Neues zur Fastenzeit (2/2)
(ungeposteter Originaltext aus dem Jahr 2020)
Rituale haben es schwer in Herz Jesu Weimar. Wenn man jetzt mal vom gründonnerstäglichen eigenhändigen Eintauchen der Hostie in den Wein durch die Gläubigen selber absieht. Dieser liturgische Mißbrauch („Es ist dem Kommunikanten nicht erlaubt, selbst die Hostie in den Kelch einzutauchen oder die eingetauchte Hostie mit der Hand zu empfangen“ – Redemptionis Sacramentum Nr. 104) hält sich zäh.
Aber wenn man zur eigenen Andacht gewöhnt ist, sich bestimmten Statuen und Figuren zuzuwenden, muß man immer wieder Irritationen verkraften. So wie im Frühjahr 2018, als die Marienstatue plötzlich von ihrer Konsole verschwand und man von vier eigentlich an den Informationsfluß angeschlossenen Befragten vier verschiedene Antworten über den mutmaßlichen Verbleib erhielt. Obwohl klar war, daß die Statue vermißt wird und Nachfragen also berechtigt waren, gab es keine Antwort. Vielmehr machte ein lustiger Einfall deutlich, wie in unserer Pfarrei mit Fragen, auf die man aus irgendeinem Grund nicht antworten will, umgegangen wird:
Mit dem Hinweis auf eine Kur wird man die Frage nach dem Verbleib des Kruzifixes über dem Altar nicht beantworten wollen. Womit aber dann? Seit der Morgenmesse zu Aschermittwoch nämlich hängt ein Fastentuch nicht nur vor, sondern anstelle des Kreuzes über dem Altar von Herz Jesu Weimar.
Zu einzelnen Bildmotiven werden an den Fastensonntagen nun kurze Meditationen zu Ende jeder Messe verlesen. Da geht es um das Blau, das dann für unseren Planeten, aber auch für das Universum (?!) steht, oder um das Gold als Licht, das uns umkreist und verletzt ist (der Ring ist nämlich in blutroten Spuren eingerissen.) Das Tuch erinnerte mich spontan an Objekte und Bilder von Kuno Vollet, zu dessen Goldarbeiten in der Ausstellung „Universen lebendiger Stille“ in Jena ich im November 2014 die Eröffnungsrede gehalten habe. Vollet verkaufte sich damals in Jena wie geschnitten Brot – an Menschen, die sich ein neues Haus im Bauhausstil hatten bauen lassen und etwas Schönes für ihr lichtdurchflutetes Treppenhaus suchten. Ob diese Käufer ihrerseits die träumerisch-assoziativ zu betrachtenden goldenen Kreise Kuno Vollets zeitweise gegen die Konkretheit eines leidenden Christus am Kreuz eintauschen würden?
Kruzifix und Bußzeit
Das Kreuz wird nach einer „Kann-Regel“ zwischen dem fünften Fastensonntag und dem Karfreitag verhüllt. Die Idee stammt laut „Tag des Herrn“ aus der Zeit, in der edelsteingeschmückte Triumphkreuze den Sieg Christi über den Tod symbolisierten. Dieser Siegesgedanke sollte zu Ende der Fastenzeit nicht das Gedenken an die Passion überdecken. Die Kreuze wurden mit lilafarbenem Tuch verhängt – eine Geste, die man auch für Kruzifixe mit dem leidenden Christus beibehielt. Lilafarbenes Tuch, wenn die das Goldkreuz verhängenden Tücher nicht in der Passionszeit Szenen aus dem Leiden und Sterben Jesu zeigten, um die Siegesfreude hinter dem Gedenken an das Leid zurückzudrängen.
Mit unserem Fastentuch geschieht nun das Gegenteil. Das Kruzifix, das uns das ganze Jahr über dem Anblick des leidenden Christus aussetzt, wird nicht einmal durch eines der in den 70er Jahren aufkommenden Hungertücher, sondern durch ein ebenso abstraktes wie harmonisches und farbenschönes Bild nicht nur verhüllt, sondern ersetzt. Wie gesagt: Rituale haben es schwer in Herz Jesu Weimar. Die Frage wäre tatsächlich, ob sich in unserer altar-, statuen- und wandbemalungsreduzierten Kirche nicht ein anderer Ort fände, um solche Tücher für die Fastenzeit aufzuhängen? Wenn jährlich die Maria dem Krippenaufbau weichen muß – wäre nicht das Gemälde Johannes des Täufers in der Fastenzeit eher entbehrlich als ausgerechnet das Kruzifix über dem Altar?
Rituale haben es schwer in Herz Jesu Weimar. Eilfertig folgte man in Teilen dem sehr frühzeitigen Rat der DBK, auf Weihwasser und Friedensgruß, Mundkommunion und das gemeinsamen Trinken von Priestern und Kommunionhelfern aus dem Kelch zu verzichten. In Teilen heißt: Gemeinsam getrunken wird noch, aber die Weihwasserbecken sind leer. Um Weimar herum sieht man das in puncto Weihwasser bisher noch anders. Was den Friedensgruß betrifft, so gibt es viele gute Gründe, ihn an der liturgischen Stelle direkt vor dem Agnus Dei zu begrenzen. Ob die Gefahr einer viralen Epidemie dazugehört, muß jeder für sich entscheiden. (Zugegebenermaßen sitzt in unseren Kirchen derzeit verstärkt die Risikogruppe, nämlich Menschen jenseits der 60.) Aber daß der Friedensgruß nur mit Handgeben funktioniert, ist definitiv Unsinn. Was hindert uns, uns weiterhin das „Friede sei mit dir“ zu wünschen, es auszusprechen – ob ich den Nachbarn daraufhin die Hand gebe oder nicht. Die gegenseitigen guten Wünsche sollten wir in aller Gefahr und gesundheitlichen Gefährdung auf jeden Fall beibehalten!
In diesem Sinne wünscht PuLa nicht ohne die ausdrückliche Erinnerung an die christliche Heilsbotschaft vom ewigen Leben allen Lesern eine gute Gesundheit!
Cornelie Becker-Lamers
Einen Kommentar schreiben