Grafikdesign will gelernt sein
In den vorangegangenen Texten hatten wir über die gängige Übertragung der Idee von Corporate Identity und Corporate Design auf Gruppen der Kirche gesprochen. Was die Kinder- und Jugendchöre in Herz Jesu Weimar betrifft (von denen übrigens derzeit nur noch die Cäcilini übrig sind, also ein Vokalensemble; die Homepage ist da irreführend), ergibt sich dasselbe Bild wie beim Erwachsenenchor. Dem äußeren Erscheinungsbild wird von offizieller Seite keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl wir für Anlässe angefragt und zu den pueri-cantores-Festen entsandt werden. Man scheint die Frage der Identifizierbarkeit und Öffentlichkeitswirksamkeit der Gruppen einzig und allein für ein Problem der Chorleiterinnen zu halten, was es aber nicht ist. Zumal es bei theoretisch mehreren Chören und, da Pfarrei ohne Kantorenstelle, mehreren ehrenamtlichen Leiterinnen auf der Hand liegt, daß Treffen zur Ideenfindung, Meinungsbildung, Abstimmung und gemeinsamer Entscheidung unabdingbar wären. Meine Gruppe besteht übrigens, einfach mal nebenbei bemerkt, nicht „72 Stunden“, sondern seit zweimal 72 Monaten – nämlich gut 12 Jahre. Dennoch schlägt, sooft das Gespräch in die Nähe des Themas Chorkleidung zu geraten droht, der Gemeindereferent mir lediglich vor, einen Verein zu gründen, dann könne man leichter T-Shirts beantragen.
Ich weiß immer nicht, ob ich bei dieser Bemerkung, die zu 100% am Problem vorbeigeht, lachen oder weinen soll. Die Kirchgemeinde, deren Mitglied ich bin, ist bereits eine Körperschaft öffentlichen Rechts. In jedem Jahr wird ihr ein Geldbetrag für jedes Mitglied zugewiesen. Warum sollte irgend jemand, der durch Kirchensteuer, die wöchentlichen Kollekten und ehrenamtliche Arbeit zum Kirchenvermögen beiträgt, einen Verein für die Kinderchorarbeit, ein Vokalensemble, einen Instrumentalkreis, die Seniorenarbeit … der eigenen Heimatpfarrei gründen? Vor dem Hintergrund der Geschichte unserer Pfarrei besteht dann nur die erhöhte Gefahr, daß diese Gruppe als Privatangelegenheit angesehen und nur noch weniger unterstützt wird. Das hatten wir – auch ohne Verein – bekanntlich alles schon.
Ich werde mich daher niemals allein um T-Shirts für die Cäcilini kümmern. Ich komponiere schon für die Gruppe. Man kann nicht alles machen. Und man kann nicht alles können. Studieren die Grafiker und Designer denn nur aus Spaß vor sich hin? Nein! Das Entwerfen sichtbarer Motive und die Anordnung von Schrift und Bild auf der Fläche wollen gelernt sein, in puncto Kleidung wie in puncto Werbung. Wenn sich da irgend jemand ein paar Stunden an den Rechner setzt und ein paar Zeilen hin- und herschiebt, kommen Plakate heraus, die man sogar übersieht, wenn man weiß, wo sie hängen und sie aktiv mit den Augen sucht. Auch das haben wir schon durch. Außerdem möchte ich ganz bewußt, daß sich jemand anders mit um die Chorkleidung kümmert, und zwar als Zeichen dafür, daß auch jemand anders als nur ich sich für die Musik mit den Kindern und Jugendlichen interessiert und engagiert. Wir werden schließlich für die Gestaltung von Messen, Andachten, Seniorennachmittagen und sogar von Pfarreien außerhalb angefragt – da sollte sich unsere Pfarrei von offizieller oder offiziell beauftragter Seite auch zu dieser Gruppe bekennen und die Arbeit mit allen erdenklichen Werbemaßnahmen unterstützen – je magerer das Angebot in der Kinder- und Jugendseelsorge unserer Pfarrei wird, desto entschlossener.
Wo hängt’s in Herz Jesu Weimar? Am Geld aus mehreren Gründen definitiv nicht. Die Jugendgruppe ist vor gut drei Jahren auf eine einstellige Zahl an Mitgliedern zusammengeschrumpft, die Pfadfinder arbeiten auch in Weimar als Teil des 1907 gegründeten internationalen Vereins und arbeiten auf eigene Rechnung, Jugendchor und Herz Jesu Finken proben nicht mehr, die Cäcilini brauchen nicht mal Geld für Noten, weil ich die selber schreibe und ausdrucke, das Benzin für den Bonibus bezahlt man bei Fahrten mit den Gruppen der Pfarrei als Ehrenamtler selber, Plakate vom Designer gibt es ebenfalls aus Kostengründen nicht, Requisiten werden nicht mal für das Krippenspiel bewilligt und die RKW, die bis 2015 jahrelang Gewinn für die Pfarrei abwerfen mußte, arbeitet derzeit kostendeckend. Da dennoch ein Haushaltstitel für die Kinder- und Jugendseelsorge existiert, kann es am Geld nicht liegen. Auch aus finanzieller Sicht ist mir die Aufforderung zu einer eigenen Vereinsgründung also unverständlich.
