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Warten auf Godot

Es müßte eigentlich das Stück der Stunde sein: Samuel Becketts „Warten auf Godot – das zwar nicht absurde Theater, aber das Theater des absurden und vergeblichen Wartens auf ein angekündigtes aber bis zuletzt nicht eintretendes Ereignis. Das Stück ist Sprechtheater mit zwei Hauptfiguren und drei Nebenrollen: Mit fünf Mann also ideal für coronabeschränkte Raumsituationen. Und inhaltlich die ideale Ausdeutung coronabeschränkter Anordnungen: Der Ausnahmezustand wird aufgehoben, wenn die Zahl der Infizierten sich in erst 10 Tagen verdoppelt – ach nein, sagen wir 14 Tage … ach, die haben wir schon? – Na gut, dann nehmen wir die Reproduktionszahl. Solange geht ihr gar nicht oder nur ab und zu in die Schule, dürft euch nicht in Gruppen treffen und in den Gottesdiensten am besten überhaupt nicht singen. In Chören jedenfalls nicht.

Die Mund-Nasen-Bedeckungen, die nach wie vor beim Einkauf lästig und für z.B. Frisöre, die sie stundenlang tragen müssen, sogar gefährlich sind, werden gerne als Kotau vor den mittlerweile von Etlichen nur noch als unsinnig empfundenen Maßnahmen gedeutet. Ich glaube, sie sind das sichtbare Zeichen, das jede Religion braucht. Denn eine Art Ersatzreligion haben wir da ja schon, mit dieser “Pandemie”. Das hat PuLa ja unlängst bereits thematisiert. Wir haben Propheten, die Konträres vorhersagen und sich gegenseitig des Verbrechens zeihen. Wir haben Anhänger auf der einen wie auf der anderen Seite. Wir haben eine Art Isebel, die die falschen Propheten stützt und für die der aufgeklärt-gemäßigte Mob unserer postindustriellen Gesellschaft immer lauter die sanfte Strafe eines Untersuchungsausschusses, des sofortigen Rücktritts und der Rechenschaft fordert (zur Vorbildgeschichte vgl. 1 Kön 17 ff.)

Ja – und Religion braucht Zeichen. Deshalb bereiste Helena, die Mutter Konstantins des Großen, im Zuge der Aufwertung des Christentums und ihrer eigenen Bekehrung das Heilige Land, um den Kreuzesstamm und die Gebeine der Magier aus Ekbatana – vulgo der Heiligen Drei Könige – aufzuspüren. Das Volk braucht Berührungsreliquien und sichtbare Zeichen. Und da nun dieses Virus und die von ihm ausgehende Gefahr für die Bevölkerung ja schon unsichtbar ist und das Sich-Nicht-Berühren auch nur eine Sichtbarmachung ex negativo bedeuten kann, tragen wir seit unserer Zwangsbekehrung zur Religion der Corona-Fürchtigen am 24. April 2020 in Thüringen selbstgenähte Mund-Nasen-Bedeckungen. Und warten auf Godot: Auf die „Zweite Welle“ die einen, auf das Ende des Irrsinns die anderen. Und beides kommt nicht. „Nichts zu machen“, wie es im Theaterstück immer wieder heißt.

Glücklicherweise sind die Richtlinien des Bistums und auch der Stadt Weimar (in Form der neuen Hausordnung der städtischen Musikschule) sehr eindeutig und grenzen – ganz nach dem Vorbild der Anzahl der Kunden pro Quadratmeter Einkaufszentrum – kleine Scholen bzw. Ensembles mit bis zu fünf Personen von Chören und Orchestern ab: Die kleinen Ensembles dürfen sich wieder zum Proben treffen – ja, deren Singen auch in den Messen ist im Bistum Erfurt sogar „erwünscht“.

Wer lesen kann, ist da klar im Vorteil. In dem Krisenstab, der vorgestern zur weiteren Anpassung der Verhaltensrichtlinien in unserer Pfarrei an die neuesten Corona-Schutzmaßnahmen tagte, können das eigentlich alle.

Warum nur haben sie es nicht getan?

Jedenfalls haben sie Chöre und Ensembles in einen Topf geworfen, den Deckel draufgemacht und den Topf auf das sprichwörtliche Abstellgleis rangiert. Ja – die Sitzung hat es sogar geschafft, unseren Pfarrer zur Rücknahme seiner bereits getroffenen und in den Vermeldungen der vergangenen Woche dokumentierten Entscheidung der Wiederzulassung der Cäciliniproben zu bewegen. Und er hatte offenbar leider ebenfalls die Sätze – „Argumente“, muß man ja fast schon sagen … – nicht parat, die in mehreren Emails zwischen ihm und mir hin- und hergegangen waren und ihn in den Stand gesetzt hätten, seine Entscheidung zu verteidigen. So daß nun sowohl unser kleines Instrumentalensemble als auch das Vokalensemble Cäcilini weiterhin … naja – wir werden sehen, was sich ergibt.

Die diesmaligen Vermeldungen mit der Ankündigung der Cäciliniprobe in Gemeinderäumen: schützenswert, da erstmal wieder von Seltenheitswert (Screenshot der Herz-Jesu-Homepage am 6. Juni 2020, 18.30 h)

Wenn man nicht alles selber macht! Bis uns als großer Pfarrei endlich eine Kantorenstelle bewilligt wird, auf der dann eine Person sitzt, die sowohl die Orgeldienste als auch das Singen für alle Altersgruppen interessiert im Blick hat, müssen in Herz Jesu Weimar offenbar immer die LeiterInnen aller betroffenen Gruppen (so viele sind es ja nicht mehr) in solche Krisensitzungen einbezogen werden. Denn augenscheinlich können oder möchten alle Ehrenamtlichen nur für ihre eigene Gruppe sprechen oder werden nur in Bezug auf diese gehört.

Wie auch immer – ewig kann’s ja nun wirklich nicht mehr dauern mit der Beschneidung der Lebensqualität. Vielleicht singen die Cäcilini bis dahin ein bißchen in die WhatsApp-Gruppe? 😀 Oder – zusammen sitzen darf man ja wieder – wir gucken gemeinsam … WARTEN AUF GODOT!
Enjoy 😉

Cornelie Becker-Lamers

 

PS: Naja, ob es mit dem Vergnügen bei diesem Stück so weit her ist…? 🙄 Aber egal, richtig ist natürlich einfach ganz praktisch: Es wäre das ideale Stück in diesen Zeiten. Tun wir jedoch einen kleinen Weimarischen Seitenblick außerhalb des katholischen Bereichs, so kann man sich ja schon fragen, wann eigentlich das Theater wieder angeht. Also, das echte, nicht das Dauer-Theater in dieser Pfarrei 😉 , sprich das DNT. Ob da der Intendant sich ziert, mit reduzierter Personenzahl den Vorhang hochgehen zu lassen? Als ob sonst immer  so viel mehr kämen, als die 185, die nach unsrer Kenntnis dürften! Aber das Ego…
Ich weiß nicht, woran erinnert mich das jetzt doch wieder im kirchlichen Bereich?
Richtig, an das Bistum Magdeburg! Dort hat man bekanntlich ja auch die Wiederaufnahme der öffentlichen Gottesdienste deutlich länger rausgeschoben, als es staatlicherseits geboten war. Und ich dachte immer, Bischöfe und Intendanten werden für ihre Arbeit nicht nur bezahlt, sondern
könnten eigentlich gar nicht anders, als ihre Arbeit zu tun/ihrer Berufung nachzugehen.

Gereon Lamers 

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