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Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 9

Vieles bei Karl Rahner kann man natürlich, wenn  man will, auch so interpretieren…Und bei dem spielt todsicher weder Arroganz noch Effekthascherei mit – das macht es noch viel unheimlicher… Es geht mir vor allem so absolut gegen den Strich, weil ich doch immer so glühend an den Heiligen Geist in der Geschichte, in der Geschichte der Kirche, geglaubt habe, an Sein Dabeisein und unablässiges Wirken. Und nun soll ich glauben, Er habe Seine Kirche – falls sie Seine Kirche ist! – ungefähr zu 90% in Finsternis, Verblendung und Irrtum gelassen und nur die Abtrünnigen hätten mit Müh und Not durch ihre Abspaltung das Wesentliche für die Zukunft gerettet … Ich kann das nicht annehmen. Und doch scheint sich’s rational aufzudrängen – wenn man viele heute aufgestellte Prämissen akzeptiert.
Die Relativierung der Kirche und von allem fast, was sie lehrt, darstellt, verkörpert, ist so umfassend, so unbarmherzig, dass mir der ganze Grund, auf dem ich stehe, in dem ich wurzele, einzubrechen scheint. – Dagegen ist natürlich all das, was in meinen alten Tagebüchern steht von Umwandlungsprozessen in Bezug auf Verständnis von Einzelheiten ein fast lächerliches Kinderspiel. Jetzt geht es an die Wurzeln. – Vielleicht ist dies in Wirklichkeit die unterste Wurzelschicht jener Angstanfälle – mag sein.

(23.2.1965)

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