Eine kleine Anekdote über die große Rolle des Internet in der heutigen Zeit
Gestern stehe ich unterwegs zur Cäcilini-Probe vor dem Pfarrhaus und rede beim Fahrradabschließen mit einer der Jugendlichen, als zwei geschäftige ältere Damen in Hosenanzügen und Laufschuhen auf den Pfarrhof stürmen und an der Glastür rütteln. „Zu!“ ruft es fassungslos. Die Damen sind derart in Eile, daß ich ein menschliches Bedürfnis vermute und entschlossen bin, rasch zu helfen. Man erlebt ja immer wieder, daß scheinbar ratsuchende Menschen gezielt das Pfarrhaus ansteuern, aber nicht die Seelsorge, sondern bloß eine Toilette suchen. Ich trete also herzu und werde, noch bevor ich grüßen kann, in die Pflicht genommen: „Können Sie uns helfen!“ Es ist nicht wirklich eine Frage. Die Erklärung des Auftritts erfolgt wiederum, bevor ich auch nur ein erstes Mal reagieren kann. Und sie betrifft doch tatsächlich nicht die Örtlichkeiten, sondern – die Cäcilini! „Hier soll ein Vokalensemble stattfinden!“ höre ich, und diesmal reicht die Zeit endlich für ein freundliches „Ja“ von meiner Seite. – „Da wollen wir hin!“ Ich nehme die Damen näher in Augenschein und denke: ‚Der liebe Gott hat Humor!‘ Sie müssen wissen, daß ich immer mal um weitere Mitglieder für unser kleines Vokalensemble bete, denn – wie man so schön sagt: Es ist doch ja kein anderer nicht, der für uns könnte streiten. Da Christi Bodenpersonal in unserer Pfarrei alle Musik, die die beiden Herren nicht selber machen, herzlich gleichgültig ist, hilft ja auch wirklich nur noch beten. ‚Ah!‘ denke ich also. ‚Gott hat mein Gebet erhört – aber in anderer Weise als ich dachte. Das hat man ja immer schon mal. Auch gut! Erst mal sehen, was wird. Und überhaupt: Warum nicht? Man soll niemanden ausschließen.‘ Für all dies habe ich ohnehin nur Sekundenbruchteile Zeit, denn weitere drängende Fragen stehen an: „Wo ist denn dieser Elisabethsaal?“ – „Der ist hier“, sage ich und mache eine kleine Geste mit der einen Hand, während ich mit der anderen die Schlüssel am Bund zu sortieren versuche. „Und warum ist zu?“ Es bricht aus beiden zugleich hervor. „Der Sekretär wird gerade gegangen sein“, sage ich. „Sechszehnuhrdreißig stand da, das haben wir!“ sagt die eine mit Blick auf die Uhr und die andere fügt hinzu: „Hätten wir uns gar nicht so zu beeilen brauchen!“ – „Wir fangen heute Viertel vor erst an.“ – „Das stand da aber nicht!“ – „Stimmt. Wir sind wenige, und da treffen wir solche Absprachen per WhatsApp.“ (Denn etwas Sichereres steht uns ja in Herz Jesu Weimar bisher nicht zur Verfügung. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.)
Der langen Rede kurzer Sinn: Die beiden Damen sind nur für drei Tage zu Besuch in Weimar, haben uns im Internet gefunden (ich denke mal, bei den „Terminen der Woche“ unserer Homepage) und gehen von einem kleinen Konzert aus. (Also doch keine neuen Mitglieder. Gut. Erspart Diskussionen mit den Jugendlichen. Also weiter beten.) Als sie hören, wir halten nur eine Probe ab, und noch dazu eine, in der wir in Vorbereitung auf den Kreuzweg, den wir am 8. März in St. Franziskus, Sömmerda anbieten, nur ein Lied proben und ansonsten Texte besprechen, möchten sie zuhören und mitmachen. Tatsächlich erweist sich eine der Damen als sichere Sopranistin. Sie singt mit. Ihre Freundin bleibt in den Stuhlreihen sitzen. Und es kommt, wie es kommen muß: Die Dame, die nur zuhört, formuliert ihre Begeisterung über den Chorklang der sechs Jugendlichen. Völlig anders als von den Touristinnen geplant, sind wir doch wieder positive Botschafterinnen unserer Pfarrei und Botschafterinnen des Glaubens geworden.
Und warum? Weil Menschen sich via Internet informieren und neugierig werden konnten. Ich denke, auch in der Jugendarbeit wird beispielsweise ein Instagram-Account über kurz oder lang für unsere Pfarrei unverzichtbar sein. Mittlerweile treten schon Bekleidungsläden mit ihrem Online-Shop auf dieser Plattform auf, weil sie klugerweise dort sein möchten, wo die Jugendlichen hinschauen. Und das ist derzeit Insta. Instagram ist, es mag einem gefallen oder nicht, der virtuelle Raum, in dem die Jugendlichen sich täglich austauschen und sich zu ihren Treffen in der Wirklichkeit verabreden.
Nun aber zum Abschluß: Was haben wir gesungen? Teile daraus fielen heute schon: Es ist das lateinische „Verleih uns Frieden“, dem die Zeilen vom streitenden Gott folgen. Es ist das „Da pacem domine“, in dem Charles Gounod (1818-1893) den Text einer gregorianischen Antiphon vertont hat. In diesem dreistimmigen Satz ist es nicht einfach, die Tonhöhe zu halten. Ich glaube, das liegt daran, daß die Mittelstimme über weite Strecken a‘ zu singen hat. Der zweite Sopran ist wie eine Spiegelachse für die beiden Randstimmen. Wenn diese Stimme sackt (was auf identischen Tönen leicht passiert), sackt der ganze Chor, in der Regel um einen Halbton. Das ist den Cäcilini in der Messe am 26. August 2018 passiert, als wir das Werk schon einmal aufgeführt haben. Und es passiert etlichen Ensembles, die ihre Interpretation dennoch ins Netz stellen. Ein einziges YouTube Video habe ich gefunden, auf dem Tempo, Aussprache und Intonation stimmen. Hier ist es: Das „Da pacem domine“ von Charles Gounod in einer Aufführung durch den Knabenchor capella vocalis im Jahr 2018.
Enjoy! 🙂
Natürlich haben auch andere Komponisten den Text vertont. Besonders schön finde ich den vierstimmigen Satz von Arvo Pärt (*1935), den der Este 2004, zwei Tage nach dem Bombenanschlag in der Madrider U-Bahn zu komponieren begann. Bis heute wird das Werk in Spanien am Jahrestag des Terroranschlags zum Gedenken an die Opfer aufgeführt. Hören Sie eine Interpretation des Estonian Philharmonic Chamber Choir unter Paul Hiller aus dem Jahr 2006:
Wenn Sie die gregorianische Antiphon interessiert, die habe ich auch gefunden. Es ist ein Livemitschnitt von 2012 aus Cagliari. Es singt das Vokalensemble Exsurge Domine:
Cornelie Becker-Lamers
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