Ein Sketch für zwei Personen, fünf Schafe und jede Menge Schafstatisten
Wundersdorf/ Oderbruch. Die allseits bekannte Schafweide. Sooo ungemütlich ist das Wetter heute gar nicht und die Schafe grasen in aller Seelenruhe vor sich hin. Einige haben sich in den Unterstand zurückgezogen. Andere liegen unter der Tanne und schlafen. Nur in einer Gruppe um Kohle, Wolle und Flocke ist es unruhig. Was haben sie wieder zu diskutieren? Wir hören mal rein.
Flocke (runzelt die Stirn): Er wird jetzt ständig vom Pritschenwagen abgeholt und ist bis in die Nacht hinein weg.
Wolle (weinerlich): Manchmal sehe ich ihn abends gar nicht mehr, weil ich schon schlafe, wenn er heimkommt.
Blütenweiß (kommt herangetrabt, mitfühlend): Was ist los? Ihr habt doch was!
Kohle (sorgenvoll): Wir fragen uns, wo Tatze in letzter Zeit ständig steckt.
Grauchen: Wir machen uns ein bißchen Gedanken um ihn.
Flocke: Und außerdem fehlt er ja hier.
Wolle: Eben! Schließlich ist er unser Hütehund.
Blütenweiß: Ihr habt Recht! Als ich neulich …
Bevor sie aussprechen kann, wird vom Gatter her ein lautes Hallo hörbar. Die Schafe blicken auf und sehen Richard und Edith auf dem Feldweg stehen und winken.
Kohle (ruft): Wir kommen!
Die Schafe traben los und begrüßen die beiden Freunde.
Richard (freundlich): Na, Schafe?
Edith (ebenso): Was gibt’s Neues?
Grauchen: Ooooch … soweit alles in Ordnung …
Flocke: … eigentlich …
Edith: Raus mit der Sprache!
Richard: Irgendwas stimmt doch nicht. Ich seh‘s Euch an der Nasenspitze an!
Wolle: Tatze ist irgendwie verschwunden …
Kohle: Na – das nicht gerade. Aber er ist in letzter Zeit ständig unterwegs und wir wissen nicht, wo er jeden Abend steckt.
Richard und Edith fangen an zu lachen.
Richard: Na – das kann ich euch sagen, wo der steckt!
Edith: Das kommt bei uns sogar in den Vermeldungen (sie lacht.)
Grauchen: Ist er etwa in der Pfarrei wieder als Blindenhund tätig?
Richard (erinnert sich): Oh … (er prustet) das könnte gut sein!
Edith: Aber ganz soweit ist es noch nicht wieder, in Maria Hilf! Wundersdorf …
Wolle: Also ist es etwas anderes?
Blütenweiß: Jetzt bin ich aber neugierig!
Richard: Der Pfarrer hat sich das ausgedacht.
Edith: Er läßt Tatze immer abholen und vermietet ihn.
Wolle (wird blaß): Tatze?
Flocke (ebenso): Vermietet?
Grauchen (ebenso): An wen?
Blütenweiß: Und wozu? Hundearbeit?!
Richard (wiegelt ab): Macht euch keine Sorgen!
Edith: Es ist alles ganz harmlos!
Richard: Der Pfarrer mußte sich nur was ausdenken, weil die Kollekteneinnahmen so in die Knie gegangen sind.
Edith (erläutert): Jetzt durch die Verordnungen mit den wenigen Meßbesuchern.
Richard (fährt fort): Und da hat er sich kurzerhand die Ausgangssperre zunutze gemacht.
Wolle (völlig verdattert): Wie?
Flocke (ebenso): Ausgangssperre?
Edith: Die Menschen dürfen abends nicht mehr auf die Straße.
Richard: Wegen Corona.
Kohle: Schwachsinn!
Edith: Du sagst es! Im Winter bei geschlossenen Restaurants, Kinos und Theatern völliger Schwachsinn.
Richard: Wird aber eisern geahndet, wenn sich jemand nicht dran hält!
Kohle: Und was hat Tatze damit zu tun?
Edith: Naja – einen Hund Gassi führen – das können sie ja nicht verbieten.
Richard: Eben. Mit dem Hund darf man abends nochmal raus.
Grauchen (beginnt zu begreifen): Und wer keinen Hund hat …
Edith: … kann sich bei unserm Pfarrer einen mieten – genau!
Flocke (mit erhellter Miene): Raf-fi-niiiiiiiert!!!
Wolle: Jetzt begreife ich, warum es für Tatze abends immer so spät wird!
Edith: „Odowy“ heißt die Aktion. Hat der Pfarrer sogar auf den Bonibus drucken lassen.
Richard: Yep:
We walk your dog.
Our dog walks you:
„ODOWY“
Die Schafe brechen in befreiendes Gelächter aus.
Blütenweiß: Genial!!!
Grauchen: Was für ein Geschäftsmodell!
Flocke: Na – da bin ich ja beruhigt!
Wolle: Kohle! Was guckst du immer noch so finster?
Kohle: Ich freue mich für Tatze. Aber ich will auch mal raus.
Blütenweiß: Du bist aber ein Schaf.
Kohle: Na und? Keine Diskriminierung, bitte! Außerdem sehe ich von weitem doch aus wie ein Königspudel. Oder? (Er stellt sich in Positur und wirft den Kopf nach hinten.)
Richard (lacht): Ich werd’s dem Pfarrer ausrichten.
Edith: Machen wir! Dann kann er überlegen, ob er dich das nächste Mal auch mitnimmt in die Stadt.
Alle lachen und reden durcheinander.
Flocke (verschmitzt): Es gibt nur ein Problem …
Kohle: Und das wäre?
Flocke (platzt heraus): Du müßtest länger als fünf Minuten die Klappe halten!
Alle lachen.
Kohle (ein wenig pikiert): Pah! … Mäh! (mit einer plötzlichen Eingebung) Määääh! Ich spreche als Königspudel eben Fremdsprachen! Mäh. Ganz einfach.
Grauchen: … und bist deshalb besonders teuer!
Richard: Deal!
ENDE
Cornelie Becker-Lamers
Ja, so geht’s zu in Wundersdorf. Bloß gut, daß bei uns in Weimar die Kassen nicht so knapp zu sein scheinen, den vielfältigen Baumaßnahmen im und ums Gemeindehaus nach zu schließen.
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