„Lucia trägt das Licht schon im Namen“, sagt Pfarrer Gothe. Dieser Name kommt nämlich von „lux“. In der Tat steht die Heilige Lucia oder Lucia von Syrakus für den Brauch eines Lichterfestes, der jedenfalls vor das Jahr 1582 zurückreichen muß. In diesem Jahr nämlich führte Papst Gregor XIII in der Nacht vom 4. auf den 15. Oktober (der Todesnacht der Heiligen Teresa von Avila) die Kalenderreform vom Julianischen zum Gregorianischen Kalender durch und schob damit das Datum der längsten Nacht erst wieder auf das Weihnachtsfest. Die Verschiebung ihres Datums im Julianischen Kalender hatte den Lichterbrauch zum Fest der Heiligen begünstigt – obwohl er auch in ihrer Legende wurzelt: Soll sie sich doch, um kranken Christen (zur Zeit der Verfolgung unter Diokletian) Verpflegung in die Verstecke bringen zu können, einen Lichterkranz auf den Kopf gesetzt haben. (Lucia wäre demnach so ganz nebenbei auch noch die Erfinderin der Grubenlampe, bzw. Stirnlampe. 😉 )
Heute ist der Lichterbrauch, auszuführen durch die jeweils älteste Tochter einer Familie, in Schweden sehr lebendig. Ausgerechnet im protestantischen Schweden? Vielleicht, weil man in Skandinavien eben besonders unter den langen Winternächten und dem fast völligen Verschwinden des Lichtes leidet.
Jedenfalls Schweden. Jede Menge Erläuterungen zum Luciafest und eine glühende Verteidigung zur Erhaltung der Tradition finden fanden Sie hier, denn das Video ist inzwischen verschwunden… Es folgt ein offizielles Video des schwedischen Staats (auf englisch), das schön anzushen und ein bißchen selbstironisch obendrein ist 😉
Aber zu Lucia gibt’s nicht nur was für’s Auge, sondern auch für die Ohren: Neben dem Lichterbrauch hat sich in Schweden eine Tradition an mehrstimmigen Gesängen zum Luciafest herausgebildet, die von Studierenden der Musikhochschule Weimar vor einiger Zeit entdeckt und der Pfarrei – oder eigentlich der ganzen Stadt – seit drei Jahren zum Geschenk gemacht wird.
So war auch gestern – als Vorabend zum Luciafest – zwischen 18.00 und 18.45 Uhr eine Lichterfeier zu erleben. Als ich mich vielleicht zehn vor sechs in die Kirche begab, rechnete ich mit den typischen 30-50 Besuchern einer werktäglichen Abendandacht oder einer Roratemesse. Aber weit gefehlt! Die Kirche war voll und wurde bis zum Beginn der Lichterfeier, die sich als Konzert mit geistlichen Impulsen entpuppte, immer noch voller. Als ich die Schwingtür zum Kircheninneren zur Seite klappte, hatte ich den Eindruck, weniger einer Andacht als einem veritablen gesellschaftlichen Ereignis beizuwohnen. Denn beim Überfliegen der Menschenmenge hatte ich den Eindruck, wirklich andere Leute in der Kirche zu sehen als gewöhnlich zur Messe. Aber auch nicht nur Kommilitonen der Ausführenden – nein, alle Altersgruppen.
Pfarrer Gothe war genau darauf bereits eingestellt und begrüßte uns nicht im Namen des Vaters […], sondern mit „Liebe Gäste“. Und als er – als geistlichen Impuls eben, nachdem eine Studentin nach den ersten beiden Liedern bereits etwas zu Legende und Brauch der Lucia vorgelesen hatte – daran ging, das „Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt“ aus Jesaja 60 vorzutragen, kündigte er es als Prophezeiung an, die den Juden als Verheißung erschienen war und die die Christen in Jesus Christus erfüllt sehen. Man war also sichtlich um eine objektivierte Distanz bemüht.
Das änderte sich erst am Schluß, als Pfarrer Gothe wirklich als Priester in Erscheinung trat und einen christlichen Schlußsegen sprach – und dann auch endlich das Kreuzzeichen schlug. Fand ich sehr gut, daß das noch kam und die Stunde damit eben doch deutlich über eine reine Kulturveranstaltung hinaushob.
