Das „Nunc dimittis“ in gotischer Sprache
Sie erinnern sich an das gotische Vater Unser, das die Cäcilini vor genau vier Jahren im Hochamt erstmals gesungen haben und das sich auf dem YouTube Kanal der Sängerinnen als so unerwartet erfolgreich erwiesen hat? Zweieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung des kleinen Musikfilms verzeichnete das Lied 6.000 Aufrufe und war damit der absolute Spitzenreiter unseres Repertoires. Als sich ein knappes Jahr später abzeichnete, daß sich in naher Zukunft 10.000 Menschen das Atta Unsar angehört haben würden (mittlerweile steuert es auf die 11.000 Aufrufe zu), lag eine weitere Vertonung in gotischer Sprache nahe.
Die Planung dieses Jubiläumsgeschenks für das Atta Unsar begann um Mariä Lichtmeß. Der Gedanke an den Lobpreis des Simeon lag deshalb nahe. Mir fiel auf, wie etabliert das „Nunc dimittis“ als eigenständige kulturelle Größe ist. Längst hat sich eine ganze Tradition von bildkünstlerischen Darstellungen und Vertonungen um diesen Lobpreis gebildet, die ich den Jugendlichen in den Proben gleich würde mit vermitteln können.
Und so suchte ich im Lukasevangelium (von dessen Übersetzung in der Wulfilas-Bibel sehr viel erhalten geblieben ist) nach der Erzählung von der Darstellung des Herrn und fand mit den Versen 22-40 des zweiten Kapitels die ganze Geschichte in gotischer Sprache vor. 🙂 Vertont habe ich die Verse 29-31, die Musik versucht aber, den Text des Lobpreises beim Wort zu nehmen, die gesamte Szene zu Ende zu denken und darzustellen, was die wörtliche Rede des Simeon nicht liefern kann.
Hören Sie doch einfach zunächst einmal das Lied an. Es singen die Cäcilini Weimar. Mit geprobt haben alle. Die Aufnahme entstand in einer durch Erkrankung, Wohnungssuche oder ‚YOLO‘ dezimierten Ferienbesetzung, was der Qualität des Gesangs jedoch keinen Abbruch tut. Enjoy 🙂
Cornelie Becker-Lamers
Fortsetzung folgt
PS: Am Rande sei erwähnt: Das Nunc dimittis (hier die Verse 29-32) sind auch allabendlicher Bestandteil der Komplet im Alten Ritus (“Canticum”). Wie die Komponistin mitteilt, klingt der auf lateinisch wunderschöne letzte Vers:
Lumen ad revelationem gentium, et gloriam plebis tuæ Israël.
aber auf gotisch leider nicht so gut. 😉
Gereon Lamers
Ein Kommentar
„liuhath du andhuleinai thiudom jah vulthu managein theinai Israela“, heißt es in Vers 32. Worte klingen nicht ’schön‘, wenn man nichts mit ihren Lauten verbindet. Also wenn keine Erinnerung an etwas Schönes oder Erhabenes bei ihrem Klang mitschwingt. So einfach ist das. Diese Erinnerung hätte ich durch eine Vertonung natürlich anlegen können. Also man kann auch schlicht sagen: Ich war zu faul, noch einen weiteren Vers zu vertonen 😉
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