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Die Neutralisierung der Schiefertafel

oder Von der Unlust, die Angst zu nehmen

Vor sechs Wochen hatten wir Ihnen die Herz-Jesu-Weimar-Variante der derzeit in deutschen Kirchengebäuden errichteten Klagemauern vorgestellt. Unserer Klagemauer hier ist eine Schiefertafel im Wortsinne zur Seite gestellt, auf der bis etwa Anfang Juni die Sterbedaten Weimarer ‚Coronatoter‘ (also mit oder an oder lange nach …) verzeichnet waren. Die Liste begann mit einem recht isolierten Datum Mitte November, hatte dann erschreckend viel in der Advents- und Weihnachtszeit aufzuzählen und endete mit dem 18. Februar 2021. Von den 96 bis Mai 2021 an oder mit oder nach einer Coronainfektion Verstorbenen deckte die Schiefertafel in Herz Jesu 90 Daten ab. Das heißt, man konnte nachvollziehen, was HNO-Ärzte seit April 2020 predigten: Daß der seit langem bekannte Coronavirus ein saisonaler Virus ist, der im Winter die Menschen infiziert und dann in der Wirkung bis zum nächsten Herbst abklingt. Das konnte man der Tafel ablesen. Das beruhigende Faktum wurde in Herz Jesu Weimar wirklich veranschaulicht.

PuLa riet, auch die fehlenden sechs Daten zu ergänzen, um den zeitlichen Abstand der Sterbedaten noch sinnfälliger zu machen und den Menschen die Angst zu nehmen. Denn es gibt immer noch welche, die eine ganz diffuse Angst vor dieser Krankheit haben – eine Angst, die eben genau die über lange Zeit vorherrschende Medienberichterstattung spiegelt.

Man entschied sich in Herz Jesu Weimar leider anders. Statt die aufschlußreiche Tafel zur Beruhigung der Menschen stehen zu lassen oder den Fakten entsprechend zu ergänzen, ersetzte man die konkrete Datenliste durch eine Strichliste, die nun gerade keinerlei Aufschluß über Häufung der Todesfälle und das Abklingen der Gefahr mehr zuläßt. Schauen Sie:

Die Schiefertafel aus der Klagemauer-Installation in Herz Jesu Weimar, Variation 1 (eigenes Bild am 3. Juni 2021)

Seltsam – nicht wahr? Wie hier auch Vertreter der katholischen Kirche sich dafür entscheiden, Dramatik eher aufrecht zu erhalten als Angst zu nehmen. 🙁

Cornelie Becker-Lamers

PS: „Fürchtet Euch nicht!“ ??!! Da war doch mal was… Außerdem schreitet mit dieser Darstellung die Entpersönlichung der Verstorbenen noch weiter fort. So KANN kein gelingendes Gedenken organisiert werden, weder kirchlich, noch staatlich, noch, was am allerschlimmsten ist, in den eigentümlichen Mischformen, die nicht zuletzt der Vorsitzende der DBK jüngst immer wieder propagierte. Erst, wenn wir uns wieder „trauen“, uns auf eigenes zu besinnen, um es dann auch zu TUN, werden wir wieder wahrgenommen werden.

Gereon Lamers

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