Am dritten Sonntage im Advent
Evangelium: Johannes sendet zu Christo [Mt 11, 3; 10]
»Bist du der kommen soll? oder sollen wir auf einen andern warten?« – »Siehe, ich sende meinen Engel vor deinem Angesichte her, der deinen Weg bereiten soll.«
Auf keinen andern wart‘ ich mehr,
Wer soll noch Liebres kommen mir?
Wer soll so mild und doch so hehr
Mir treten an des Herzens Tür?
Wer durch des Fiebers Qual und Brennen
So liebreich meinen Namen nennen,
Ein Balsamträufeln für und für?
Du wußtest es von Ewigkeit,
Daß der Gedanken Übermaß,
Dem Sinn entzogne Herrlichkeit,
Zersprengen müßt‘ mein Hirn wie Glas;
So kamst du niedrig unsersgleichen,
Wie zu der Armut Fromme schleichen,
Sich setzend wo der Bettler saß.
Wenn fast zum Schwindeln mich gebracht
Der wirbelnden Betrachtung Kreis,
Dann trittst du aus der Dünste Nacht
Und deine Stimme flüstert leis:
Hier bin ich, bin ich, woll‘ mich fassen,
Dann magst du alles andre lassen;
Auf meinem Kreuze hegt der Preis.
O Stimme, immer mir bekannt,
O Wort, das stets verständlich mir,
Du legst mir auf der Liebe Band
Und meine Schritte folgen dir!
In Liebe glaub‘ ich, liebewund
Schieb‘ ich des Herzens Tür auf, und
Geschlossen ist des Grübelns Tür,
Gehemmt die Jagd, durch scharfen Stein
Und Dornen hetzend meinen Fuß;
Ich ruh‘ in deinem kühlen Hain
Und lausche deinem sanften Gruß.
Die Blinden sehn, die Kalten glühen
Und aus des Irren Haupte ziehen
Der dumpfen Schatten Menge muß.
Ich folge dir zu Berges Höhn,
Wo Leben von den Lippen fließt,
Und deine Tränen darf ich sehn,
O tausendmal mit Heil gegrüßt,
Muß in Gethsemane erzittern,
Daß Schrecken Gottes Leib erschüttern,
Blutschweiße Gottes Stirn vergießt.
Er hat gehorsam bis zum Tod,
Ja zu des Todes eitlem Graus,
Gekostet jede Menschennot
Und trank den vollen Becher aus.
So richte dich aus Dorn und Höhle,
Du meine angstgeknickte Seele,
Auch du nur trägst ein irdisch Haus.
Laß wanken denn die Trümmer grau
Und mische deine Tränen nur
Mit deines Heilands blut’gem Tau,
Gequälter Sklave der Natur!
O, dessen Schweiß den Grund gerötet,
Er weiß es, wie ein Seufzer betet,
Mein Jesu, meine Hoffnungsau!
Annette von Droste-Hülshoff
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