Eine Ausstellung in London
Bis 28. Februar zeigt die National Gallery London ihre diesjährige Weihnachtsausstellung, „Sensing the Unseen. Step into Gossaert‘s ‚Adoration‘“. Der flämische Maler Jan Gossaert lebte von 1478 bis 1532 hauptsächlich in Antwerpen. Seine „Anbetung der Könige“ schuf er zwischen 1510 und 1515. Das Gemälde gehört zur Sammlung der National Gallery.
Seine Rezension im „Guardian“ betitelt der Journalist Jonathan Jones mit der Frage “How did Balthasar, one of the three kings, become black?“ Eine Frage, die im Kontext der derzeitigen BLM-Diskussionen um Alltagsrassismus beinahe wie ein Vorwurf klingt: ‚How dare you?!‘
Aber das dient nur als reißerischer Aufmacher (bemerkenswert genug, daß diese Formulierung heutzutage dazu taugt). Jonathan Jones klärt über die Darstellungsgeschichte der Heiligen Drei Könige auf und hält fest: Das Auftauchen eines schwarzen Königs in der Kunst der Renaissance setze nicht etwa endlich die Ideen Bedas um, sondern sei Niederschlag eines vermehrten Auftretens von Menschen anderer Kontinente in Europa; in Europa, das bis dahin wenig Vorstellung von anderen Völkern, Nationen und Kulturen gehabt habe. Gerade in Antwerpen aber oder in Venedig – den großen Seehäfen eben – trafen Künstler wie Gossaert oder Dürer auf Afrikaner und nutzten den unbekannten Anblick auch, um ihren Bildern einen besonderen Blickfang zu verleihen. Diese Strategie und ökonomische Notwendigkeit für Künstler darf man schließlich auch nie außer acht lassen. Ebensowenig wie die Wünsche der Auftraggeber: So hatte Sandro Botticelli in seiner berühmten „Anbetung“ Mitglieder der Medici-Familie zu porträtieren. Bei ihm sind daher alle Besucher des Jesusknaben hellhäutig.
Auf ihrer Internetseite namens „Black Central Europe“ stellt eine Gruppe aus Germanistikdozentinnen, Geschichtsprofessorinnen und Künstlern seit nunmehr sieben Jahren Zeugnisse des Lebens einer schwarzen Diaspora im deutschsprachigen Raum zusammen und bewertet diese Spuren afrikanischen Lebens in Zentraleuropa. Auf mittlerweile 1000 Jahre beziffern die Mediävistinnen den afrikanischen Einfluß, der sich aus Handel, Diplomatie und den Künsten speiste und später (!) von Rassismus und den Verbrechen der Sklaverei überformt wurde. Ziel des Wissenschaftler-Netzwerkes ist es, die reiche Geschichte und mithin längst erfolgte Verwurzelung und Integration schwarzen Lebens in Europa zu belegen.
Auch der Fundus dieser Internetseite beschäftigt sich mit Darstellungen der Heiligen Drei Könige, beispielsweise der „Anbetung“ von Albrecht Dürer (1471-1528), die auch von Jones besprochen wird. Sie stammt aus einer Zeit, in der es an europäischen Fürstenhöfen zum guten Ton gehörte, den Vertreter eines afrikanischen Volkes zu beherbergen und den kulturellen Austausch zu pflegen – wenn man es sich irgend leisten konnte. Daß Dürer sich im zweiten König selbst portraitiert hat, läßt besondere Rückschlüsse auf die künstlerische Intention und seine eigene Bewertung der Figuren zu. Indem Dürers Alter Ego auf das Geschenk und die Gestalt des schwarzen Königs schaut, lenkt es auch den Blick des Betrachters auf diese Figur und bezeugt Dürers lebhaftes Interesse und seine Hochachtung, die explizit auch seinen schriftlichen Zeugnissen ablesbar ist.
„Black Central Europe“ bespricht auch die beiden Portraits afrikanischstämmiger Menschen, die Dürer Anfang des 16. Jahrhunderts in seinem Skizzenbuch festhielt. Beide Zeichnungen werden dabei ausdrücklich gewürdigt: „In these pieces Dürer humanizes his subjects. He does not reduce them to caricatures but rather testifies to their individuality and dignity” – eine Individualität und Würde, die nicht zuletzt in der Namensnennung der zwanzigjährigen Katharina zum Ausdruck kommt.
Fortsetzung folgt morgen
Cornelie Becker-Lamers
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