beiträge mehr gibt! Wenn man das mit der ja nicht gar so fernen Vergangenheit vergleicht, wo in dieser Veröffentlichung, die ja uns allen gehört, wahre Ungeheuerlichkeiten de facto unzurechenbar verbreitet wurden, erkennt man, was alles geschehen ist, seitdem!
Aber es hat sich ja noch viel mehr getan, in diesen Seiten! Ja, es ist nicht übertrieben festzustellen, daß eine völlig neue Qualität von Texten Einzug gehalten hat: Die Satire!
Doch, wirklich, und das auch noch sozusagen ohne Ansage, quasi getarnt. Und da dachten wir bisher immer, wir seien die einzigen, die auf diese Weise über pfarrliche Themen in Weimar schrieben. Tja, „Donnerwetter“, würde meine liebe Frau bestimmt an dieser Stelle sagen. 😉
Der Text, um den es geht, findet sich auf der Seite 5 des Pfarrbriefs und beschäftigt sich mit dem sog. „Kirchortrat“.
Nun muß ich ganz flink der allerdings naheliegenden Annahme entgegentreten, jeder Text, der sich mit dem sog. „Kirchortrat“ befasse, könne ja nur Satire sein, denn das ganze Gremium sei doch, wie man umgangssprachlich so schön sagt, ohnehin „ein Witz“.
Freilich, die letztlich nichts weniger als demokratietheoretischen Bedenken gegen die abenteuerliche weil schlicht nicht vorhandene Bestimmung, d.h. Abgrenzung, der Wählerschaft dieser jeweiligen Gremien, bestehen fort und als diesbezügliche Fragen auch von Weimarer Pfarrkindern eindringlich gestellt wurden, da half an jenem unvergeßlichen Abend weder der Versuch von Pfr. Gothe, sie wegzu-lachen, noch derjenige von Frau Dr. Rademacher, sie wegzu-kichern in der Sache irgendwie weiter. Es ist und bleibt in diesem Zusammenhang ja überaus bezeichnend, daß dort, wo es „wirklich um etwas geht“, um Geld nämlich, also beim Kirchenvorstand und dessen Wahl, niemals jemand auf so eine verrückte Idee gekommen ist; glücklicherweise, denn dort haben wir ja auch die Schnittstelle zum weltlichen, zum Staatskirchenrecht, und jeder weltliche Jurist und demokratisch geprägte Verwaltungsangehörige könnte eine Situation, wie sie die Wahl zu den Kirchorträten hinterlassen hat, beim Gegenüber auf der kirchlichen Seite auf keinen Fall akzeptieren!
Aber das können und wollen wir den Menschen, die sich je und je vor Ort für pfarrliche Belange einsetzen möchten, und also haben wählen lassen, natürlich nicht vorwerfen, es gab und gibt ja keine Alternative, jedenfalls keine offizielle.
Schauen wir also lieber auf den Beitrag: „Aus dem Kirchortrat Herz Jesu“, der, wie es in der ersten Zeile heißt, „ über die Arbeit des Kirchortrates Herz-Jesu berichten“ möchte.
Ein sehr naheliegender Beginn und nun erwartet man doch (wie es nebenan, auf der Seite 4, im Bericht aus der Arbeit des Kirchenvorstands auch der Fall ist) eine Auflistung dessen, was in den 18 Monaten seit der Wahl erfolgreich abgeschlossen werden konnte, was vielleicht auch nicht gelungen ist, und was es denn so an Projekten für die Zukunft gibt, nicht wahr? Aber weit gefehlt!
Der Text setzt stattdessen ein mit der Beobachtung: „Manche vermissen vielleicht ausgehängte Protokolle oder Veröffentlichungen anderer Art über unser Treiben.“! (sic)
An dieser Stelle müssen wir (bevor wir selbstverständlich auf die „Protokolle“ etc. zurückkommen) einhalten, liebe Leser, denn was nun folgt, ist ein Gebilde von beinahe aufreizender Komplexität, ein Text, der ohne das richtige Vorverständnis fast herme(s)tisch 🙂 ist. Eben weil es sich ganz offenbar um den Versuch handelt, Satire zu schreiben. Satire, das ist ja uneigentliches Formulieren, d.h., um die jeweilige Aussageabsicht zu erreichen, sagt oder schreibt man eben nicht, was man eigentlich meint, sondern etwas anderes, häufig sogar das Gegenteil.
