Schlaglichter auf die Torgauer Kirchengeschichte.
Ein Beitrag aus der Reihe „PuLa unterwegs“
Eigentlich wollte ich ja nur etwas über das Bildprogramm der Torgauer Pfarrkirche „Schmerzhafte Mutter“ schreiben. Aber wie immer muß man etwas weiter ausholen. Torgau ist eine so unglaublich spannende Stadt!
Was bisher geschah:
Auch in Torgau, der „Amme der Reformation“, stand es einige Jahrhunderte lang schlecht um den katholischen Ritus. Wie in Weimar. Klar – derselbe Landesherr.
Halt! Stimmt ja gar nicht! Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes in der Schlacht bei Mühlberg Ende April 1547 gehörte Torgau doch mit zu den Gebieten, welche der ab dann nur noch „geborene Kurfürst“, der Ernestiner Johann Friedrich I., genannt der Großmütige, an seinen um 18 Jahre jüngeren Cousin, den Albertiner Moritz von Sachsen, abtreten mußte, weil Moritz sich auf die Seite des Kaisers geschlagen hatte. Vielleicht hatte Moritz die besseren Astrologen, die ja bis zum 17. Jahrhundert alle Befehlshaber vor ihren Schlachten berieten. Vielleicht war er aber auch nur deshalb nicht dem Schmalkaldischen Bund beigetreten, eben weil sein Cousin Mitglied war, mit dem er schon seit einiger Zeit Krach hatte (Stichwort Wurzener Fehde).
Wie gesagt, Torgau wechselte nach der Niederlage der Protestanten in die Herrschaft der Albertiner Wettinischen Linie. Leider hatte das keine Toleranz dem katholischen Bekenntnis gegenüber zur Folge. Denn auch Moritz, der „Judas von Meißen“, war ja bereits Protestant, und er blieb nur genau so lange auf der Seite des Kaisers, bis er seinem Ernestiner Vetter die gekreuzten Schwerter im Wappen abgejagt hatte. Und das erfolgte umgehend, der Kaiser war schnell.
Die Pfarr- und Hofkirche Beatae Mariae Virginis wurde zur Stadtkirche St. Marien und einer „grundlegend neuen Innenraumgestaltung“ unterzogen, zu deutsch: Fast 20 Schnitzaltäre und der gotische Hochaltar flogen raus und das Konterfei Martin Luthers wanderte in eins der Kirchenfenster.
(Aber wer wären wir, hier den ersten Stein zu werfen? Daß vor ziemlich genau 50 Jahren die Katholiken selber die Mehrzahl ihrer Kirchen, darunter die Weimarer Herz Jesu Kirche, ausgeräumt und die verzierten Wände überstrichen haben, haben wir ja schon mehr als einmal reflektiert, vgl. hier und hier. [Anm. der Red.: Allerdings ging es bei uns nie so weit, daß ein Glaskünstler einen Theologieprofessor im Kirchenfenster hätte verewigen sollen. Hm! Ob Benedikt Kranemann darüber schon einmal nachgedacht hat? Aber Spaß beiseite! Weiter im Text.])
Die Mönche wurden aus Torgau vertrieben, die Klostergebäude als Pferdeställe und Rüstkammer genutzt und die Franziskanerkirche profaniert. Heute dient sie dem benachbarten Gymnasium als Aula. Die dem Schutzheiligen der Händler und Seefahrer geweihte Nikolaikirche war, obwohl 1519 Schauplatz der ersten deutschsprachigen Taufe (die Hofkirche B.M.V. blieb den Reformatoren bis zum Tod des frommen Katholiken Kurfürst Friedrichs des Weisen im Mai 1525 verwehrt), schon 1529 einer „Nutzung für den städtischen Handel“ zugeführt worden. Auf den Stichen Matthäus Merians firmiert sie als „Mehlhaus“. Heute ist sie von Rathaus, Stadtpalais und Bürgerhäusern derart umbaut,
daß sie schlechterdings nicht sichtbar ist.
Und so führt sie denn weiterhin ihr Aschenputteldasein
, was sie freilich nicht hindert, sich allabendlich von den Täubchen die schönen Kleider bringen zu lassen, die ihre wahre Identität verraten – will sagen: in das zwischen Schloßkirche, Marienkirche und Nikolaikirche abgestimmte Angelusläuten einzustimmen. Ruckedigu. 😉
Und dann?
In den Napoleonischen Kriegen war Dresdens Herrscher, Friedrich August I. König von Sachsen, letztendlich nicht so klug wie sein Vorfahr im Schalkaldischen Krieg – man hatte in der Zwischenzeit ja auch die Astrologen bei Hofe abgeschafft – und so fielen beim Wiener Kongreß große Gebiete, darunter Torgau, an das siegreiche Preußen. Wie in Jena (damals mit Weimar eine einzige Pfarrei, so waren es auch in Torgau die katholischen Soldaten der Garnisonsstadt, denen man ab Mitte des 19. Jahrhunderts den Meßbesuch ermöglichte. (Schön ist ja in diesem Zusammenhang die hiesige Geschichte, daß man der Desertion beim Meßbesuch in Erfurt einen Riegel vorschieben wollte). Und so entstand am westlichen Stadtrand Torgaus eine Kirche, die der Rosenkranzkönigin geweiht war: „Maria zum Siege“ – auch „Unsere Liebe Frau vom siegreichen Rosenkranz“ genannt, Patronat eingedenk der Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober.
Fortsetzung folgt morgen
Cornelie Becker-Lamers
PS: Neben etlichen Infotafeln und den verlinkten Internetseiten fußt obiger Text insbesondere auf folgender Publikation: Torgau. Renaissancestadt an der Elbe und politisches Zentrum der Reformation, hg. von der Kulturstiftung Leipzig, Leipzig: Passage-Verlag 2015 [=Leipziger Blätter Sonderausgabe 14. Mai 2015], obige Zitate hierin S. 18 (zur Marienkirche) bzw. S. 13 (zu St. Nikolai); der erwähnte Merian-Stich findet sich ebd. S. 10f.
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[…] katholische Pfarrkirche „Maria zum Siege“ in Torgau (s. gestriger Beitrag) brannte 1906 über Nacht ab und riß Kinder und Schwestern des angebauten Waisenhauses in den Tod. […]
[…] gesagt: In Mühlberg waren wir von Torgau aus auch. Klar, das muß man ja mitnehmen, wenn man schon mal in der Gegend ist. Sie erinnern sich: […]
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