Es war, fand ich, der eindeutige Höhepunkt des ohnehin höchst interessanten Abends, als unser Bischof, Dr. Ulrich Neymeyr, am vergangenen Montag auf Bitten eines der über 40 Teilnehmer an einige besonders charakteristische Eigenheiten und Aussprüche des bedeutenden Kirchenmanns erinnerte, über den er gerade einen sehr lebendigen biographischen Abriß gegeben hatte. Der Edith-Stein-Kreis unserer Pfarrei hatte Bischof Ulrich nämlich zu einer “Hommage an Kardinal Lehmann” unter dem Titel: “Glauben leben – Gesellschaft gestalten” in das Otto-Neururer-Haus eingeladen.
Sicher, Karl Kardinal Lehmann (*1936 – 2018) ist für traditionell orientierte Katholiken nicht gerade das, was man eine Identifikationsfigur nennen würde. Jedoch ist er völlig unbestreitbar eine prägende Figur des deutschen Nachkriegskatholizismus, schon allein aufgrund seines gut 20-jährigen Vorsitzes in der Deutschen Bischofskonferenz von 1987 bis 2008! Und ich glaube, es kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß er ein intellektuelles Format hatte, an das seine (bisherigen) Nachfolger schwerlich heranreichen…
Und genau dieses scheint auch auf, in dem, was Bischof Ulrich, der ihn ja als sein Weihbischof viele Jahre aus der Nähe erleben durfte, u.a.von ihm zu erzählen wußte. Lehmann sei, wie jeder, der ihn kannte, genau gewußt habe, nach der mehrmaligen Verwendung eines ganz bestimmten Stichworts immer unruhig geworden, um nach dem dritten Mal zuverlässig loszupoltern: “Hört auf damit; wir haben Texte!” So die Reaktion des Kardinals, wenn jemand mit dem ‘Geist des Konzils’ “argumentiert” habe.
Nun, ich muß gestehen, es hat mir schon ein wenig Spaß gemacht, dies aus dem Munde eines sozusagen in jeder Hinsicht “unverdächtigen” Zeitzeugen zu hören, in Gegenwart mehrerer (besonders aber einer) Person aus dem Kreis der dort am 27. Mai versammelten, mußten wir uns doch für eine harmlose kleine Polemik gegen eben jene Verwendung dieses vielfach “zu Tode gerittenen” Begriffs heftig beschimpfen lassen (vgl. hier). Denn die nähere Begründung, warum der Kardinal so allergisch auf diese Art der “Geisterbeschwörung” reagiert hat, entspricht, wie Bischof Ulrich sie berichtete, ja genau dem, warum uns auch auf PuLa bei der Erwähnung des Stichworts der Kamm schwillt: Den behaupteten Geist kann man mit jedem Inhalt füllen, ergo damit machen, was man will und, so in diesem Fall die Konsequenz, dem Zweiten Vatikanischen Konzil Absichten unterschieben, die es tatsächlich nicht hatte.
Darum geht es: Um diese Beliebigkeit, die im besten Fall biographisch bedingter quasi nostalgischer Überschwang ist, im schon nicht mehr so harmlosen intellektuelle Faulheit, im schlimmsten, jedoch nicht seltenen Fall aber eine absichtsvolle Instrumentalisierung zur Verfolgung eigener Zwecke, die mit den Intentionen, ja dem, was sich die Väter des Konzils in ihrer übergroßen Mehrheit auch nur vorstellen konnten, nichts mehr zu tun hat! Für so etwas aber war Kardinal Lehmann zu redlich und – er hatte so etwas schlicht nicht nötig…
Ich habe nicht sehr viel Hoffnung, muß ich leider sagen, aber mir scheint, gerade in einer kirchenpolitischen Situation, in der man sich beinahe täglich an den Kopf faßt, ob der Lust an der eigenen Abschaffung, die Teile der Kirche in Deutschland (und darüber hinaus) ergriffen zu haben scheint, wäre eine Verständigung, ja auch nur der Versuch eines redlichen Dialogs, über derartige Begriffe vielleicht ein Anfang, auch in Weimar, auch in unserem Bistum.
Bischof Ulrich jedenfalls, aber auch den Initiatoren, schulden wir Dank für einen anregenden Abend!
Ein Kommentar
Mutiger, kluger, interessanter und für einen Spätgetauften wie mich, der zum Zeitpunkt des Abends mit Bischof Neymeyr in unserer Gemeinde, im Urlaub in Andalusien weilte, auch informativer Beitrag. Der letzte Absatz ist überragend und leider ebenso schmerzlich, bringt er doch auch meine Bedenken genau auf den Punkt: Es geschieht zwar nicht ständig aber es kann zu jeder Zeit passieren, dass man Zeuge solch scheinbarer (?) Lust an der eigenen Abschaffung wird. Bewahren wir unsere eine, heilige, katholische, apostolische Kirche vor solchen „verwässernden“ Bestrebungen. Wir sind es dem HERRN und uns selbst schuldig!
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