Ein Sketch zum Ersten Advent für drei Personen
Wundersdorf, Oderbruch. In der Küche der Familie Langenfeld. Edith sitzt mit Karl bei einer Tasse Kaffee. Aber die Atmosphäre ist gedrückt. Also – kann man ja verstehen, in der heutigen Zeit. Aber was genau ist los?
Unsere abgewählte Exekutive hat weitere Maßnahmen zum Schutz der Ungeimpften beschlossen. Schließlich, so ließ ein karrierebewußter Gesundheitsexperte hören, könne man diese Gruppe ja nicht sich selbst überlassen. Und damit man diese Menschen endlich auch aus den Supermärkten heraushalten kann, faßt man die „Ugis“, wie sie mittlerweile heißen, neuerdings in bestimmten Gebieten zusammen, um die Lebensmittelversorgung dieser armen Geschöpfe sicherzustellen: eine humanitäre Maßnahme also, angesichts derer manche Kommentatoren der Öffentlichen Rechtlichen allerdings bereits laut nachdenken, ob diese Ugis sie überhaupt wert sind … Aber bei humanitären Maßnahmen kennt unsere abgewählte Regierung bekanntlich kein Pardon. Wir schaffen das.
Tja – und da Wundersdorf nur aus Sprache besteht und von daher besonders gut zur Coronapandemie paßt (die bei aller Ernsthaftigkeit der Erkrankung im Einzelfall mit ihrer Einordnung als Pandemie ja ebenfalls eine sprachliche Konstruktion ist), hat man sich entschlossen, in und um Wundersdorf das Reservat für die Schutzhaft der Ungeimpften des Landes Brandenburg zu errichten. Das kleine Städtchen mit umliegenden Dörfern und Weiden wurde quasi über Nacht eingezäunt – wie ja alles derzeit quasi über Nacht geschieht – und Bewohner entsprechend ihres Impfstatus umgesiedelt. Um alle zu schützen.
Aber seien Sie unbesorgt: Die Wundersdorfer wären nicht die Wundersdorfer, wenn sie nicht dennoch zuverlässig Kontakt von Drinnen nach Draußen und umgekehrt halten würden …
Karl: Nee, heute war das wirklich knapp, mit dem Tunnel (er nickt vor sich hin). Sie hätten mich fast erwischt.
Edith: Die Jungs graben schon an einem weiteren, Petershagener Chaussee, hinten im Garten von Fischers, hinter der Rotbuche, da kommt der raus.
Karl: Ah! Gut, daß du das sagst. Wer wohnt denn da jetzt?
Edith: Fischers wohnen noch dort.
Karl (irritiert): Hm? War er nicht geimpft?
Edith: Doch, aber er ist doch mit einer Ungeimpften verheiratet.
Karl: Ach so … ja klar …
(Edith bemerkt, daß Karls Tasse leer ist und hebt die Kaffeekanne an.)
Edith: Möchtest Du noch einen Schluck?
Karl (hebt seine Tasse mitsamt Untertasse an): Gern!
Edith gießt noch ein wenig Kaffee aus.
Karl (mit einer Handbewegung): Danke! (Er stellt die Tasse ab.) Ich hab gesehen, die Doppelhaushälften auf der Petershagener Chaussee sind jetzt auch wieder bewohnt. Sieht schön aus, wenn abends dort wieder Licht brennt.
Edith (nickt): Ein Gefühl wie damals, als endlich das Pfarrhaus wieder zur Straße hin bewohnt war und in der dunklen Jahreszeit immer ein Schwibbogen oder sonst ein Licht dort brannte.
Karl: Also diese Ansiedelei hier hat eindeutig auch was Gutes!
Edith: Und wen du da alles kennenlernst! Die unbeschreiblichsten Leute – aber alle einen Hintern in der Hose. Sehr wohltuend!
Karl (nickt): Das haben wir ja schon lange gesagt: In Situationen wie dieser lernst du die Leute kennen. (In verändertem Tonfall): Es ist nicht mehr schön, draußen, Edith! (Er schaut Edith ernst an.)
Edith: Die Tunnel sind ja auch dazu da, damit ihr hier ins Reservat rein kommt, nicht wir raus. Ich kann mir schon vorstellen …
Karl: Kannst du nicht, Edith. Kannst du nicht! (Er schüttelt den Kopf und stiert eine Weile vor sich hin.) Sie haben jetzt endlich eine Nutzung für all die leerstehenden evangelischen Kirchen gefunden (er verbirgt sein Gesicht in den Händen.)
Edith: Ach so? Das klingt ja interessant! (Sie beugt sich nach vorne und stützt die Ellbogen auf der Tischplatte auf.)
Karl: Ist es aber nicht. Es ist schrecklich!
Edith: Was machen sie denn jetzt da drin?
Karl: Impfzentren. (Er macht eine kleine Pause.) Diese Kirchen werden alle Impfzentren!
Edith (sieht ihn betroffen an): Oh! Das klingt ja, als wollten sie sie diesmal nicht so schnell wieder schließen?
Karl (nickt): Es wirkt wie auf die Ewigkeit angelegt. Sie fangen schon an, sie auszumalen.
Edith: Ausmalen?
Karl: Beziehungsweise sie bringen Schriften auf die Wand auf.
Edith: Ach so … Psalmen … ?
Karl (lacht sarkastisch auf): „Die Impfung ist einzig und Lauterbach ist ihr Prophet“ steht in Christkönig! Immer wieder – die ganzen Wände voll. (Er legt seine Stirn auf seine gekreuzten Hände auf der Tischplatte).
Edith (tonlos): Um Gottes Willen! Aber dagegen muß sich doch jemand wehren!
Karl (dumpf): Die Bischöfe predigen beinahe geschlossen, daß man sich impfen lassen soll und führen 2G in den Gottesdiensten ein …
Edith (schnaubt): Feige! Allesamt feige!
Karl (schaut auf): Und die muslimischen Verbände diskutieren, ob sie es als Gotteslästerung unterbinden wollen oder den Spruch zulassen, aber Tantiemen einfordern.
(Die Küchentür geht und mit ernster Miene betritt Teresa den Raum.)
Fortsetzung folgt
Cornelie Becker-Lamers
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[…] Dann merk dir mal ihre Gesichter, wenn sie öfter kommen, können wir ihnen ja sagen, wo der Tunneleingang ist, der in Fischers Garten […]
[…] in der Pfarrkirche Maria Hilf. Noch immer ist das kleine Städtchen Zentrum eines Reservats für Ungeimpfte, das die Regierung im Herbst […]
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