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Die Jahresfahrt des Bibelkreises (2/2)

Neues vom Maurusschrein

Kloster Tepla, dessen wertvolle, heute zu großen Teilen in Prag aufbewahrten Bibliotheksbestände in den Zeiten der Gebäudenutzung als Kaserne in einem Klosterflügel eingelagert und geschützt werden konnten, überraschte uns in der Tat und wäre, auch wenn wirklich nichts anderes mehr geklappt hätte, fast schon alleine eine Reise wert gewesen.

Kruzifix mit Chronogramm auf dem Klostergelände des Stiftes Tepl. Verschlüsselt ist die Jahreszahl 1708 (eigenes Bild)

Wir kamen gerade zu einer Führung in deutscher Sprache zurecht, die auch die derzeit in Renovierung befindliche Klosterkirche sowie die bereits restaurierte Bibliothek einschloß.

Sieh mal einer an! Die kennen wir doch! Wie nett! (eigenes Bild)

In Kloster Tepla (eigenes Bild)

Es war so irgendwie um den Mittag herum, als wir beschlossen, das Städtchen Petschau doch immerhin anzuschauen und vielleicht dort ein Restaurant für das Mittagessen zu finden. Also wieder rein in den Bus und über zuletzt sehr gesittete Straßenverhältnisse nach Petschau. Das malerisch auf einem Felssporn über der Tepl gelegene Städtchen mit Kirche und großer Burg- und Schloßanlage hielt mitten in der Stadt einen XXL-Parkplatz für unseren langen T5-Bus bereit und so schlenderten wir geruhsam Richtung Schloß – glaubten wir doch, durch unsere mangelnde Organisation alle Zeit der Welt zu haben.

Ankunft in Bečov, im Hintergrund das Schloß (eigenes Bild)

Aber weit gefehlt! Der Initiator unserer Reise, selber bereits ortskundig, hatte das Eingangsschild zum Schloß in Augenschein genommen und war angesichts einer handschriftlichen Notiz in nahezu jungenhafte Begeisterungsstürme ausgebrochen: Außer der Reihe war an diesem Mittwoch, dem 3. Oktober um 14.30 Uhr eine Schloßführung mit Besichtigung des Maurusschreins angesetzt.

Ich hatte, hinterherbummelnd, noch gar nicht begriffen worum es ging, als die Planungen der übrigen schon auf Hochtouren liefen: Es war halb zwei. Schon zwei Minuten drüber. Jetzt aber los! Wie würden wir zu neunt in einer Stunde etwas zu Essen bestellen, serviert bekommen, verspeisen und bezahlen können? Wir stürmten das nächstbeste Speiserestaurant – voll! Voll – bis auf einen großen Tisch!

Wenn der Frost brennt, fühlt sich der Thüringer zuhause. Gaststätte in Bečov nad Teplou (eigenes Bild)

Voll ja – aber alle aßen längst. Der Kellner behielt einen kühlen Kopf und versicherte uns: Wenn wir alle von der Tageskarte bestellen und während wir warteten schon bezahlen (Taschenrechner!) würden, wäre die Sache in einer Stunde vom Tisch. Gesagt – getan. Gesättigt und zufrieden mit uns und der Welt standen wir Punkt 14.30 Uhr vor dem Schloß und harrten voller Spannung der Dinge, die da kommen sollten.

Unsere Gruppe vor Schloß Bečov (eigenes Bild)

Wir wären nicht in Tschechien, wenn die Tatsache, daß man eine Extraführung wegen des Feiertags im nahegelegenen Deutschland anzubieten sich entschlossen hatte, die Organisatoren etwa bewogen hätten, selbige Führung in englischer oder gar in deutscher Sprache abzuhalten. Wortlos drückte man uns ein bebildertes Skript mit den notwendigsten Informationen in die Hand und wir waren in den Räumen des Schlosses auf uns selber gestellt. (Dem Wortlaut der Führung folgen konnte nur Professor Hentschel. Wie viele Sprachen spricht er eigentlich? Sechs? Oder acht? Irgendwas in der Größenordnung.)

Die Exponate sah man natürlich trotzdem (ein komplettes Modell des Schreins für Kinder; Beispiele der Restaurierungs- und Rekonstruktionsvorgangs) und die Erläuterungstafeln taten ein übriges, um uns auf das Erlebnis des Schreins, der sich uns im letzten Raum angestrahlt in abgedunkelter Umgebung unter Glas enthüllte, vorzubereiten.