Der studentische Projektchor inszenierte die Lichterfeier genau so, wie es in Schweden Brauch zu sein scheint. Eine der jungen Frauen hatte sich genau so einen Kranz – oder soll man sagen: Gestell – besorgt, das die vielen Kerzen – echte Kerzen, die die ganze Zeit über brannten – sicher auf ihrem Kopf hielt. In einer langen Prozession schritt der 18köpfige Chor – seit Tagen des tapferen Kaplans Genau, jetzt Dechant in Dingelstädt, in der Weimarer Pfarrei eine nicht mehr gesehene Anzahl singender Jugendlicher – von der Sakristei im südlichen Seitenschiff nach hinten und durch den Mittelgang nach vorne und nahm auf den Altarstufen Aufstellung. Ein Video aus Göteborg vermittelt einen genauen Eindruck dieser Lucia-Züge:
Die Kirche war bis auf den Strahler im Altarraum abgedunkelt worden und nur durch die Kerzen der Sänger/innen und je ein kleines Windlicht in jeder Bankreihe erhellt. Die in perfekter intonatorischer Klarheit vorgetragenen Gesänge wurden mehrmals durch Instrumentalmusik im Folk-Stil ergänzt, wenn Blockflöte, Klarinette und Geige erklangen.
Wunderwunderwunderschön!
Ich kann diesen Abend, der hoffentlich auch in den folgenden Jahren wieder stattfinden wird, wärmstens empfehlen! Möge das Ereignis auch der kontinuierlichen musikalischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen der Pfarrei Auftrieb geben!
Cornelie Becker-Lamers
PS: Zur Abrundung dieser schönen Betrachtung gehört auch noch eine liturgische Notiz: Lucia gehört nämlich auch zu den Heiligen, die im Canon Romanus (heute auch als „erstes Hochgebet“ bekannt) erwähnt werden, genauer im ‚Nobis quoque‘, zu Ende des Gebets.
Diesen großartigen Text, der im novus ordo ja auf deutsch und laut gesprochen wird, hören wir traurigerweise viel zu selten, dabei überragt er an inhaltlicher Qualität die weitaus meisten anderen Hochgebete bei weitem, nicht zuletzt das unangebrachter Weise viel zu oft zu hörende „Hochgebet für besondere Anliegen II“, dieses problematische Konstrukt der 70er Jahre…
Vor drei Jahren, da schien es eine Zeitlang so, als würde sich das in Herz-Jesu-Weimar ändern und ich habe mich damals so gefreut! Jedoch ist nach meinem Eindruck diese Entwicklung leider schnell wieder zu einem Ende gekommen (und wenn ich mich täuschen sollte – niemand wäre darüber glücklicher als ich!!).
Warum nur? Haben da diejenigen gehetzt, die sozusagen ‚Latein auch dann nicht vertragen, wenn es auf deutsch ist‘?, diese armen Nostalgiker ihrer zerstobenen liturgischen und allgemein kirchenpolitischen Jugendträume?
Leider kann ich mir das gut vorstellen, daher lassen Sie uns gemeinsam die Hl. Lucia um ihre Fürsprache anrufen, daß gerade diese Menschen an ihrem Gedenktag erleuchtet (sic!) werden, damit ihnen die unzerstörbare Schönheit unserer Tradition aufscheine:
Hl. Lucia, bitte für uns!
Gereon Lamers
3 Trackbacks/Pingbacks
[…] diese Feier aus guter Erfahrung und verweisen zur Einstimmung auf unseren letztjährigen Beitrag, hier. Das Stoßgebet um bessere Bedingungen für die musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, […]
[…] wird oder darf – vielleicht in sehr sehr kleinen Gruppen? Dann ist diese gottesdienstliche Veranstaltung, die in den vergangenen Jahren durch Studierende der Weimarer Musikhochschule ausgerichtet wurde, […]
[…] haben hier auf PuLa schon verschiedentlich von diesem Projekt der Musikhochschule berichtet und können Ihnen den Besuch aus Erfahrung nur […]
Einen Kommentar schreiben