Erfahrungsbericht. Ein PuLa unterwegs
Nein, dies wird kein Artikel über das neue Bauhaus-Museum in Weimar. Dazu hat ja Niklas Maak in der FAZ schon zur Eröffnung alles nötige gesagt. Es soll also nicht über unseren neuen städtischen ‚Hochbunker‘ gehen, sondern das Dauerbrenner-Thema „moderner Kirchenbau“ durch einige persönliche Gedanken kommentieren. Weil wir bereits Bilder aus der 1969 im Bau begonnenen Kirche in Schopp, Kreis Kaiserslautern, gepostet und einen weiterführenden Artikel angekündigt haben. Und nun hatten wir unlängst auf PuLa das Datum 1969. Außerdem wird besagte Kirche in der (sehr vielfältigen und zeitlich tatsächlich sehr weit gefaßten) „Straße der Moderne“ des DLI nicht mitbesprochen. Vermutlich ist das auch nicht vorgesehen, und so können wir auch diesem Projekt etwas hinzufügen – inklusive authentischem Erfahrungsbericht aus der Sicht einer Betroffenen. Auf modernen Kirchenbau werden wir auch weiterhin immer mal wieder zu sprechen kommen. Die passenden Fotografien sind schon im Kasten ?. Erfahrungsgemäß ist sowas nämlich immer interessant und erregt in jedem Fall ebenso die Gemüter der intellektuellen wie der sogenannten „einfachen“ Gläubigen.
So zitiert obige Überschrift denn auch einen Artikel vom 2. Juli dieses Jahres, in dem die Internetseite katholisch.de das seit Jahren erarbeitete Projekt „Straße der Moderne“ des Deutschen Liturgischen Instituts noch einmal vorstellt und die landläufige Meinung über Kirchen der 1960er bis 80er Jahre – eben „düstere Betonbunker“ – als reformbedürftiges Vorurteil demaskieren möchte. Aber ist es tatsächlich ein Vorurteil? Oder schlicht ein Urteil?
Die zweite Kirche in meinem Leben
Als ich die Kirche in Schopp zum ersten Mal sah, war ich sechs Jahre alt und soeben eingeschult worden. Den Anblick, der sich mir bot, konnte ich überhaupt nicht einordnen. Ich hatte meinen fünften Umzug (jeweils in einen anderen Ort bzw. Kontinent) hinter mir und kam zuletzt aus der überwiegend katholischen Ortschaft Hohenecken (eigentlich einer Nachbargemeinde, aber eben aufgrund ihrer Geschichte als Reichslehen und ausgedehntere Burgherrschaft Hohenecken tatsächlich eine ganz andere Welt), in der wir – nur durch einen 1A-Rodelberg getrennt – nahe unserer Kirche mit dem Patronat des Heiligen Rochus gewohnt hatten. St. Rochus Hohenecken ist eine typische neugotische Kirche aus dem Ende des 19. Jahrhunderts mit spitzem Turm und beinahe klassischem architektonischen Aufbau, der Innenraum entsprechend mit dunkelgebeizten Holzbänken ausgestattet. Die Turmuhr schlägt alle Viertelstunde. An die Kirchen der übrigen Ortschaften, durch die meine Eltern mich nach ihrer Flucht aus der DDR zu diesem Zeitpunkt bereits geschleust hatten, kann ich mich nicht erinnern. St. Rochus war die Kirche für mich. Sie sah ungefähr so aus wie die Kirche aus der Bauklötzchenreihe meiner Holzeisenbahn. Also: Sie sah aus, wie eine Kirche eben aussehen mußte.
Was meine Mutter mir in Schopp als unsere Kirche präsentierte, war dieses Bauwerk:
Ok – Kinder schlucken alles, aber befremdet war ich schon. Da war ja gar nichts Bekanntes und Anheimelndes! Und das ging im Innenraum so weiter. Alles war aus Beton: Wände und Pilaster. Priester- und Ministrantensitze. Taufstein und Weihwasserbecken. Tabernakel und Kerzenhalter. Ambo und Altar. Ja, sogar Kruzifix und Maria sowie die flache, schmucklose Decke des Raumes und ein umlaufender Kreuzweg. Alles. Zudem gab es keine Kirchenbänke, sondern Stühle, die in der Mehrzahl nicht mal Kniebänke hatten. (Mal im Verlauf der Messe an die Mutti ‘ranrutschen war also nicht). Und die Polster waren in schönstem 70er-Jahre-Orange gehalten. Was sage ich – waren. Sie sind es wie man sieht bis heute, aber ich erzähle gerade aus der Perspektive derer, die das alles zum ersten Male sieht.
All das wurde (nicht) erleuchtet durch – wie nennt man das? Unterlichter? Also Fenster, die sich quer am Boden des Gebäudes entlangzogen.
Das architektonische Konzept, der Grundriß dieser Kirche als in die Breite gezogenes Rechteck, die Anlage der Fenster und die Materialität dieses Baues machten es mir – ohne daß ich das als Kind auch nur im geringsten reflektiert hätte, es geht hier um die rein gefühlsmäßige Erinnerung – auch in der Folgezeit ausgesprochen schwer, über all das als Äußerlichkeiten hinwegzusehen oder gar – wie der Baumeister einer architektonisch sehr anspruchsvollen Touristenkirche an der Nordseeküste es formuliert – in der Reduktion das Sakrale gegenüber dem Alltäglichen zu erleben.
Das berühmte Heimatgefühl, das in der Regel von Katholiken in jeder katholischen Kirche, wohin sie auch kommen, empfunden wird und für Vertriebene wie Zugezogene einen Gutteil der Anziehungskraft der Kirche ausmacht, kam zunächst einmal nicht auf. Es war einfach nur verstörend. Ich weiß noch, daß ich mich betrogen fühlte und in diesem Raum nicht recht heimisch wurde, obwohl wir treulich jeden Sonntag hingingen. Noch lange Zeit fragte ich mich, wenn mein Schulweg mich bergauf an der evangelischen Kirche des Ortes vorbeiführte, warum ich eigentlich nicht in die Kirche gehen durfte, die wie eine Kirche aussah.
Irgendwann setzte natürlich die Gewöhnung ein, aber gefallen hat mir die Anlage nie. Das änderte sich in gewisser Weise, als ich den Raum im Sommer 2018 nach langer Zeit wiedersah …
Cornelie Becker-Lamers
Fortsetzung folgt morgen
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