Nein. Der Name Taizé hat nichts mit dem französischen „se taire“ (von lat. „tacere“) und dem Ausruf „taisez-vous!“ („schweigt!“/„Ruhe!“) zu tun. Wenn ich richtig sehe, taucht er in der mittelalterlichen Stiftungsurkunde seiner einst dem Heiligen Martin, heute Maria Magdalena geweihten Kirche als das dem Kloster Cluny zugehörige Dorf Tasiacum auf. Aber wissen Sie – ich hatte in der weiterführenden Schule das Fach Französisch als erste Fremdsprache. Und das hieß damals fünf-sechs Stunden die Woche, acht Jahre lang, auch an Samstagen. Da habe ich so oft „taisez-vous!“ gehört, daß ich die Assoziation beim besten Willen nicht unterdrücken kann. ?
Unter dem Aspekt des Schweigens paßt das Taizégebet allerdings auch wirklich gut in das Angebot unserer Pfarrei, in der „Meditation und Stille“ an beinahe jedem Tag der Woche seinen festen Platz haben.
„Taizé“ in Taizé muß aber ganz anders sein. Faszinierend. „Taizé“ bezeichnet da eine ganze Welt. Nach Taizé fahren die Firmbewerber/innen seit 2016 und kehren verzaubert zurück. Zu diesen Fahrten melden sich dann wohl zwar nicht alle Firmlinge, dafür aber auch Jugendliche aus höheren Schuljahrgängen an. Taizé scheint der einzige Ort zu sein, an dem es den Jugendlichen gleichgültig ist, wer sonst noch mit hinfährt. Sie organisieren sich sogar Fahrten über andere Pfarreien in Thüringen und machen sich auf eigene Faust auf den Weg.
Am Sonntag, 11. August 2019 kehrte eine in Herz Jesu Weimar organisierte Gruppe von zwölf Firmlingen, zehn älteren Jugendlichen, dem Gemeindereferenten und dem Pfarrer aus Taizé zurück. Die Jugendlichen hatten eine Woche mit Morgengebet, Bibeleinführung in altershomogenen Gruppen durch einen Bruder der Communauté, Gesängen, Gesprächskreisen in international zusammengelosten Jugendgruppen, Hausarbeit, Abendgebet und abendlichen Feiern durchlebt und waren krank vor Sehnsucht nach dieser Gemeinschaft. Besonders die abendlichen Andachten, zu denen sich u.U. über tausend Pilger (im Sommer kommen in den Zeltlagern durchaus 3.000-4.000 Menschen gleichzeitig unter) mit Kerzen in der Versöhnungskirche versammeln und die berühmten meditativen Lieder singen, müssen die jungen Menschen förmlich in eine andere Welt versetzen.
Von allem Spirituellen abgesehen – was für eine ungeheure logistische Leistung am Rande eines Dorfes mit 170 Einwohnern! Wie bekocht man 3.000 Menschen? Was für Badewannen voll Eintopf, Nudeln oder Reis müssen da in den Küchen dampfen? Einprägsam jedenfalls. Wenn wir letzten Sommer einen Eintopf servierten, sagte unser Kind: „Taizé-Essen“ und strahlte.
Die heimischen Betreuer sehen die Jugendlichen im Verlauf der Woche kaum, da die Brüder sehr gewissenhaft selber die inhaltliche Arbeit übernehmen. Gut gemeint ist das Losen der Jugendlichen in die internationalen Gruppen. Der Gedanke hinter dieser Praxis dürfte sein, daß die Jugendlichen die eigene Gruppe, mit der sie angereist sind, ja schließlich kennen. Das ist naheliegend, stimmt aber für Weimar leider derzeit nicht. Da die kontinuierliche Jugendarbeit in unserer Pfarrei eingeschlafen ist, kennen die Firmlinge im Regelfall nur die Gleichaltrigen, und davon wiederum nur diejenigen etwas besser, mit denen sie den Religionsunterricht teilen. Und so kam es, daß der Kontakt zu den Jugendlichen, die man nicht ohnehin schon kannte, auch nicht unbedingt geknüpft werden konnte („XY hab ich nur im Bus gesehen“). Und daß die Sehnsucht nach Taizé in Weimar trotz des gleichnamigen Angebots nicht zu stillen war, da die Kinder eine irische Gruppe, zwei Schwedinnen oder sonstwen vermißten und wieder einmal auf ihre WhatsApp-Gruppen zurückgeworfen waren. „Dann ist das ja voll nach hinten losgegangen“, sagt ein Vater, dem ich vom Verlauf der Reise erzähle. So hart würde ich es wohl nicht formulieren. Aber es zeigt wieder einmal, daß eine solche Reise die kontinuierliche Jugendarbeit im Sinne der Jugendlichen nicht ersetzt.
Die nächste Taizé-Fahrt der Firmlinge, zu der immer auch ältere Jugendliche oder Studierende willkommen sind, steht bereits fest. Sie findet in der Woche vom 16.-23. August 2020 statt. Ich glaube, diese (finanziell übrigens großzügig subventionierte) Fahrt hinterläßt in jeder und jedem Mitreisenden bleibende Eindrücke. „Das schöne an Taizé ist, daß jeder was glaubt“, sagt ein Jugendlicher. „Ja“, antwortet eine junge Studentin und verzieht die Mundwinkel, „genau wie in einer Pfarrjugend.“
Cornelie Becker-Lamers
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