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Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 8

Ich weiss nicht, ob ein Konvertit* je das absolute Vertrauen ganz begreifen kann, das wir der Kirche als ganzer Erscheinung entgegengebracht haben – absolut, trotz klarer Erkenntnis von Schwächen, Fehlern, Versagern, sogar Verbrechen ihrer Repräsentanten. Die Borgias haben mich nie im geringsten gestört, so wenig wie die Päpste des 10. Jhdts, sogar die Inquisition und die Methoden der Gegenreformation usw. Der Mensch ist halt so, und die berühmte Zeitbedingtheit war mir immer spiegelklar. Aber man war trotzdem stets überzeugt, dass „das Ganze“ in Ordnung ist und sämtliche Auswüchse eben Auswüchse am Richtigen.
Aber jetzt will es mir oft scheinen, als stimmte das nicht mehr. Als wären genau die “spezifisch katholischen“ Elemente schon prinzipiell und vom Ansatz her ,,Auswüchse“, die sich nur – und kaum – durch Gottes Gnade historisch nicht so toll ausgetobt haben wie es eigentlich in ihnen liegt -. Und als hätten die Protestanten in all dem, was spezifisch und typisch „protestantisch“ ist, eben RECHT! Daran ist Küng sehr schuld, mit seinem ewigen Gerede von der endlich nachgeholten, der um 400 Jahre zu spät gekommenen Reformation – darum wehre ich mich ja so gegen ihn noch ausser seiner mir unsympathischen arroganten Art. Aber ich habe faktisch manchmal Angst, er könnte recht haben. Priestertum, Hierarchie, Eucharistie, Sakramente überhaupt, wenn das alles späte Fehldeutungen wären?? nur durch gnadenloses Zurückschneiden auf die nackte Wurzel zu heilen??
(23.2.1965)

*Der Briefpartner, P. Gordan, war mit 18 Jahren konvertiert, vgl. den “Vorabend”.

Gereon Lamers

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