Ich kenne eine evangelische Landpfarrei, da gab es Chor-T-Shirts (von einer Designerin entworfen und ganz im Sinne der Wiedererkennung einer Corporate Identity abgestimmt auf das entsprechende Werbeplakat und die Handzettel) schon vor der ersten Probe. Kein Kind zahlt für sein T-Shirt, sondern tauscht von Jahr zu Jahr einfach die passende Größe ein. Wie das geht? Der Landpfarrer hat ein einziges Unternehmen am Ort, das er von Zeit zu Zeit als Sponsor für solche ganz konkreten Dinge gewinnen kann.
Just do it!
Weimar hat mehrere (Einkommens-)Millionäre. Auch katholische. Auch solche, die noch nicht aus der Kirche ausgetreten sind. Als ich unseren neuen Pfarrer das erste Mal um T-Shirts für die (damals noch drei) Kinder- und Jugendchöre bat, nannte ich ihm einige dieser Menschen, die, wenn es sich denn partout als notwendig herausstellen sollte, via Sponsoring vielleicht solche Kleidung bezahlen könnten. Oder man widmet mal eine der zahlreichen Kollekten für die Kinder- und Jugendseelsorge der Pfarrei konkret einem solchen Projekt. Vergebliche Liebesmüh, da es offenbar gar nicht sein soll.
Waaaarum?
Ich thematisiere das, weil es in Herz Jesu Weimar wirklich System hat und ich, da meine Gruppe ja mit darunter leidet, wenigstens die Begründung dafür gerne erfahren würde. Die im September 2015 42-köpfige Pfarrjugend, die zwei Mädchen zum Amtsantritt des neuen Pfarrers zusammengetrommelt hatten, bat damals ebenfalls um T-Shirts bzw. bedruckte Kapuzenpullis. Die Jugendlichen wollten als Pfarrjugend Herz Jesu Weimar für die katholische Kirche Reklame laufen. Was für ein Geschenk des Himmels (besonders nach dem Weggang eines Pfarrers, der sogar zu offiziellen Anlässen statt im Collarkragen mit offenem Hemd und Windjacke neben seinem orthodoxen Kollegen im Rhason auflief). Aber auch diese Jugendlichen bissen mit ihrer Bitte auf Granit. Keine Chance. Corporate Identity in Herz Jesu Weimar Fehlanzeige. (Wenn ich im Verlauf meiner Texte ab und zu solche scheinbar alten Geschichten auftische, kommt das daher, daß wir nicht bei der ersten Irritation schreiben, sondern sehr lange zusehen, bis uns eine Angelegenheit aufgrund vieler vieler Beispiele als strukturell verfahren und uns ein Umdenken dringend notwendig erscheint.)
Also: Was ist los?
Worauf ich mit dem Eingangszitat dieser Textreihe („Es war ein entsetzliches Bild“) hinaus wollte, war nicht, daß ich das genauso hart formulieren würde. Aber was ich befürchte, ist, daß das Erscheinungsbild einer Gruppe als Spiegel ihres inneren Zustandes gelesen wird. So oder so. Und ich denke, daß man auch von außen nach innen wirken kann. Sprich: So was wie Chorkleidung bringt dann einfach auch ein Mehr an Identifikation mit sich. Die Premiumausführung ist natürlich ein Gewand in Weiterentwicklung der alten „Chorhemden“, wie wir sie in verschiedenen, auch Jugendchören am Ort haben und auch durch Gäste schon in der Messe erleben konnten.
Die Cäcilini wissen sich in der Regel zu helfen und sprechen sich mittlerweile von Fall zu Fall eigenständig ab.
Vor dem Hintergrund der enttäuschenden Entwicklung der Jugend- wie der Chorarbeit in Herz Jesu Weimar haben wir keinen Grund, mit den Schultern zu zucken. Vielmehr müssen wir alle gemeinsam alles versuchen, was die Anziehungskraft der Pfarrjugend und der musikalischen Gruppen unserer Pfarrei erhöhen könnte.
Cornelie Becker-Lamers
Fortsetzung folgt
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