Der nächste Freitag für Frauen stellt Lieblingsbücher vor
Am morgigen 29. März lädt unsere Gemeindereferentin, Frau Rimestad, wieder zu einem „Freitag für Frauen“ ein. Dieses Mal soll es um „Lieblingsbücher“ gehen. Zu erwarten sind: Zugewandte Menschen, ausgesuchte, vermutlich selbstgemachte Getränke und allerlei leckeres Gebräu sowie ein umfangreicher Büchertisch (so war es jedenfalls bei den vorherigen Treffen – wenn wir nicht gerade Musik in der dunklen Kirche gemacht haben 😉 ). Da frühere Termine, etwa der zum Thema Nachhaltigkeit, schon ganz unvorhergesehenen impact hatten (Haarpflege!), werde ich unbedingt versuchen, den Termin wahrzunehmen und dann, falls es sich ergibt, die beiden Bücher von Edzard Schaper vorstellen, die sich in meinem Besitz befinden.
Schaper, dessen rastloses Leben im Grunde aus ständiger Flucht bestand – schon der Vater war aus polnischer Gefangenschaft mit seiner 13köpfigen Familie aus der Provinz Posen bis nach Niedersachsen geflohen – brach Gymnasium und Musikausbildung im Alter von 17 Jahren vor der Reifeprüfung ab und verdingte sich zunächst als Regieassistent in Stuttgart. Schon zwei Jahre später aber zog er nach Dänemark und widmete sich der freien Schriftstellerei. Es folgten Jahre als Gärtnereigehilfe und Matrose, bevor Schaper heiratete (und Vater zweier Töchter wurde) und nach Estland zog. 1936 – da war Schaper 27/28 – wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und der Verkauf seiner Werke in Deutschland damit unmöglich. Aufgrund seiner Tätigkeit für militärische Nachrichtendienste, aber auch aufgrund jüdischer Verwandter schloß sich eine veritable Verfolgung seitens der Sowjets wie seitens der Nationalsozialisten an, der Schaper durch die Flucht nach Finnland, dann Schweden und schließlich durch seine Übersiedlung in die Schweiz entkam.
Dort konvertierte Edzard Schaper 1951, mit 42/43 Jahren, zum Katholizismus – und dieser Geist ist es auch, den seine Romane und Erzählungen atmen und der seine Geschichten so faszinierend macht.
Ich stieß über Umwege auf seinen Namen, denn obwohl Edzard Schaper trotz seiner bewegten Lebensumstände literarisch unglaublich produktiv war und zu Lebzeiten etliche und hohe Auszeichnungen wie etwa die Verleihung der Ehrendoktorwürde, des Bundesverdienstkreuzes und etlicher Literaturpreise erfuhr, scheinen mir seine Werke derzeit in Vergessenheit geraten zu sein: Ein Anruf im Buchhandel bestätigt, daß von seinen über 40 Romanen und Erzählungen (der „Wikipedia“-Artikel zählt allein schon 40 auf und mir sind weitere bekannt) nur „Die Legende vom Vierten König“ im Verbund mit dem „Christkind aus den großen Wäldern“, einer anrührenden Erzählung von der finnisch-russischen Front des Kriegswinters 1942/43, lieferbar ist. Abhilfe schaffen wieder einmal nur die inzwischen allerdings über das ZVAB hervorragend vernetzten und auffindbaren Bestände unzähliger Antiquariate.
Über „Die Legende vom Vierten König“ kam denn auch ich auf den Namen Schaper. Ich war auf der Suche nach dem Ursprung díeser Legende (den ich allerdings immer noch nicht identifiziert habe) und fand Schapers Erzählung, in der er die russische Legende aufbereitet. Das für mich Auffallende an seinem Schreiben ist die schlichte Chronologie – es wird einfach erzählt, ohne Zeitsprünge und inhaltsschwere auktoriale Reflexionen. Und doch gelingt es Schaper aufgrund der Wahl seiner meist alltäglichen Stoffe und der Art seines Erzählens, die Lesenden so zu fesseln, daß man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Auffallend heutzutage auch die konsequent christliche Haltung oder gar „Botschaft“ (ja: diese Literatur hat, textimmanent und unaufdringlich, aber unüberhörbar eine Botschaft!) seiner Werke. Menschliche Schicksale werden beleuchtet vor dem selbstverständlichen Hintergrund christlichen Gedankengutes und Bewußtseins. Dabei wird zum Teil, etwa in der Erzählung „Unschuld der Sünde“, Religion und Kirche als Motor der Handlung explizit. Zum Teil vollzieht sich die Geschichte als Wirken Gottes oder explizit als Wirken Christi: ohne Kitsch herzzerreißend etwa der „Stern über der Grenze“. Die Erzählung wird hier zur Augenzeugin, der als solcher schlicht nicht widersprochen werden kann. Genial! Diese konsequente Erzählhaltung rückt Schaper in die Nähe des „Renouveau catholique“, einer literarisch-gesellschaftlichen Erneuerungsbewegung aus dem Geiste des traditionellen Katholizismus, die sich vom laizistischen Frankreich auf andere europäische Länder ausdehnte.
In die derzeitige Fasten- und Osterzeit paßt inhaltlich „die Legende vom Vierten König“, die ja die Brücke über die 33 Jahre von der Geburt Christi bis zu seiner Kreuzigung schlägt, aber auch beispielsweise Erzählungen wie „Unser Vater Malchus“ oder „Die Söhne Hiobs“, die das Geschehen um die Gefangennahme Jesu in biographischen Konstruktionen über Generationen weiterdenken. Ich finde diese Literatur faszinierend, habe mir eines von Schapers Büchern dieses Jahr zum Geburtstag gewünscht und aus gleichem Anlaß einer Freundin einen Band mit Erzählungen Edzard Schapers geschenkt.
Das Zitat, das den Titel dieses Beitrags bildet, lautet im vollständigen Satz „‘Nein, Rabbi!‘ rief es aus der Lichtsäule, in der er wie ein Gestäupter am Pfahl stand.“ und ist der Erzählung „Die Söhne Hiobs“ entnommen: Edzard Schaper, Gesammelte Erzählungen, Köln und Olten: Hegner 1965, S. 503-534, S. 508.
Cornelie Becker-Lamers
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