Der Maurusschrein bei seiner Präsentation auf der Prager Burg 2015 (Bild: Wikimedia-Commons, User: Draceane)

Ein wirkliches Erlebnis! Ein kleines Haus aus Gold (also – vergoldetem Holz) mit Perlen und Edelsteinen besetzt. Einfach märchenhaft! Zwar ist der Schrein – anders als der Dreikönigsschrein im Kölner Dom, dem er von der Bauart her verwandt und etwa gleichaltrig ist – nun völlig jedem liturgischen Gebrauch entzogen. Aber ihn zu betrachten ist dennoch jeder Reise wert!

Das mit seiner Entstehungszeit zwischen 1225 und 1230 fast 800 Jahre alte Reliquiar wurde für eine Benediktinerabtei in Florennes gefertigt. Vor 130 Jahren wurde es, mittlerweile im Besitz der Herzöge Beaufort-Spontin, von Brüssel nach Bečov aufs Schloß der Familie transportiert. Vor der Flucht nach Ende des Zweiten Weltkriegs ließ man den Schrein im Erdreich unter dem Boden der Schloßkapelle vergraben, wo der Eichenkern 40 Jahre lang gut durchfeuchtete, bis der tschechoslowakische Geheimdienst aufgrund andeutungsarmer Nachfragen eines amerikanischen Schnäppchenjägers (ein gewisser Mr. Douglas bot 250.000 $, um einen nicht näher definierten Kunstgegenstand ausführen zu dürfen) nach einjähriger Suche am 5. November 1985 auf den Schrein stieß. Man verfrachtete das gute Stück in einen Banktresor, und die plötzliche Trockenheit tat ein übriges, um den Kern zu sprengen und das Reliquiar völlig zu zerstören.

Nach 1990 nahm man sich im Verein mit Experten aus Aachen (die den ebenfalls verwandten Karlsschrein kannten) 12 Jahre Zeit, um mit Hilfe z.T. eigens wiedererlernter Goldschmiedetechniken die restaurierten oder rekonstruierten Figuren und Medaillons auf ein neues Häuschen aus Nußbaum aufzubringen.

Und nun steht überall – in den Publikationen und im Netz –, daß der Schrein Stoffreste aus dem 8. und 9. Jahrhundert, vor allem aber Gebeine von mindestens drei Heiligen birgt. Johannes der Täufer ist dabei natürlich der bedeutendste, aber auch der Heilige Timotheus und St. Maurus sind dabei (daher ja überhaupt der Name des Reliquiars). Manchmal wird noch der Heilige Apollinaris genannt.

Was sich aber nur den Besuchern einer Führung im Schloß eröffnet, ist die Tatsache, daß der Schrein Gebeine einer Frau bewahrt. Neben den Fotografien von Oberschenkel- und Beckenknochen, die die musealen Schautafeln zeigen, stand mehrfach eindeutig zu lesen, es handele sich auch um Gebeine einer Frau, die etwa 1,50 m groß gewesen sein muß. Und: Sie hatte mindestens ein Kind geboren. 🙂 Gute Neuigkeiten!

Unsere Reise fand einen würdigen Abschluß – ja: Wir waren immer noch erlebnishungrig! – im Besuch des Städtchens Franzensbad.

Franzensbad mit seinen repräsentativen Jahrhundertwendebauten (eigenes Bild)

Hier überraschte uns vor allem die offene katholische Kirche Heilig Kreuz mit klaren Ansagen:

„Hut ab!“ – „Handy aus!“ Klare Ansagen in der Franzensbader Heilig-Kreuz-Kirche (eigene Biler)

„Wer kommt in die Hölle?“ Reine, unverfälschte Lehre in Franzensbad, Heilig-Kreuz-Kirche (eigenes Bild)

Franzensbad, Altar der Heilig-Kreuz-Kirche (eigenes Bild)

Mit Einbruch der Dämmerung machten wir uns auf den Heimweg und kamen gegen 20.00 Uhr in unserem Bonibus wohlbehalten zuhause wieder an.

Cornelie Becker-Lamers

PS: Natürlich entgeht man auch auf einer solchen Reise weder Goethe

Gedenktafel am Hotel Drei Lilien, Franzensbad (eigenes Bild)

noch Buchenwald. Denn eine kleine Ausstellung im Stift Tepl, die ich oben nicht erwähnt habe, informiert über den Chorherren und späteren Abt Herman Josef Tyl, der von 1943-45 in Auschwitz und Buchenwald, nach 1948 dann in einem kommunistischen Zwangslager in Prag interniert war.

Dokumentation einer Verfolgung: über das Leben des Praemonstratenser-Chorherren Abt Herman Josef Tyl in Stift Tepl (eigenes Bild)

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