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„also: Weimarer“ – Teil IV

Immer noch Gedanken über das Zitat zum Tage (zum  3. Oktober 2020)

 

„bunt“ und „zu bunt“

Das, was man gemeinhin als Hochkultur bezeichnet, verkörperten hier in der Weimarer Pfarrei in den letzten 15 Jahren, die ich überblicke, selbstverständlich nicht nur Zugezogene aus dem Westen. Ich habe diese Gruppe im ersten Beitrag der vorliegenden PuLa-Reihe am 3. Oktober 2020 nur deshalb so ausschließlich apostrophiert, weil es zu diesem Datum und seither auch in der Lokalpresse immer mal wieder um die Frage nach einer gelungenen Wiedervereinigung ging. Das Feindbild der lange Zeit Tonangebenden hier in Herz Jesu Weimar war allerdings klar. Den 2014er Schlachtruf vom „wessifreien Kirchenvorstand“ haben wir uns schließlich nicht ausgedacht. Den gab es ja wirklich. Aber – nein, die Ausgrenzungen trafen nicht nur die „Wessis“, sondern auch Leute wie den wohl renommiertesten zeitgenössischen deutschen Opernkomponisten. Auch Weimarpreisträger Ludger Vollmer war bis vor ganz kurzer Zeit über zwei Jahrzehnte lang Gemeindemitglied in Herz Jesu Weimar. Und auch er biß sich am hiesigen Regime die Zähne aus.

Was auch unseren jetzigen Pfarrer regelrecht zu verblüffen schien, als ich es einmal formulierte, ist der Umstand, daß, wer etwas kann, dies selbstverständlich auch anderswo kann. Nicht wir Kulturschaffende brauchen diese Pfarrei als Podium (diese Ansicht scheint bei den „also: Weimarern“ vorherrschend). Sondern die Pfarrei braucht uns. „Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht“ heißt es im ersten Korintherbrief (12,21). Wir haben es bereits zitiert. Diese Gedanken sind den „also: Weimarern“ meiner Erfahrung nach aber fremd. Als der Gemeindereferent im Herbst 2006 beim Elternabend der katholischen Erstklässler (die katholischen Grundschüler Weimars wurden damals alle gemeinsam im Pfarrhaus unterrichtet) in die Runde um die Bereitschaft bat, eine Kinderschola zu gründen, ging es um das Singen des in der Pfarrei bekannten Neuen Geistlichen Liedguts. Das habe ich nur ganz spät erst begriffen. Ich kam mit den Liedern, die er mir hinlegte, nicht zurecht und begann eigentlich nur aus der Not heraus, wegen Auftrittsanfragen an die Kinder, selber zu komponieren. Die ersten eigenen Lieder zu einer Taufe, zu Sankt Martin und dergleichen mochten noch hingehen. Aber als 2010 das erste Singspiel über die Bühne ging, wurde es den „also: Weimarern“ (in Gestalt des Pfarrgemeinderates) zu bunt. Man war erkennbar nicht amüsiert. Ich habe den Eindruck, daß für die „also: Weimarer“ das Motto handlungsleitend ist: ‚Sei gern erfolgreich, ist uns wurscht, nur bitte um Himmels Willen nicht in der Pfarrei und nicht mit Außenwirkung für die katholische Gemeinde. Wir sind hier unter uns und wollen das auch bleiben. Wir machen hier vor uns hin. Hoffentlich sieht uns keiner.‘

Und so zogen sich immer mehr der fleißigen und wachen, offenen und hilfsbereiten Zugezogenen wieder aus der Pfarrei zurück – zogen, im Falle von Senioren durchaus auch motiviert durch die fehlende Integration, entweder ganz und gar wieder weg, traten in die evangelische Kirche über oder engagierten sich zumindest nur noch dort. Wenn sie nicht (vor 2015) im Pfarrbüro bei der ersten Anfrage nach den Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements in der Gemeinde durch den alleinigen Hinweis auf Hilfsdienste in der Kleiderkammer der caritas von vornherein abgeschreckt wurden. Solche Menschen kennen wir auch, und sie fehlen im Gemeindeleben.

