Der Ausgang meiner Höhle war auf der Spitze eines Berges, und auf dunklen labyrinthischen Wegen gelangte ich dahin. Nun stand ich oben, in freier Luft, in kräftiger Atmosphäre, unter einem unermeßlichen, strahlenden Sternenhimmel, der sich in einem ebenso unermeßlichen Meere rings um mich her abspiegelte. Da sprach neben mir eine Stimme: „Dies ist die Kirche Christi.“ Und ich fiel nieder und betete an. Und die Stimme deutete mir die strahlenden Sternbilder; — da hörte ich Lehren, Mysterien, Worte, wie mein Ohr sie zuvor nie vernommen, wie ich gar keine Ahnung hatte, daß etwas so himmlisch und heilig Liebevolles, so Erhabenes, so die Seele Verklärendes für mich, für uns, für Alle — gelehrt und gegeben werden könne.
Ida Marie Louise Sophie Friederike Gustave Gräfin von Hahn, geboren am 22. Juni 1805, in die Kirche aufgenommen am 26. März 1850, gestorben am 12. Januar 1880
Das Leben der Schriftstellerin, Lyrikerin und Klostergründerin Ida v. Hahn – es wäre auch heute noch ein “gefundenes Fressen” für die Regenbogenpresse! Aus einem uradeligen mecklenburgischen Adelsgeschlecht gebürtig hatte Ihr Vater das riesige Vermögen mit windigen Theaterprojekten durchgebracht und seine Tochter einem entfernten Vetter gleichen Namens zur Frau gegeben, daher der von ihr präferierte Doppelname „Gräfin Hahn-Hahn“. Die Ehe hielt nur wenige Jahre und Ida, seit ihrer Scheidung finanziell unabhängig, entwickelte sich zu einer völlig unabhängigen, „mondänen” Person, die, unverheiratet, mit ihrem Lebens- und Reisegefährten Adolf Freiherr von Bystram weite Reisen durch Europa und den Orient unternahm und sich parallel zu einer der meistgelesenen deutschen und europäischen Schriftstellerinnen entwickelte; ihre Werke wurden in nicht weniger als acht Sprachen übersetzt. Vorbild war ihr übrigens u.a. die etwas ältere Luise Hensel, die wir ja vor wenigen Tagen erst hier kennenlernen durften.
Als “deutsche George Sand”, “Freie Aristokratin” und “Königin ihrer Zeit” bezeichnet, hinderte aber nicht etwa dieser Lebenswandel, der auch noch weitere Affären kannte (und Möchtegern-Affären, den Fürsten Pückler hat sie abblitzen lassen), den Empfang an etlichen Höfen Europas. Wohl aber zerstörte die Konversion bis dato bestehende Freundschaften und sorgte für regelrechten Aufruhr: Aus dem engeren Umfeld Bismarcks selbst wurden ganze Bücher voll der Polemik gegen sie verfaßt!
Die Bekehrung, ausgelöst durch den Tod ihres langjährigen Gefährten im Mai 1849, war Resultat einer tiefgehenden Lebenskrise und gründlichen Selbstreflexion:
“Stolz war der Grundzug meines Charakters, die Basis, auf welcher ich mein Leben gründete. Durch ihn sind die Engel aus dem Himmel gefallen und Lucifer in den Abgrund; — ich weiß es! mich hat die Hand meines Gottes gehalten, als es noch Zeit war. Dieser Stolz gab mir ein grenzenloses Bedürfnis innerer Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen von Menschen und Dingen. Ich wollte kein Sklave sein fremder Urteile, fremder Meinungen oder Ansichten; ich mochte weder heucheln noch schmeicheln, um Lob zu hören, Tadel zu meiden. Auch von Gewohnheiten, Verweichlichungen, Bedürfnissen mogte ich nicht abhängen. Es war mir eine Lust, zuweilen etwas zu entbehren und auszuhalten — aber dies war stets etwas Selbstgewähltes. Immer auf eigenen Füßen zu stehen, war mir eine Wonne. Kam irgend ein Sturm, so beugte ich mich und ließ ihn vorüber rauschen. Aber ich blieb auf meinen Füßen — und Gott ließ mich wirklich stehen, so daß ich wer weiß wie oft zu mir selbst sprach: Gott ist für mich, ich kann Alles aushalten. Es begegnete mir eben nichts, was die natürliche Kraft nicht hätte ertragen können; — darin bestand gerade die innere Führung meiner Seele. Denn als der erste, große Schmerz, der einzig wahre Schmerz meines Lebens über mich kam — ja, wo war da die Kraft? Bis dahin hatte ich die Schmerzen überwunden, weil ich mich gegen all ihre Angriffe immer hinter Helm und Schild meines Stolzes und Selbstvertrauens flüchten konnte; — jetzt war das vorbei! ich war im Herzen getroffen und überwunden bis in’s Mark der Seele; denn, so groß der Stolz sein mochte — die Liebe war größer gewesen. Noch behielt ich meine Waffen in Händen, obwohl ich sie nicht mehr brauchen konnte, nutzlos mich beschwerend mit ihrer Last, die mein Leid nur vermehrte und einen unerträglichen Druck mir aufbürdete. Endlich gab ich sie und mich in Deine Hand, mein Herr und mein Gott!”
Freilich, auch die nüchtern geplante Durchführung dieses Vorhabens geschah ganz ‘à la Ida Hahn’: “Glut im Herzen, Eis im Kopf”. Aber so sehr sie diesbezüglich auch “den Taktstock in der Hand” behielt, und so sehr sich auch ihr literarischer Erfolg, nur jetzt eben im katholischen Teil Deutschlands, fortsetzen sollte, ihr weiterer Lebensweg spricht deutlich von der Ernsthaftigkeit der Umkehr!
Sie folgte nach dessen Berufung zum Bischof von Mainz Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der sie in Berlin in die Kirche aufgenommen hatte, dorthin, wo sie im Dezember 1853 das Kloster ‘Vom guten Hirten’ zur Pflege “gefallener Mädchen” gründete und dort bis zu ihrem Tode wohnte, ohne allerdings dem Orden selbst anzugehören.
Wer möchte kann hier den vollständigen Konversionsbericht unter dem Titel: “Von Babylon nach Jerusalem” nachlesen.
Ich aber kann nur staunen, wo Glanz, Zauber und Schick katholischer Persönlichkeiten geblieben sind. Versuchen Sie mal, an bekanntere (von “berühmt” wollen wir vorsichtshalber gar nicht reden!) katholische Frauen im Deutschland von heute zu denken, ich nenne lieber keine Namen, und kontrastieren Sie sie im Geiste mit Ida Hahn… 🙄
Gereon Lamers
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