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Museum. Indikativ

Ein PuLa unterwegs – zu Weimarer Schätzen christlicher Kunst

Das Weimarer Stadtschloß ist geschlossen. „Deswegen heißt es ja Schloß“, sagen Lästermäuler. Es soll bis 2023 saniert werden. Kostbare Kunstsammlungen bleiben dennoch zugänglich – wenn auch auf touristischem Umweg. So ist die Mittelaltersammlung leihweise den Mühlhäuser Museen anvertraut worden, die sie seit November 2018 in der dortigen Marienkirche – seit 1557 evangelisch, (immerhin erst) 1975 säkularisiert und dem musealen Zweckverband zugeschlagen – unter dem Titel „Von Einhörnern und Drachentötern“ präsentieren.

Werbedruckerzeugnisse und Veranstaltungsprogramm zur Weimarer Sammlung in Mühlhausen (eigenes Bild)

Zu sehen sind nun in der nach dem Erfurter Dom größten Kirche Thüringens Altarretabeln mit Darstellungen von Mariä Verkündigung, von Christi Geburt, der Anbetung der Heiligen Drei Könige, Darstellungen von Teilen der Heiligen Sippe – konkret die drei Ehemänner der Heiligen Anna – und des Marientodes, Heiligendarstellungen von Georg, Martin, Katharina von Alexandrien, Erasmus und Sebastian sowie eine ganze Bildgeschichte zu Sankt Nikolaus. Besonders bemerkenswert sind die drei Verkündigungsdarstellungen, in denen Christus in Gestalt eines Einhorns vor seinem Jäger, dem Engel Gabriel mit Jagdhorn und „Tugenden-Hunden“, in den Schoß Mariens flieht. Ich habe zu diesem Bildmotiv einige Sachen publiziert oder geredet. Deshalb bedeuten mir diese Retabeln besonders viel. Durch die Spruchbänder, durch die das Motiv im Bild selber erläutert wird, finde ich sie im Vergleich untereinander besonders interessant. Lehrreich sind sie auf jeden Fall, wie sie auch immer schon gedacht waren. Sie werden im Faltblatt zur Ausstellung aber auch unter dem Gesichtspunkt der Sammlungsgeschichte hervorgehoben: Die hübscheste und daher in der Mühlhäuser Werbung reproduzierte Maria wird zwar in der Forschung der „Madonna mit der Korallenkette“ des Halberstädter Domschatzes verschwistert, mit einer Entstehungszeit zwischen 1430 und 1440 aber auf den Entstehungsort Erfurt festgelegt. Johann Wolfgang Goethe hat sie (wenn ich mich recht erinnere 1828) über die Grenze geschafft und der Sammlung Carl Augusts hinzugefügt.

Blick in die Ausstellung „Von Einhörnern und Drachentötern“, Marienkirche Mühlhausen (eigenes Bild; Abb. mit freundlicher Genehmigung des Museumsdirektors)

„Durch die Anordnung wertvoller Altäre, Skulpturen und Gemälde in der bestehenden Architektur von St. Marien wird der Eindruck eines reich ausgestatteten mittelalterlichen Kirchenraumes wieder erlebbar“, schreibt das Faltblatt zur Ausstellung. Das sei tatsächlich der besondere Reiz, hatte man mir bereits im Vorfeld geschildert: Daß plötzlich Altäre wieder in einem Kirchenraum – in einem Raum vergleichbar dem, für den sie einst geschaffen worden waren – zu sehen wären.

Marienkirche Mühlhausen, Blick in Richtung Chor (eigenes Bild)

Wirklich eine schöne Sache.

Hm.

Wäre eigentlich auch was für Alltagsmessen. Oder als Gebetsort. Also im liturgischen, im religiösen Gebrauch. Nicht, dem Gebrauch enthoben, im nur musealen Rahmen.

Zumal so ein zusätzlicher Altar immer mal wirklich benötigt wird. Am Gründonnerstag sagt doch der Priester: ‚Wir bringen jetzt das Allerheiligste zum Seitenaltar.‘ Und dann postieren sie es auf einem Tischchen unter der Konsole, auf der sie die schöne Maria vor die Wand gestellt haben. Aber ein temporäres Tischchen ist eben kein Altar. Altäre muß man schon als solche weihen, damit sie welche sind.

Alles spräche da also für eine Wiederherstellung. Das wäre das einzig Wahre.

Das heißt: Wenn – wie in Herz Jesu Weimar – alle Teile der in den 1960er Jahren herausgerupften Seitenaltäre noch in der Pfarrei, verteilt auf verschiedene Räume des Pfarramtes und des Gemeindehauses, vorhanden wären: Müßte dann diese Kirche trotzdem erst Museum werden, damit diese Seitenaltäre rekonstruiert und wieder aufgestellt werden?

Cornelie Becker-Lamers

Zwei Bemerkungen:

Zunächst ist „herausgerupft“ für die bilderstürmerische Barbarei, die da obwaltet hat eine sehr milde Formulierung; aber wir sind eben einfach zu nett… 😉

Weiterhin, vor allem für unsere Leser außerhalb Thüringens: Wenn es sonst keinen Grund gäbe, nach Mühlhausen zu fahren (aber es gibt dieser Gründe genug!), die Marienkirche wäre es auch allein! Es ist ein so absolut hinreißender Kirchenraum, von derart unglaublich gelungener Proportion, daß er einen regelmäßig auch in seinem derzeitigen entweihten Zustand gefangen nimmt, schöner, in meiner Sicht der Dinge, der ich kein ausgesprochener Gotik-Fan bin, als manch (noch) größere Kirche ihrer Entstehungszeit. Wenn die große Instauratio kommt, zur erneuten Weihe dieser Kirche werden die Engel singen! 🙂

Gereon Lamers

Ein Trackback/Pingback

  1. […] Um Altäre in die Kirchen zu bringen, muß man ja nicht immer warten, bis sie Museen geworden sind […]

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