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PuLa unterwegs: „Weine und Kohlen“

Als man endlich wieder eine Ferienwohnung beziehen durfte, und das sogar außerhalb Thüringens, haben wir vor drei Wochen mit einem befreundeten Ehepaar eine zweimal verschobene Weinprobe am Zusammenfluß von Saale und Unstrut nachgeholt. Wir waren in dem beschaulichen Dörflein Roßbach – mittlerweile Ortsteil von Naumburg –, das mit seinen gut 300 Einwohnern so hervorragend vom Weinverkauf zu leben scheint – die Ansammlung schmucker, von dicken Rosensträuchern umstandener und zumeist etwa 200 Jahre alter Häuser vor den rebenbestandenen Hängen ist eine Augenweide! –, daß man die zahlreichen Ferienquartiere kaum beworben und dennoch meist belegt findet. Zu unserem Glück hatte unsere mitreisende Freundin nicht nur herumtelefoniert, sondern sich den Flecken auch auf Google-Maps herangezoomt, so daß sie für uns vier endlich doch ein Häuschen in der sich im Saaletal entlangziehenden, sinnigerweise mit dem Gemarkungsnamen „Weinberge“ betitelten Straße ausfindig gemacht und für uns reserviert hatte.

Mir oblag – wie häufig bei unseren gemeinsamen Kurzurlauben – die Recherche nach den Möglichkeiten des sonntäglichen Meßbesuchs. Und da der beschauliche Flecken neben allem anderen auch noch über eine – oh Wunder: katholisch geweihte, nach Alter der Bausubstanz wie architektonischer Ausdehnung gleichermaßen bemerkenswerte Kirche verfügt, ruhte ich nicht eher, als bis ich einen Kontakt hergestellt hatte, der uns zwar keine Messe in diesem dem Patrozinium der Heiligen Elisabeth unterstellten Gotteshaus, wohl aber eine Besichtigung der majestätisch über den Dächern Roßbachs thronenden, in ihren ältesten Teilen spätgotischen Anlage ermöglichte.

Die katholische Kirche St. Elisabeth in Roßbach (Naumburg); links oben im Bild ein nach wie vor nur zu Fuß erreichbares Quartier der Jugendbildungsstätte St. Michael (eigenes Bild)

Da die eigentlich zuständige Jugendbildungsstätte in der Nachbarschaft der Kirche wegen Corona-Maßnahmen unterbesetzt war, gelang dies über die rührige Gemeindereferentin der Pfarrei St. Peter und Paul Naumburg, der St. Elisabeth Roßbach mittlerweile zugeschlagen ist. Einige Emails gingen hin und her, wir verabredeten uns am Sonntag um 10 Uhr zum Hochamt in der Pfarrkirche und fuhren nach den üblichen Gesprächen, in welche die Diaspora auch und gerade fremde Meßbesucher immer sofort verwickelt (natürlich wurden uns zuguterletzt von einer betagten Erzieherin Grüße an ein uns bekanntes Weimarer Ehepaar aufgetragen…) gemeinsam nach Roßbach.

St. Peter und Paul Naumburg (eigenes Bild)

Hinter den Kommunionschranken der im Juni 1962 geweihten Kirche der charakteristische Chorraum dieses Typs basilikaler DDR-Kirchenbauten (eigenes Bild)

Ein Ruhestandspfarrer erwartete uns schon vor der offenen Pforte von St. Elisabeth und eine gute Stunde dürfte mit historischen Erläuterungen, mit Schauen, Nachfragen und Gesprächen allein in der Kirche vergangen sein, bevor wir noch die Jugendbildungsstätte besichtigen und ihre Geschichte als einstigen Sitz von Grauen Schwestern (die schließlich auf der Flucht vor der Staatssicherheit aus dem Fenster sprangen) erfahren durften.

Auf einige besondere Ausstattungsmerkmale von St. Elisabeth möchte ich Sie hinweisen. Die Kirche, die 1897/98 von den zeitweilig eingebauten Emporen befreit und zu einem Saalbau erweitert wurde, besitzt nämlich im Eingangsbereich einen sehr ausdrucksvollen modernen Kreuzweg. Schauen Sie:

Station VI (Veronika) des Kreuzweges in St. Elisabeth Roßbach (eigenes Bild)

Station IX (Jesus fällt zum dritten Mal); die konsequent graphische Anlage in der künstlerischen Gestaltung ermöglicht ausdrucksstarke Formulierungen der Kreuzwegmotive (eigenes Bild)

Aus Laucha hat man eine spätmittelalterliche Statue nach St. Elisabeth übernommen, bei deren Identifizierung durch den Verlust ihrer steinernen Unterarme auch der zuständige Geistliche unsicher ist: Handelt es sich um eine Madonna, deren Christusknabe verloren ging, die aber auch nie einen Mond zu Füßen hatte, nie auf eine Schlange trat? Oder stellt die Figur eine Elisabeth dar, deren Arme einst Rosen gehalten hatten – ohne sie jedoch in der Schürze zu bergen?

Die rätselhafte Heiligenfigur in St. Elisabeth Roßbach (eigenes Bild)

Natürlich gibt es mittelalterliche Schlußsteine in den Deckengewölben und Jugendstilfenster aus der Zeit des Umbaus zu sehen. Zuletzt wurde die Kirche 1980 saniert – und diese Sanierung ist auch der Grund, warum sie wieder katholisch geweiht wurde: Der evangelischen Landeskirche fehlte zu dieser Zeit das Geld für die Restaurierung und die Weltkirche sprang ein.

Am Vortag hatte ich bereits das Angelusläuten von St. Elisabeth aufgenommen, weil es zeitlich zufällig gerade paßte. Mit dem kurzen Film, den ich hiervon auf unserem YouTube-chanel gepostet habe, möchte ich schließen. Enjoy 🙂

 

Cornelie Becker-Lamers

 

PS: Die heutige Überschrift zitiert einen running gag des Asterixbandes „Der Avernerschild“: In Gergovia, wohin die gallischen Helden auf der Suche nach dem Schild des Vercingetorix gelangen, bietet jedes Haus „Weine und Kohlen“ zum Verkauf an.

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