Meine liebe verstorbene Freundin Esther von Kirchbach, eine heiligmässige Lutheranerin, uns im Glauben sehr nahe, tröstete mich im Krieg einmal mit der Geschichte von dem Mönch, der, während das Haus brennt, in seiner Zelle an der Initiale weitermalt, weil er zum Löschen zu schwach ist – immer wieder kommt mir das Bild jetzt.
Nur mit gewalttätigem „voluntaristischen“ Anlauf kann ich mich zwingen, an die diversen neuen Frühlinge in Kirche, Kultur etc – nein, „glauben“ wäre eine glatte Übertreibung, also: sie auch noch für möglich zu halten.. Aber doch mit dem Zusatz: Gott sei Dank, dass ich sie nicht mehr erlebe — diese Welt, deren ,,utopische“ Schilderungen mir als wahre Albdruck-Träume erscheinen, eine lemurische, des Humanen bare Welt voll zynischer Roboter. […]
Ich finde nicht, dass ich ein laudator acti temporis* bin – dazu bin ich viel zu skeptisch. Ich seh auch den Greuel und Horror der diversen Vergangenheiten. Aber ich kann nicht finden, dass der Teufel nun anders als durch Beelzebub zum Quadrat ausgetrieben wird. Und jene Greuel haben sich doch, scheint mir, innerhalb eines Rahmens “richtiger“ Normen abgespielt und gegen sie verstossen, während jetzt Greuel zur Norm wird und Greuliches ihre offizielle Ausführung.
(14.3.1967)
*Eigentlich laudator temporis acti, ”Lobredner vergangener Zeit” (Horaz)
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