Plaudereien zum Beginn der Fastenzeit (1/2)
Heute ist Aschermittwoch. Das erkennt man daran, daß unser Kruzifix wieder von einem Fastentuch im Altarraum abgelöst worden ist. Äh – ja … nein, nicht ergänzt, sondern abgelöst. Es ist dasselbe Tuch, das auch im Vorjahr hing: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels“ heißt es und wurde von Lilian Moreno Sánchez im Auftrag von Misereor hergestellt. So sieht es aus:
Zur Erläuterung des Projekts erklärt die Internetseite von Misereor, daß Ausgangspunkt und Ideengeberin des Motivs eine Röntgenaufnahme gewesen sei, die den gebrochenen Fuß eines chilenischen Demonstranten zeigte. Er sei „bei Demonstrationen gegen soziale Ungleichheit durch die Staatsgewalt“ in Santiago de Chile verletzt worden.
In den letzten Wochen und Monaten haben wir durch wiederholte Zeitungs- … nein, Berichte waren die gerne halbseitigen Dossiers eigentlich nicht – durch wiederholte Stellungnahmen von Journalisten gelernt, daß es, auch wenn alles friedlich und mit Kerzen und Luftballons verläuft, gute und böse Kundgebungen gibt. Auch wenn es in allen zur Rede stehenden Fällen erkennbar Familien aus der Mitte der Gesellschaft sind, die einfach wollen, daß ihre Kinder unversehrt aufwachsen, ein normales Leben leben und ihre Zukunft planen können, sieht man offenbar immer sofort, ob man die ganze Sache verteufeln oder gutheißen muß. Also die Journalisten sehen das immer sofort. Und man muß nur ihrer Darstellung folgen, dann weiß man es auch. So eine Pressearbeit lobe ich mir! Endlich Sicherheit im Meinungsspektrum! #Komplexitätsreduktion.
Wenn ich das dementsprechend richtig sehe, sind gute Demonstrationen eigentlich schon einmal sowieso alles, was in fremden Ländern gegen die dortige korrupte und/oder die Grundrechte der Bürger mit Füßen tretende Staatsgewalt gerichtet ist. (Sogar wenn die Demonstrierenden sich über den Telegram-Kanal verabreden). Da ist man in der Beurteilung jedenfalls auf der richtigen Seite. Die Demonstration damals in Chile war also bestimmt eine gute Demonstration und man kann auf einer Verletzung, die sich dort jemand zugezogen hat, ein Hungertuch für Misereor aufbauen.
Zumal die Künstlerin es ja nicht bei der Röntgenaufnahme belassen hat. Als „Zeichen der Heilung“ hat sie „goldene Nähte und Blumen als Zeichen der Solidarität und Liebe“ auf den Stoff gestickt, heißt es auf der o.g. Internetseite. Das Material stellte ein Krankenhaus und ein Kloster, nämlich das Kloster Beuerberg nahe München, zur Verfügung. Zudem wurde der auf Keilrahmen aufgezogene Stoff mit Leinöl bearbeitet. Das verweist auf die Frau, die Jesus bei seinem Besuch im Hause des Pharisäers die Füße gesalbt hat (Lk 7,37ff). Außerdem kann man natürlich bei „Fuß“ auch immer die Fußwaschung des Herrn an seinen Jüngern assoziieren (Joh 13,5ff ).
Also alles in allem ein interessantes und vielsagendes Hungertuch, das wir da aus dem Vorjahr nachnutzen. Leider gefällt es mir trotzdem nicht so gut wie dasjenige aus dem Jahr 2020. Das war so schön und zugleich war das Brimborium, das darum gemacht wurde, so irre, daß ich es schon fotografiert hatte, um hier auf PuLa darüber zu schreiben. Der Text wurde auch fertig. Aber dann schlossen die Kirchen und wir haben ihn vor lauter Schreck nicht publiziert. Er sei darum im Zuge der diesjährigen Fastenzeit veröffentlicht.
Das wird morgen geschehen. Jetzt erzählen wir noch ein bißchen von heute weiter.
Im Gegensatz zu den Ankündigungen gab es auch in diesem Jahr kein Aschekreuz auf die Stirn, sondern es wurde nur etwas Asche aufs Haupt gestreut. Zu dieser Praxis haben wir ja im vergangenen Jahr schon eine Geschichte erzählt, die sich bei unseren Freunden in Wundersdorf zugetragen hat, hier.
Es war also wieder einmal Kreativität gefragt. Unser Do-it-yourself-Aschekreuz, das wir uns nach dem Meßbesuch auf die Stirn gemalt haben, bestand aus Holzkohlenasche aus dem seit dem letzten Sommer nicht ausgeleerten Gartengrill und Weihwasser, das man in diesen Zeiten ja immer zuhause parat haben muß.
Tja – und so bleibt uns nun nur noch, die Fastenzeit einzuhalten, beginnend mit den Quatembertagen übermorgen und am Samstag. Während im Internet die Tips ausgetauscht werden, wie man die sechs Wochen (eigentlich sind es ja sieben?!) durchstehen kann – die Vorschläge drehen sich dabei hauptsächlich um Gedanken an die eigene Traumfigur –, müssen wir uns zumindest darüber, nämlich um den Sinn der Fastenzeit, ausnahmsweise einmal keine Gedanken machen 😉 .
Cornelie Becker-Lamers
Fortsetzung folgt morgen
Einen Kommentar schreiben