Notizen zur Darstellungsgeschichte der
„Weisen aus dem Morgenland“
Wenn ich als Kind vor einer Darstellung der „Anbetung der Könige“ stand, hat mich eine Sache immer verstört: Daß da auf dem Bild mindestens ein halb Dutzend Erwachsener in prächtigen mehrlagigen Gewändern um ein Baby herumstanden oder -knieten, das splitternackt an der Erde lag. Und daß die Erwachsenen, die um mich herum standen, manchmal auch noch darauf hinwiesen, daß das arme Jesuskind frieren muß, guck mal!
Aber wenn das Jesuskind doch friert, warum legt denn dann keiner der Erwachsenen einen Umhang ab und wickelt das Kind darin ein?
Also das fand ich wirklich merkwürdig.
Über die Hautfarbe der dargestellten Personen habe ich mir hingegen nie Gedanken gemacht. Weder über die schlohweiße Mutter mit ihrem ebenso hellhäutigen, wohl gar blondgelockten Kind, noch über die individuelle Ausgestaltung der einzelnen Könige. Da haben es Betrachter ja immer leicht: Das Retabel sieht halt aus, wie es aussieht. Um die Art der Darstellung müssen sich die Künstler Gedanken machen; und ikonographische Traditionen mit den Sonderwünschen der Auftraggeber und – insbesondere seit der Renaissance – dem eigenen Interesse am neuartigen Blickfang vermitteln.
Wenn es um die Veranschaulichung von etwas so Neuem wie den Begleitumständen der Geburt des Messias geht, müssen die ikonographischen Traditionen freilich erst herausgebildet werden. Und da ist es angesichts dürrer Angaben im Text („da kamen Weise aus dem Morgenland“ Mt 2,1) sehr hilfreich, wenn Autoren wie Origines schon um das Jahr 200 herum aus der Dreizahl der Geschenke von Gold, Weihrauch und Myrrhe (Mt 2,11) auf drei Gäste schließen. Da die Herren sich ja offensichtlich auf Astrologie verstanden und diese (nach Nebra 😉 ) auch in Babylon zur Blüte gelangt war, erschienen die Besucher Christi auch als medische Priester.
Die Namen freilich variieren noch lange. Während die zweiten Besucher Christi (nach den Hirten) auf obigem Mosaik in Ravenna bereits als Balthasar, Melchior und Gaspar benannt werden, kennt Jacobus de Voragine in seiner „Legenda aurea“ (13. Jh.) zusätzlich eine hebräische und eine griechische Version und hält für uns die Namen Appellius, Amerius und Damascus bzw. Galgalat, Magalat und Sarathin fest.
Zugleich blieb nicht unbemerkt, daß sich ja auch in der Huldigung durch die Sterndeuter nur erfüllte, was geschrieben stand; hatte doch Jesaja bereits die Könige prophezeit, die kommen würden, um vor dem Herrscher der Welten das Knie zu beugen (Jes 60,3-6), und der Psalmist weiß sogar, wo diese Könige zu Hause sind: In Tarschisch und in Saba (Ps 72,10). Caesarius von Arles (469-542) soll, wie Manfred Becker-Huberti schreibt, diese Lesart festgeklopft haben – und mit den Stichwörtern Tarschisch und Saba haben wir mithin schon im 6. Jahrhundert die Idee, daß einer der Besucher ‚vom anderen Ende der Welt‘ kommt: Das Königreich Saba siedelt man an der Südspitze der arabischen, Tarschisch hingegen im Südwesten der iberischen Halbinsel an: Was rund ums mare nostrum wohnt, heißt das, huldigt dem Friedensfürsten.
Den nächsten wichtigen Hinweis zur Darstellung der drei Magier liefert Beda Venerabilis (674-735), der den drei Herrschern drei Menschenalter zuordnet: 20, 40 und 60 Jahre. Und er lanciert die Idee, tatsächlich alle drei damals bekannten Kontinente rund um das Mittelmeer in den Königen zu repräsentieren. Der jüngste König wird Afrikaner.
Repräsentanz oder Markierung?
Als in den 80er Jahren die ersten Barbiepuppen aus dunkelbraunem statt rosafarbenem Kunststoff in den Spielwarenläden auftauchten, begriffen wir, daß alle, die sich von diesen Puppen angesprochen fühlen sollten, sich auch in ihnen müßten widerspiegeln können.
Dunkelbraune Babypuppen und dunkelbraune Schaufensterpuppen folgten, und im Jahr 2001 überraschte uns der hochpreisige Trachtenladen Stassny in Salzburg mit schwarzen Kindermodels:
Also: Schwarze Figuren – weiße Weste?
Nein!
Es kommt auf die Geschichten an, die die Figuren transportieren. Und da gibt es eben Gestalten wie den Zwarte Piet, den Begleiter des niederländischen Nikolaus, dessen Tradition und heutige Beurteilung die Schafe schon vor gut sechs Jahren einmal von allen Seiten beleuchtet haben. Seit dem 19. Jahrhundert erscheint die eigentlich viel viel ältere Figur als schwarzer Diener des weißen Nikolaus, mit dem er aus dem spanischen Mutterland übers Meer nach Holland segelt. Kritikern dieses alljährlichen Schauspiels wird er zu einem Sinnbild der Unterdrückung dunkelhäutiger Bevölkerung, das die Rollenverteilung zwischen „schwarz“ und „weiß“ zementiert und regelmäßig dazu beiträgt, die Diskriminierung als quasi-natürlich, durch den Diener gutmütig und fröhlich akzeptiert darzustellen.
Hinzu kommt die Verkleidung eines Weißen als Schwarzer, das „black-facing“. Auch dies geht auf Bühnenshows des 19. Jahrhunderts aus den Vereinigten Staaten zurück – Bühnenshows, in denen weiße Schauspieler sich das Gesicht schwärzten und die dunkelhäutige Bevölkerung in der Überzeichnung der ihr angedichteten Stereotype karikierte. Wirklich übel, seit 100 Jahren als rassistisch erkannt, aber erst nach und nach aus der Mode gekommen und inzwischen allgemein verpönt.
Und so ändern derzeit Firmen ihre lange eingeführten Signets, wenn diese als Ausdruck des Alltagsrassismus Kritik geweckt haben. Ein bekannter Hersteller von parboiled Reis etwa will seinen Markennamen modifizieren und die Identifikationsfigur aus dem Firmenlogo nehmen:
Auch eine 1852 in Berlin gegründete Schokoladenmarke erfindet ihr Signet neu – und die alte Werbung an Gebäuden wird verhüllt.
Fortsetzung folgt morgen
Cornelie Becker-Lamers
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