Und nun muß ich leider sagen, man merkt unserem Text an, daß die Autorin darin noch nicht soo geübt ist. Der Text geht nämlich, trotz wirklich guter Ansätze, in seinem uneigentlichen Charakter nicht weit genug. Oder, um es anders zu formulieren: Da steht nicht deutlich genug, was nicht gemeint ist, um klar zu machen, was wirklich gemeint ist.
Klingt kompliziert? Ist es auch, aber Sie haben ja uns an ihrer Seite, PuLa, das mit jeder Form von Kirchensprech, in aller Bescheidenheit, doch einige Erfahrung hat. Wir kriegen das schon hin! Und zwar in Form einer ‚doppelten Übersetzung‘. Das heißt: Wir werden die vier (-einhalb) inhaltlichen Elemente unseres kleinen Textes in einem ersten Schritt von ihrer Zögerlichkeit befreien, also in der ersten ‚Übersetzung‘ deutlich machen, was da eigentlich stehen müßte, um den satirischen, den uneigentlichen Charakter wirklich herzustellen. Und dann im zweiten Schritt, der zweiten ‚Übersetzung‘, klarmachen, was natürlich eigentlich gemeint sein muß.
Los geht‘s!
Element 1, Protokolle und Arbeitsweise
Original:
Manche vermissen vielleicht ausgehängte Protokolle oder Veröffentlichungen anderer
Art über unser Treiben. Das Dekret über die Filialgemeinden im Bistum Erfurt geht nicht
weiter ins Detail, was die Arbeitsweise der Gremien angeht. Nach eingehenden
Beratungen und einem Hinweis aus dem Ordinariat in Erfurt, hat sich der KOR Herz-
Jesu dazu entschlossen, an dieser Situation nichts zu ändern und verzichtet bis auf
weiteres auf eine Geschäftsordnung.
Was da als Satire stehen müßte:
„Das fehlte gerade noch, daß wir uns von irgend jemandem kontrollieren lassen sollten! Wo wir schon nicht so genau wissen, wer uns eigentlich wählen durfte, wem gegenüber sollte man denn da Rechenschaft ablegen, hm? Nein, nein, das haben die in Erfurt schon gut hingekriegt, daß sie uns diese dämliche Vorschrift erspart haben, die es für den ollen Pfarrgemeinderat noch gab, die Armen. Jetzt, wo endlich wir dran sind, werden wir uns bestimmt nicht dabei überprüfen lassen, von uns aus bleibt das bitteschön auch in Zukunft genau so!
Was eigentlich gemeint sein muß:
„Es ist uns unendlich peinlich, daß wir in der Wahrnehmung eines öffentlichen (Ehren-) Amts niemanden wissen lassen, was wir tun! Wir haben lange drüber geredet, aber dann haben sie es uns aus Erfurt derart deutlich „nahegelegt“, es bloß zu lassen („Sie würden nur für alle andere Kirchorträte im Bistum ‚die Preise verderben‘ und außerdem: Sie sind Weimar! Haben Sie mal überlegt, wer da als nächstes was drüber schreibt? Na also, das wollen wir ja mal gar nicht, oder? Halten Sie also bloß die Füße still, klar?!“) Wir arbeiten aber dennoch weiter dran, nach einem Weg der Information zu suchen, versprochen!“
Element 2, (Keine) Arbeit im Verborgenen
Original:
Im Verborgenen wollen wir aber nicht arbeiten, deshalb bieten wir in unregelmäßigen
Abständen - an großen Festtagen - einen Infotisch an. Dort stehen immer zwei Vertreter des Kirchortrates bereit, um auf Fragen zu antworten, Anregungen entgegenzunehmen und Informationsmaterial über die Gemeinde zu verteilen. Bitte nutzen Sie diese Möglichkeit mit den Vertretern Ihrer Gemeinde in Kontakt zu treten.
Immer wenn Sie diese Ankündigung sehen, möchten wir gerne angesprochen werden.
Was da als Satire stehen müßte:
„Naja, irgendwie müssen wir ja aber immerhin gelegentlich so tun, als würde uns interessieren, was der Rest der ‚Gemeinde‘ so denkt, seufz! Schlimmstenfalls kommen auch noch neu Hinzugezogene an, die am Ende auch noch neue Ideen haben, oje, oje! Aber so ein Infotisch ist gut, da müssen immerhin erstmal die auf uns zukommen - und nicht etwa umgekehrt. Und an großen Festtagen ist überhaupt der Trick, da haben die Leute ja bekanntlich am wenigsten Zeit überhaupt. Aber zur Sicherheit besser auch noch ‚unregelmäßig‘, merkt eh keiner, daß zwar nicht alle Feste auf den gleichen Tag fallen, aber dennoch sehr wohl ‚regelmäßig‘ sind; und an jedem ‚großen Fest‘ kann man das ja sowieso nicht machen, wissen Sie, wie viele Hochfeste es im Kirchenjahr gibt? Das geht ja gar nicht!