(Kurze Bemerkung zu einer anderen Stelle des Radio-Horeb-Interviews um Minute 36:00 herum, wo Pfarrer Gothe die Tatsache, daß die Kirche unbewacht den ganzen Tag geöffnet ist und wir keine Kirchenaufsicht haben – und das heißt, nebenbei bemerkt, auch: niemanden, der bei Bedarf einige Worte über die Kirche und ihre Ausstattung sagen könnte – mit dem Mangel an ehrenamtlichen Helfern für diese Aufgabe begründet. Diese Einschätzung kann ich nicht nachvollziehen, denn ich habe zum einen noch nie eine Anfrage in den Vermeldungen gehört, in der um die Bereitschaft zu einer solchen Aufsicht gebeten wurde. Zum andern muß man sagen: Wenn alle Katholikinnen und Katholiken, die in der evangelischen Stadtkirche Aufsicht tun, dies in Herz Jesu leisten würden – und warum sollten sie nicht? –, dann hätten wir schon etliche Stunden abgedeckt. Klammer zu.)

 

Desinteresse und Desintegration

Ein halbes Jahr lang hielt der damals neue Pfarrer dem Druck, der  – laut eigener Aussage –  auf ihn ausgeübt wurde, stand. Das ist leider überhaupt keine lange Zeit – wenn ich denke, wie lange meine Familie inklusive Kindern massivste Anfeindungen durchgehalten hat. Aber ungefähr um Ostern 2016 herum begann der Pfarrer sich nur noch dafür zu interessieren, wer die Kirche putzt. Im Wortsinne. Die Pfarrjugend ließ er fallen (die Umstände auszuführen, würde hier zu weit führen), obwohl er als beliebter Jugendpfarrer in Weimar Einzug gehalten hatte. Und obwohl er die Jugendlichen an seinem ersten Arbeitstag gefragt hatte, wo sie denn gemeinsam singen könnten, erwiderte er mir auf meine im Verlauf von etwa zwei Jahren immer wieder vorgetragenen Bitten um Werbung für die Chöre der Pfarrei: „Wenn ein Kinderchor eingeht, ist das doch kein Beinbruch“ – „Das ist nicht der Untergang der Arche Noah“ – „Ist doch eigentlich eine schöne Chance für einen Neuanfang“ (auf den wir nach nunmehr Jahren ohne Kinderchor allerdings bis heute warten). Nach der vierten Antwort: „Wissen Sie was, eigentlich bin ich ganz froh, wenn der Chor eingeht, damit ich endlich nicht mehr dafür verantwortlich bin“ schnitt ich das Thema nicht mehr an und machte einfach meine Arbeit.

Ich möchte diesen in verschiedenen Variationen formulierten Standpunkt an dieser Stelle einmal zur Diskussion stellen und denke, das kann ich tun, ohne ‘aus dem Nähkästchen zu plaudern’, da es ja eine seit Jahren ernsthaft vertretene Position ist, die mit Äußerungen wie „es ist mir egal, wo die Kinder Musik machen“ und „ich bin keine Musikschule“ zusätzlich flankiert wurde. Ich persönlich würde mir wünschen, daß ein Ortsgeistlicher den Wert des in der Pfarrei eingebrachten Engagements von Kindern und Jugendlichen stärker gewichtet. Wie sehen Sie das?

Aber weiter im Text: Vor einem guten Jahr sah ich dann Professor Kapsner mit einem Wischeimerchen aus der Kirche kommen (er hatte im Vorfeld der Probespiele für die Neubesetzung seiner Professur die Orgel gereinigt und fand es auch wichtig, dies selber und allein getan zu haben). Ich dachte: Ah! Jetzt ist ja alles in Ordnung. Jetzt putzt sogar der Initiator der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel. Und als die Sängerin, die mit den Herz Jesu Finken vor Jahren den Sieg im  Goldkehlchenwettbewerb in unsere Pfarrei geholt hat (was freilich auch Insiderwissen blieb), zum Gemeindefest Küchendienst tat, statt mit Kindern zu singen (weil ihrer Gruppe wie den Cäcilini und dem wieder eingegangenen Jugendchor seit Jahren der Nachwuchs fehlt), entwarf ich den Sketch zum Kuchencomputer mit dem Schlußspruch: „Erst wenn die letzte Frau im Küchendienst untergepflügt ist, werdet ihr merken, daß man sich eine Pfarrjugend nicht backen kann!“

Es sind dies beides jedenfalls klassische Beispiele für meine oben (in Teil III) festgehaltene Beobachtung, in Herz Jesu Weimar könnten sich nicht im Sinne von 1 Kor 12, 4-21 verschiedene Gaben, verschiedene Glieder des einen Leibes entfalten, sondern ein einziges Körperteil sagte zu allen andern: ‘Seid halt wie ich, dann könnt ihr auch mitwurschteln’.

Eine Erdbeertorte kann man backen. Wenn man kann (in diesem Fall kann das meine Tochter). Eine Pfarrjugend nicht (eigenes Bild)

 

Fortsetzung folgt morgen

 

Cornelie Becker-Lamers

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