Worin wir nach den Gründen fragen
Österliche Fragen zur Übersetzung der Heiligen Schrift 3/3
Gestern waren wir zu dem Ergebnis gelangt, daß verbreitet das Reden vom ‘Urtext’ eher Verdacht auslösen muß und alles dafür zu sprechen scheint, daß man nach wie vor das griechische ‘diaphthora’ und das hebräische ‘shachath’ gemeinsam mit “Verwesung” übersetzen, und so die Entstehung des Auferstehungsglaubens bei den Aposteln nachvollziehbar machen, wie die Einheitlichkeit der Hl. Schrift bewahren kann.
Vor diesem Hintergrund hatten wir uns gefragt, was die Gründe dafür sein könnten, daß dies in so rezenter Vergangenheit (2016) nicht geschehen ist.
Handelte es sich vielleicht um eine mißverstandene Form der Rücksichtnahme auf das Judentum? Das wäre fatal, denn indem es die Meinung festigte, das Alte Testament habe vom Glauben an persönliche Auferstehung noch nichts gewußt, würde es uns ja gerade ferner gerückt. Dies gilt natürlich in verschärfter Form hier, wo wir es mit dem Bereich persönlicher Frömmigkeit zu tun haben. In dem “Gemeinsamen Gebetbuch von Christen und Juden”, als das der Psalter so gerne und mit Recht apostrophiert wird, würde so ja gerade Trennendes betont! Und zwar völlig zu Unrecht! Denn Ps 15 ist ja keineswegs der einzige Psalm, in dem sich diese “unverkennbare geheimnisvolle Transparenz” (H.J. Kraus, Die Psalmen I, 1960, zitiert nach J. Ratzinger, Eschatologie, Regensburg 6. Aufl. 1990, S. 78) hin zur Überwindung des Todesschicksals manifestiert! Lesen Sie Psalm 72 [73], besonders die Verse 23 – 26! Oder Psalm 48 [49], hier besonders Vers 16, der “die Hoffnung des Beters ausspricht, dass Gott selbst ihn loskaufen […] also aus dem Machtbereich der Scheol – und damit auch aus dem Herrschaftsbereich des Todes – auslösen” werde (Johannes Schnocks, Psalmen, Paderborn 2014, S. 25).
Solche “Rücksichtnahme” wäre also ebenso überflüssig wie kontraproduktiv!
Oder handelt es sich um ein Ergebnis von philologischem Rigorismus? Für diese Möglichkeit spricht leider die Beobachtung des “Zurückgehens” in den möglichen Bedeutungsebenen, vielleicht auch die jetzige Wortwahl “Totenwelt” (Scheol), statt “Unterwelt” (hinter der sich obendrein noch ein “antihellenischer Affekt” verbergen könnte 🙄 ). Man weiß ja leider (wir wissen es sogar von einem Mitarbeiter an der Revision der EÜ selbst), wie wenig Alt- und Neutestamentler wirklich miteinander reden.
Hier korrigierend einzugreifen wäre Aufgabe des hochrangig besetzten “Leitungsgremiums für die Revision der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift” gewesen, dessen Vorsitz und geistliche Leitung seit dem Jahr 2008 der Erfurter Altbischof Dr. Joachim Wanke innehatte.
Letzten Endes, freilich, wurzelt die Möglichkeit derartiger Fehl-Haltungen in der ganz grundsätzlichen Fehlentwicklung, die J. Ratzinger 1990 im Anhang zum Nachwort zur 6. Auflage seiner ‘Eschatologie’ beschreibt (a.a.O. S. 210 – 213, bes. 211), dort am Beispiel der Aufgabe des Seelenbegriffs auch im Bereich der katholischen Theologie des 20. Jahrhunderts (vgl. auf PuLa schon 2013 hier). Seine Feststellungen gelten auch für unsere (ohnehin ja verwandte) Fragestellung:
In der “diachronischen Einheit” “der Gemeinschaft des Glaubens” blieb “die Identität des Geglaubten im Prozeß der allmählichen Entfaltung der Worte und in der Ausbildung einer ganzheitlichen Anschauung der dem Glauben zugrundeliegenden Wirklichkeit verbürgt […]: Entwicklung und Identität waren keine Gegensätze, weil das gemeinsame Subjekt Kirche beide zusammenhielt.”
Dies endete mit Luther, dem die Kirche “[…] die eigenmächtige Verderberin des reinen Wortes [wurde]. Tradition ist [nun] nicht mehr die bleibende Lebendigkeit des Ursprünglichen, sondern dessen Widerpart. Der richtige Sinn […] muß nun im historischen Verstehen der Bibel gegen das lebendige Verstehen der Kirche gesucht werden; Entwicklung ist keine Kategorie mehr, weil ihr Träger fehlt. Damit wird die Fixierung auf die biblische Terminologie unausweichlich […].”
Exakt diese “Trennung von Ursprung und Überlieferung”, die sich auch in allzu vielen katholischen Köpfen und Gemütern breitgemacht hat, ist es, die es fertigbringt, in der “katholischen Bibel” “Verwesung” gegen “Grube” zu tauschen und damit die Auferstehungspredigt seit apostolischer Zeit und auch das doch vor sich hergetragene Streben nach stärkerer Verbindung von Altem und Neuem Testament zu konterkarieren.
Ohne daß dies jemandem auffällt.
Anscheinend.
Oder nur scheinbar?
An diesem Beispiel wird übrigens auch deutlich, was unter dem (häufig allzu schnell erhobenen) Vorwurf der “Protestantisierung” wirklich zu verstehen ist: Eine tödliche Gefahr, ohne deren Überwindung die Zukunftsfähigkeit der uns vertrauten Gestalt von Kirche auf dem Spiel steht: Niemand braucht ‘Wittenberg light’ mit ein bißchen katholischer Folklore!
Gereon Lamers
Hl. Hieronymus und Hl. Augustinus, die ihr so leidenschaftlich um die richtige Übersetzung der Heiligen Schrift gerungen habt, bittet für uns!
PS: Wie Sie ja wissen, PuLa bemüht sich immer, Sie gerade auch in ernsten Fällen nicht ohne praktische Empfehlung zu lassen! 😉 So auch heute.
Daher drei Vorschläge:
1) Mißtrauen Sie der Einheitsübersetzung. Das ist unschön, aber unausweichlich.
2) Schaffen Sie sich als stets genutztes Korrektiv eine Form der Allioli-Bibel an. Am besten antiquarisch, je älter, desto besser, aber auch die neuen Formen sind ein Schritt in die richtige Richtung.
3) Sehr, wirklich sehr zu empfehlen ist das schmale (gut 160 Seiten) aber sehr dichte und reiche Buch von J. Schnocks über die Psalmen! Leider scheint es gerade neu nicht erhältlich, aber gebraucht wirkt es gut verfügbar (ISBN-13: 978-3825234737).
Ein Kommentar
Als katholisches Korrektiv zur EÜ auch immer gut Henne/Rösch.
Und warum auch nicht mal öfter Luther danebenlegen (zumindest bis einschließlich der 1957 Revision)
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