Und, nur daß wir uns richtig verstehen, zu diesen Gelegenheiten ‚möchten‘ wir angesprochen werden - d.h., zu anderen Zeiten lassen Sie ‚die Vertreter Ihrer Gemeinde‘ aber bitteschön auch in Ruhe, ja?!“
Was eigentlich gemeint sein muß:
„Wir wissen schon, der Infotisch kann nur eine Krücke sein und wir arbeiten konkret dran, auch andere Formen zu entwickeln, von uns aus auf Menschen zuzugehen, gerade auf neue Gesichter und besonders solche, die an ‚ganz normalen Sonntagen‘ immer wieder treu erscheinen. Was sich hier entwickeln muß, ist aber eine ganze Kultur, denn allein wir Mandatsträger können es auch nicht schaffen, aber wir sehen unsere Vorbildwirkung und wir wollen versuchen, für diese Aufgabe auch Jugendliche zu begeistern und mit allen zusammenzuarbeiten, die vielleicht ein anderes Kirchenbild haben als wir, aber unter Umständen gerade deshalb Menschen ansprechen können, die wir nicht erreichen - viele Charismen, eine Kirche!“
Element 3, (Keine) Bloße Selbstbeschäftigung
Original: Ganz einfach ist uns die Arbeit in diesem neuen Format des Kirchortrates nicht
geworden; deshalb hatten wir im April einen Klausurnachmittag und haben mit Hilfe
eines Referenten unsere Arbeit in Anspruch und Wirklichkeit reflektiert. Außerdem
haben wir zur Unterstützung Katharina Hille in unser Gremium berufen und freuen uns
sehr, dass Sie [sic] bereit ist, mitzumachen.
Was da als Satire stehen müßte:
„Das ist geradezu befreiend, daß die Erwartungen an unser Wirken derart gering sind! Gut, bei dem Vorgängergremium… Die Ärmsten, halb haben sie nicht gedurft und halb wollten sie sich von sich aus nicht trauen, das Richtige zu tun, naja. Aber so konnten wir uns immerhin schön in Ruhe mit uns selbst beschäftigen. Reflexion in Anspruch und Wirklichkeit, jaha! Gut, mit der Wirklichkeit war’s schwierig, denn was sollte da reflektiert werden? Nur gut, daß es in der deutschen Gremienkirche für wirklich alles Seminare und Referenten, Pardon!, Referentinnen und Referenten (soviel Zeit muß sein!) gibt. Irgendwo muß das Geld ja hin, solange es noch fließt, sonst kommt am Ende jemand auf die Idee, es für Katechese oder so‘n altmodischen Kram auszugeben. Dafür haben wir ja heutzutage schließlich „Handreichungen“, da kann sich jeder selbst was denken, vorwiegend, das, was er will, aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls hat uns diese Klausur in der Wahrnehmung unserer eigenen Machtvollkommenheit doch sehr gestärkt und so haben wir uns gleich mal ein bißchen vergrößert, uns, also die Personenanzahl, nicht die Projektanzahl, indem wir, jaja, wir!, Pfarrer brauchen wir da nicht dafür!, ein weiteres, neues Mitglied berufen haben; also, ‚neu‘ ist es eigentlich eher nicht, aber Sie wissen schon, und so ein bißchen Kontinuität ist ja auch was schönes.
Was eigentlich gemeint sein muß:
Ehrlich, es war hart bisher: Als wir anfingen, haben wir gemerkt, nicht nur ist der Wahlmodus der Kirchorträte sehr problematisch, nein, ihre tatsächliche Rolle ist ja noch unbestimmter, als es die der Pfarrgemeinderäte war. Da haben wir schon mal auch nach innen schauen müssen. Natürlich haben die schönen Theorien irgendwelcher Externen uns nicht weitergeholfen, wie sollten sie auch, immerhin ist die Situation in Weimar aus bekannten Gründen ja wirklich eine besondere. Uns ist erneut bewußt geworden, ohne substantielle Aufarbeitung wird es nicht gehen, auch wenn wir das nicht alleine leisten können. Aber auch deshalb kann ein ehemaliges PGR-Mitglied vielleicht helfen. Wirklich helfen wird jedoch nur die Konzentration auf den Inhalt, auf das, was uns alle verbindet, und auf Formen der Betätigung, die das deutlich machen können. Mal schauen, am Ende haben sich ja doch noch nicht alle abschrecken lassen, sich z.B. ernsthaft und auf breiten Schultern mit dem Thema ‚Musik‘ zu beschäftigen, wir wollen es jedenfalls versuchen!
Element 4, (Praktische) Unterstützung bei der RKW
„Schließen möchte ich mit der Bitte um Unterstützung bei der diesjährigen RKW. Helfer
für Vieles werden immer gebraucht; Kuchen backen, basteln und andere kreative
Angebote machen, Betreuung z.B. bei der Wallfahrt nach Erfurt übernehmen, beim
Aufbau und Aufräumen zu helfen und manches andere. Nehmen Sie Kontakt mit uns
oder dem Pfarrbüro auf.
Erholsame Sommerferien und einen guten Start ins zweite Halbjahr wünscht Ihnen der
Kirchortrat Herz Jesu Weimar.“
[Unterschrift]
Was da als Satire stehen müßte:
„ Ach, die RKW! Ja, das ist unser Vorzeige- und unser Lieblingsprojekt! Hat sich wirklich gelohnt, da unter dem alten Regime doch ein Mal Courage gezeigt zu haben! Heute haben wir sie jedenfalls fest in der Hand und wer immer sich bisher erdreistet hat, etwa noch gestalterisch mitreden zu wollen, dem haben wir das ganz schnell ausgetrieben, aber ganz schnell! Wo kämen wir denn dahin? Wir haben die richtigen Vorstellungen darüber, wie mit Kindern umzugehen ist, wer sich zu deren Betreuung eignet und vor allem, was denen Spaß macht und wohin gefahren wird! Und genau deswegen (und damit es nicht so auffällt, Sie wissen schon…), dürfen sich gerne alle anderen „praktisch“ und „konkret“ engagieren; von ‚Kuchen backen‘ bis ‚Aufräumen‘ (immer gern gesehen!), das übliche Programm halt, wie beim Gemeindefest, nur eben für die Kids. Und besonders schön sind ja immer „kreative Angebote“! Das ist überhaupt ganz wunderbar: macht in der Vorbereitung eine Riesenmenge Arbeit, der Anbietende ist auch wenn‘s dran ist gut beschäftigt, mit dem Aufräumen noch einmal und so kommt er gar nicht auf die Idee, daß er aber auch gar nichts zu sagen hatte! Wie gesagt, ganz wunderbar, ein Zauberwort, das Wörtchen ‚kreativ‘, hihi!
Was eigentlich gemeint sein muß:
„Was die RKW angeht, so sind wir wirklich glücklich darüber, daß diese gute Tradition aus „Ostzeiten“ sich weiterhin als so lebendig erweist. Damit das auch in Zukunft so bleibt, werden wir sehr selbstkritisch unsere jetzige Art, die RKW zu betreiben unter die Lupe nehmen und werden uns nach Kräften darum bemühen, sowohl in der Konzeption wie in der Durchführung ausgetretene Pfade in Frage zu stellen, aber auch zu gucken, was sich schon in der Vergangenheit besonders gut bewährt hat. Dafür brauchen wir Hilfe, von Jüngeren und von allen guten Willens, egal, wo sie herkommen. Wir versprechen, wirklich zuzuhören, denn was wir definitiv nicht brauchen, ist eine Art „Gemeindefest light“, bloß für Kleine. Nein, auch hier muß es letztlich um Inhalte gehen, müssen doch gerade auch unserer Kleinen und Kleinsten in der Umwelt, in der sie nun einmal aufwachsen, sehr bald „Auskunft geben, nach dem Grund ihrer Hoffnung“. Wenn sie dazu etwas in fröhlicher Atmosphäre vermittelt bekommen, wird es besonders gut halten!“
Sehen Sie, liebe Leser, es hat ein wenig gedauert, weil sich der Text aufgrund des gewählten Verfahrens ja sozusagen verdreifachen mußte, aber dafür verstehen wir ihn jetzt besser und Sie hatten hoffentlich ein bißchen Spaß an der Satire, wie sie hätte sein sollen! Wie gesagt, da ist noch Luft nach oben, obwohl ich wiederholen möchte: Gute Ansätze, sehr gute Ansätze! Vor allem der Satz: „Immer wenn Sie diese Ankündigung sehen, möchten wir gerne angesprochen werden“ aus Punkt 2, hat mir sehr gut gefallen; das hat Potential!
Aber vor allen Dingen wissen wir jetzt erheblich besser, was uns unser Kirchortrat eigentlich hatte sagen wollen, oder?
Gereon Lamers
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